An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Die Amarone Legenden von Valpolicella: Die Tenuta Sant’Antonio
Vier Brüder führen eines der Spitzenweingüter Italiens – das gelingt wohl nur mit der bewundernswerten, landestypischen Familiensolidarität, für die man die Italiener beneiden kann. Man muss schon eine gemeinsame Leidenschaft für den Wein entwickeln, schon um zu akzeptieren, dass die Existenzgrundlage so unberechenbar ist wie die Natur.
Aufgewachsen sind die Brüder Castagnedi , Armando, Tiziano, Massimo und Paolo, auf dem elterlichen Weingut in San Zeno, einem Ortsteil von Colognola ai Colli, ein Ausläufer vom Valpolicella, wo Vater Antonio mehr als fünfzig Jahre lang auf 20 Hektar die berühmten Skaliger-Weine erzeugte: vom Amarone über den Valpolicella bis zum Soave.
Jahrelang arbeiten die Brüder Castagnedi als technische Berater und stellten in ganz Italien "schlüsselfertige" Weinkeller hin. Auf diese Weise sammeln sie eine einzigartige Erfahrung.1989, als die Valpolicella-Produktion dramatisch zurückgegangen war, kauften sie in der Gegend von Mezzane 30 Hektar Rebfläche unweit der elterlichen Tenuta und brachten Weinberge und Keller auf den Stand der Zeit. Sie pflanzten die Reben mit fast 8.000 Stöcken pro Hektar dicht beieinander, um die Verwertung der Nährstoffe im Boden zu fördern. Jeder Weinstock wurde im Frühjahr auf 8 bis 10 Augen runtergeschnitten und im alten Tendone-System oder im moderneren Guyot-System gebunden. Grüne Weinlese nach dem Fruchtansatz und sorgfältige Laubarbeit zielten auf die erwünschten niedrigen Erträge mit qualitativ sensationellen Trauben, von denen nur die besten verwendet wurden. Im Keller wurden neue Fässer aus französischer Eiche angeschafft. Für damalige Zeiten alles echte Pioniertaten, die heute verbreitet sind und damals weitgehend belächelt wurden. Nach sechs Jahren wurden die ersten Weine ausgebaut. Das war die Zeit, als die Valpolicella-Region sich nur noch mit dem Amarone ihre Existenz sichern konnte. Die Weinwelt wurde schnell auf die Weine der Brüder Castagnedi aufmerksam und ließ mit Lobpreisungen und Auszeichnungen nicht lange warten: Schon mit dem Cabernet Sauvignon Capitello 1997 erhielten Sie die begehrten 3-Gläser im Gambero Rosso. So geht das bis heute weiter. Das Markenzeichen der Brüder Castagnedi sind mit der Tenuta Sant’Antonio geblieben: Qualität und Professionalität. Und so haben sie Crus wie Monti Garbi, Campo dei Gigli, La Bandina und Capitel del Monte zu internationalem Ruhm gebracht.
Dabei geht es nicht nur im ein neues Verfahren zur Weinherstellung, sondern um die konsequente Umsetzung einer neuen, alternativen Methode des Weinbaus. Schon im Weinberg werden nur Düngemittel verwendet, die auf einer Analyse der Moste für jeden einzelnen Bodentyp und nicht auf einer Blattanalyse beruhen. Pestizide werden durch natürliche Methoden ersetzt, die auch nicht vor der Ernte verbreitet werden und über die Reben keine Restmoleküle im Wein freisetzen. Die Arbeit im Keller ist sehr mühsam, weil auf chemische Substanzen zur Stabilisierung und Konservierung verzichtet wird und oftmals nahezu steril gearbeitet werden muss. Teilweise werden die Trauben unter Schutzatmosphäre verarbeitet, um die Oxidation zu verhindern. Das Ergebnis sind Weine, die näher an der Natur und am terroir sind und ihre eigentliche Kraft mit subtilen Differenzierungen zeigen. Inzwischen werden etwa 15 % der Weine in der Tenuta Sant’Antonio mit der neuen innovativen Methodik erzeugt, sich immer noch in der experimentellen Weiterentwicklung befindet.
Heute gehören dem Weingut rund 50 Hektar Rebfläche, wobei sich die Hälfte im Illasi-Tal und die anderen im Mezzane-Tal befinden, alle etwa 300 m hoch mit Steigungen bis zu 30 %. Das Valle d'Illasi ist das längste der Valpolicella-Täler und Namensgeber des Konsortiums "Illasi Valleys". Es erstreckt sich über rund 30 km von Colognola ai Colli bis nach Giazza und an die Grenze des Trentino. Im Mezzane-Tal sind die umliegenden Hügel mit Zypressen, Kirschbäumen, Olivenhainen und Rebstöcken überzogen. Dazwischen wachsen wilde Eichen- und Haselwälder, die ein dichtes Wegenetz durchkreuzt. Vor allem im Spätsommer und Herbst sind diese Wälder ein Paradies für Trüffeljäger. In der Gegend ist vor kurzem ein Wanderweg durch die Weinberge angelegt worden, der komplett geo-referenziert ist und kann auf jedes Navi-Gerät geladen werden kann. Wenn Sie die Tenuta Sant’Antonio besuchen, sollten Sie sich den Weg im Weinberg bis zum Holzkreuz der Monti Garbi nicht entgehen lassen, von dem aus sich das sanfte Mezzane-Tal in seiner vollen Schönheit entfaltet. An klaren Tagen kann man bis zum Apennin und zu den hohen Gipfeln der Monti Lessini sehen.
In Monte Ceriani in Colognola ai Colli liegen die Weinberge zur Soave-Herstellung, und hier wird auch die gesamte Produktion ausgebaut. In San Briccio hingegen, auf dem langgestreckten Rücken der Monti Garbi, reifen die Reben der außergewöhnlichen Valpolicella und Amarone heran. Die Reben finden gut Wachstumsbedingungen in den reichlich mit Kalkstein, Kalziumablagerungen und Kreide versorgten Böden. Es werden die roten Sorten Corvinone, Corvina, Rondinella und Cabernet Sauvignon angebaut. Die weißen Reben sind vorwiegend Garganega, Trebbiano di Soave und Chardonnay.
Wir haben drei Spitzenweine des Weinguts Tenuta Sant’Anonio verkostet.
Die Degustation der Valpolicella- und der Ripasso-Weine haben wird zeitnah an der Vermarktung vorgenommen, zumeist im Jahr 2012. Die Amarone-Weine hingegen haben wird bewusst erst im Jahr 2015 verkostet, weil man dem Amarone einige Jahre Zeit geben muss, um seinen großartigen Charakter angemessen würdigen zu können.
Valpolicella Superiore La Bandina 2007
(verkostet 7. Dezember 2012)
Die Cuvée besteht aus 70% Corvina, aus Rondinella, Croatina und einem kleinen Anteil anderer Rebsorten von zwei Weinbergen der Tenuta. Er wird mit einer besonderen Methodik hergestellt: Die Weinlese erfolgt per Hand zwischen Ende September und Mitte Oktober. Die gesammelten Trauben gelangen in kleine Kisten. Die Trauben werden ca. zwei- bis drei Wochen in gut durchlüfteten Räumen stehen gelassen. So wird eine natürliche Konzentration des Mosts in den Trauben erzielt, die dem Wein eine Dichte und Geschmackstiefe verleiht. Nach einer dreiwöchigen langsamen Maischegärung im November wird ein Teil des Weins im darauffolgenden Frühjahr auf den Amarone-Schalen nach der "Ripasso"-Methode nachgegärt. Ansonsten reift er 24 bis 30 Monate lang in neuen 500 Liter-Tonneaux aus französischer und verschieden großen Fässern aus slowenischer Eiche, um anschließend weitere 12 Monate in der Flasche zu ruhen.
Der Wein schimmert tief dunkelrot im Glas und sendet granatfarbene Reflexe aus. Er duftet nach Pflaumen, Kirschen, Zimt, Schokolade, Zedernholz. Am Gaumen kommt er weich, warm und fast seidig an. Im Geschmack spiegelt sich das Bukett und lässt uns darüber hinaus an Hollunderbeeren und diverse Gewürze denken, die sich insbesondere in einem fantastisch langen, aromatischen Abgang in Erinnerung bringen. Er ist seidig ausbalanciert, dennoch opulent, konzentriert und temperamentvoll. Der Valpolicella Superiore La Bandina 2007 würde sich bestimmt über eine raffiniertes Pastagericht freuen oder über einen herrlichen Rehrücken oder über einen deftigen Braten vom Hasen.
Amarone Selezione Antinio Castsagnedi 2008
(verkostet 5. Dezember 2015)
Im Glas erscheint er erwartungsgemäß mit dem tiefroten Rubinton mit Granatreflexen. Er entfaltet spontan ein dichtes Bukett mit einer reifen Viktoria-Pflaume, schwarzroten Hedelfinger Kirschen, abgerundet mit einer schön komplexen Würze, Süßholz, Kakao, Malz und Spuren von blondem Tabak. Schlückchenweise schmatzen wir auf einer süßlich-herben Fruchtskala herum und lassen die harmonischen, ausgeglichenen Gerbstoffe wirken. Der Wein aus dem an sich nicht besonders guten Jahrgang 2008 ist erstaunlich friedlich, gut strukturiert und lässt doch den typischen säuregestützten vollen Körper nicht vermissen. Es ist die gut verdeckte, reife Säure, die dem Wein eine für einen Amarone nicht selbstverständliche schöne Frische und Lebendigkeit gibt, die lange nachhallt. Ein großartiger Amarone, den Sie auch 2020 noch genießen werden. Schon jetzt beeindruckt er zu einem kräftigen Hirschragout auf Spätzle oder zu einem scharf gegrillten, gut gewürztem Entrecôte vom Grill.
Amarone della Valpolicella Campo die Gigli 2006
(verkostet 27. November 2015)
Auch bei dem greifen Ausbau die Brüder Castagnedi zu ungewöhnlichen Maßnahmen: Die Reben kommen nach einer mehrfachen Vorsortierung per Hand und einer dreimonatigen Trocknung auf Strohmatten in neue französische 500-l-Eichenfässer und werden in den aufrecht stehenden, offenen Fässern 60 bis 70 Tage vergoren. Danach kommen sie raus, werden ein einziges Mal gepresst, die Fässer werden gereinigt und der Most kommt wieder rein, Deckel rauf und dann reift er drei Jahre lang. Auch die malolaktische Gärung wird übrigens um 500-L-Tonneaux durchgeführt. Von dem Jahrgang 2007 sind seinerzeit rund 15.000 Flaschen abgefüllt worden.
Im Glas hat er schon in der Nase einen opulenten, anhaltenden Auftritt mit Noten von Schwarzen Johannisbeeren, Brombeeren, Walderdbeeren, Pfeffer, Tabak und Süßholz, Steinen und feinen Gewürznuancen. Im Mund breitet er sich intensiv und konzentriert aus, spontan beeindruckt die vollendete Harmonie, die füllige Dichte, die reizvolle Süße, die feine Mineralität, die elegante Holznote, alles wunderbar abgerundet und ihn zu einem agressionsfreien Amarone macht. Zu den Bukettnoten kommen überreife Sauerkirschen, Heidelbeeren, Schokolade, Zimt und geröstete Espresso-Bohnen dazu. Das stabile, edle Tanningerüst und die 16 % Alkohol geben dem Wein ein solides, aber nicht unangenehmes maskulines Rückrat. Sie tragen wesentlich zu seiner Komplexität bei und verschaffen ihm eine großartige Länge im Abgang. Der Amarone della Valpolicella Campo dei Gigli ist einer der ganz großen Amarone Italiens, den Sie als grandiosen Solisten genießen sollten. Und das bis mindestens 2025.
19.02.2016
Fotos © Tenuta Sant‘Antonio
Die Castagnedi Brothers