An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Drei Männer und ein Schloss – das Weingut Wein von 3 in Franken
1. August 2016
Klassisch ist hier gar nichts. Weder der Betrieb, noch die Winzer, noch das Weingut – letzteres ist zumindest barock. Ansonsten gibt es nichts, woran eine allseits so beliebte Story von jahrhundertealten Familientraditionen im Reich des Weinbaues anknüpfen könnte. Stattdessen geht es um Freundschaft, Ideale, Leidenschaft, ein Schloss im Fränkischen und die unbändige Lust, Wein zu machen – as you like it.
Drei Freunde, zwischen 1969 und 1982 geboren, machten Ende 2011 aus ihren Spinnereien und Schwärmereien erst eine Idee und dann einen Weinbaubetrieb. Schnörkellos und informativ nannten sie ihn ein Jahr später: Wein von 3. Es war ein Start-up der besonderen Art: Niemand hatte zuvor ein Weingut geleitet oder als Kellermeister einen eigenen Wein gemacht. Aber alle drei waren fest entschlossen, neue Weine zu kreieren, Freistil sozusagen, allein mit frischen handwerklichen Winzerkünsten. Fix waren hier nur die Ideen, aber nicht die Regeln.
Sohn Alexander von Halem hatte sich nach spontan beendeter Schulzeit eigentlich auf ein Leben in seinem Geburtsland USA eingerichtet, in das er schon mal ausgewandert war und dem er als Army Offizier diente. Als er 1998 das elterliche Schloss erbte, kehrte er zurück, wechselte die Branche und führte fortan das Familienunternehmen Hotel und Kultur. Mitwirkende waren von Anfang an seine Mutter, Marina von Halem, seine Frau Katalin von Halem und die Töchter Katharina und Isa, später dann auch Sohn Cajus. 2002 absolvierte Alexander von Halem eine Ausbildung zum „Gästeführer Weinerlebnis Franken“. Auf mehr als einen Job als 18jähriger bei einem Winzer und auf seinen Weinenthusiasmus konnte Alexander von Halem allerdings nicht verweisen, als sich 2011 das 3er-Team zum Weinmachen zusammenfand.
Die drei hoffnungsvollen Weinmacher gründeten zuerst die „Weingut Barockschloss GbR“, pachteten 1,2 Hektar Reben in Stammheim am Main, westlich von Zeilitzheim, wo die einzige Lage der 130 Hektar große Eselsberg ist. Sie ist ganz überwiegend nach Südwest ausgerichtet mit einer leichten Hangneigung von 10 bis 20%. Auf den Parzellen standen die Rebsorten Müller-Thurgau, Kerner, Dornfelder, Bacchus, Silvaner und Riesling. Der erste Jahrgang, den Wein von 3 abfüllte, war der aus 2012. Inzwischen haben sie durch Zukäufe die Rebfläche im Eselsberg auf rund 2,4 Hektar vergrößert und streben nach mehr als den knapp 10.000 Flaschen, die sie jährlich befüllen. Als nächstes soll nach der diesjährigen Ernte ein halber, mit Bacchus bestockter Hektar gerodet und im Frühjahr 2017 mit Domina und Silvaner neu bepflanzt werden. Noch managen die drei Weinmacher das Weingut im Nebenerwerb, sie wollen es jedoch langfristig auf 10 Hektar bringen, damit alle drei Familien davon leben können.
Wein von 3 hat insgesamt acht Weine im Programm, mit denen sie nahezu jeden Geschmack verwöhnen. Silvaner, Riesling und Domina werden sortenrein angeboten. Wer im Herbst im Weingut vorbeischaut, bekommt, insbesondere auf dem Bremserfest im Oktober, Federweißen hingestellt, selbstverständlich mit selbst gebackenem Zwiebelbrot, Stängli und Schmalzstullen – außerhalb des Berliner Ursprungs auch Schmalzbrote genannt. Die Flaschen der acht Weine sind jeweils in einer anderen Farbe mit bunter Schrift etikettiert, die passende Farbkarte gibt es als eine Art Katalog und Preisliste dazu. Mehr als der Name des Weins, seine Herkunft und teilweise seine Ausbaumethode sind auf den Labels nicht zu finden. Auf die Angabe von Lage, Prädikaten oder Siegeln mit Auszeichnungen verzichtet man zugunsten einer überzeugenden Schlichtheit und Prägnanz eines jungen Designs.
Wein von 3 ist über das Weinmachen hinaus auch im kommunikativen und kulturellen Bereich aktiv. Alexander von Halem ist nicht nur Schlossherr und Weinmacher, sondern seit langen Jahren in allen Zweigen des social media unterwegs. Da ist es nur konsequent, dass er auf den Webseiten des Weinguts und des Schlosses eigene Blogs betreibt und Nachrichten aus dem Weingut, dem Schloss und der Zeilitzheimer Weinprovinz verbreitet. Zu mehreren Terminen im Jahr werden musikalische und literarische Künstler aufgeboten. Zu Ostern und Weihnachten finden in den Räumen des Schlosses Märkte statt. Im Juni wird zum Hofweinfest in den Arkadenhof eingeladen. Legendär ist mittlerweile das Picknick mit BBQ im Schlossgarten, wo im August den ganzen Tag lang gegrillt und getrunken wird: Grillgut, Beilagen und Kuchen können mitgebracht oder geordert werden, der Wein kommt von den 3.
Wir konnten sechs Weine von Wein von 3 verkosten.
Riesling 14 trocken
Der Riesling 14 trocken plätschert in einem hellen Weißgold mit grünlichen Reflexen im Glas. Er duftet nach grünen Granny Smith Äpfeln, Birnen im Stil von Gellerts Butterbirne und einigen Zucker-Aprikosen, aber auch ein wenig nach getrockneten Kräutern. Am Gaumen fällt sofort die vibrierende Mineralität auf, die animierende Frische und das starke Aromenbündel voller herbstlicher Früchte. Im Mund mischen sich unter die Granny Smith schon mal einige Boskoop, die ja bekanntlich genauer und netter „Schöner aus Boskoop“ heißen. Aus dem geschmacklichen Aromenbündel schauen aber auch mal Williams Christ Birnen heraus, einige Weiße Johannisbeeren und weiße Trauben. Zu den Früchten kommt eine herrliche Würze hinzu plus wilde Kräuter von Wiesen im kühlen Morgentau. Die knackige Franken-Säure wird von der Franken-Mineralität und der Fruchtsüße – nicht zu verwechseln mit Restsüße – in belebende Frische verwandelt. Stark im Auftritt und stark im Abgang, ein Visitenkarten-Wein, den man gleich am Eingang vorzeigen kann. Er mag aber auch locker und ungezwungen zu einem fränkischen Hecht im Mund schwimmen.
Silvaner 14 trocken
Der Silvaner 14 trocken hat eine blassweiße Farbe und entwickelt ein würdiges Bukett, in dem grüne Äpfel, reife rote Birnen, Hollunderblüten, aber auch überreife Stachelbeeren und Wassermelonen zu entdecken sind. Geschmacklich kommen zu den dezenten Bukett-Aromen noch Farne, nasse Steine und einige Kokosraspeln hinzu. Vor allem imponieren seine tiefen würzig-mineralischen Noten, die von einer milden, eleganten Säure umspielt werden. Er ist animierend, geschmeidig und fränkisch robust im Abgang. Knallen Sie dem Wein entschlossen eine Kalbshaxe vor das Glas.
Wolf jr. 15 Cuvée feinherb
Die Weißweincuvée aus Trauben vom Stammheimer Eselsberg lässt fruchtige und süße Aromen schon in der Nase und erneut im Mund gleichsam explodieren. Wir nehmen Äpfel, Weintrauben, gelbe Pflaumen, weiße Pfirsiche, Weiße Johannisbeeren, Erdbeeren und reife Stachelbeeren wahr. Dazu getrocknete Wildblumen und getrocknete Aprikosen nebst einigen Macadamianüssen. Die Fruchtfülle macht den Wein aber nicht voluminös oder gar komplex. Denn die Fruchtprotzigkeit ist in eine coole Frische und eine geniale Leichtigkeit mit nur 11 Volumenprozent Alkohol verpackt, abgerundet von einer sehr milden Säure. Ein präzises, laserstrahlartiges Finish bündelt die brillante Frische und Fruchtigkeit noch einmal. Das ist der unkomplizierte Wein für vormittags, nachmittags, abends und nachts, egal, ob mit oder ohne etwas zum Beißen. Und denken Sie daran, immer eine zweite Flasche in der Kühlung zu haben.
Melusine 15 Rotling halbtrocken
Ein Rotling wird im Gegensatz zum Rosé oder Weißherbst nicht aus einer einzigen Rebsorte, sondern aus roten und weißen Trauben hergestellt, die zusammen gekeltert werden müssen und oftmals auch zusammen auf der Maische liegen. Denn die rote Farbe muss der Beerenhaut entlockt werden, was bei vorausgehender Verarbeitung in der Maische gut beobachtet werden kann, in der Pressung schon einiger Erfahrung bedarf. Als Rotling wird übrigens in Baden-Württemberg auch der Schillerwein hergestellt, der traditionell oft schon im gemischten Satz im Weinberg geerntet wird.
Mit seiner vornehmen Lachsfarbe und einer klitzekleinen Perlage leuchtet der Melusine Rotling das Glas ansprechend aus. Die Zurückhaltung in der Farbe wird in der Nase von einer extrovertierten Fruchtigkeit abgelöst. Gelbe Pfirsiche, reife Mangos, Aprikosen, Mirabellen, Feigen und Charente-Melonen formen das Bukett und tummeln sich im Mund. Schluck für Schluck entspannt der Wein mit seiner Frische und dezenten Prickligkeit. Die Fruchtsüße übertrumpft die Säure und macht ihn zu einem allseits gefälligen, lustvollen und frechen Leichtfuß, mit dem jeder Ritter und jede Meerjungfrau sich gegenseitig anbaggern können – und das nicht nur an einem Tag im Jahr. Genießen Sie die Melusine im Winter auch als Glühwein, die drei von Wein von 3 tun’s auch.
Fuchs v.B. 12
Der Fuchs v.B. 12 kommt aus den eher lehmigen Parzellen des Stammheimer Eselsbergs und lag einen Monat auf der Maische bevor abgepresst wurde. Nach der Gärung ruhte er zu einem großen Teil 18 Monate lang in französischen Barriques. Im Glas begrüßt er uns durch sein auffälliges Dunkel-Blauviolett, das nur leicht rot schimmert. Wir schnüffeln an einem dichten Aromenkomplex aus roten und blauen Früchten und Gewürzen. Nach den ersten Schlucken werden Blaue Zwetschgen, blaurote Viktoriapflaumen, dunkle Hedelfinger Kirschen, Brombeeren, Rote Johannisbeeren, getrocknete Pflaumen und Feigen erwähnt. Hinzu kommen einige Kardamonkapseln, ein kleines Blumensträußchen und Töne von Karamell und von Mokkaschokolade. Der Wein hat aromatische Intensität und Tiefe, eine seidene Textur und feine würzig-cremige Tannine. Kein Holzmonster, sondern Frucht, Finesse und Mineralität. Die saftige Fruchtstruktur, die angenehm leichte Säure und die würzige, zart rauchige Mineralität schwingen noch lange auf der Zunge nach. Das ist schon hohe handwerkliche Winzerkunst, die bald auf Sterne, Gläser und Punkte hoffen darf. Fuchs v.B. 12 ist ein Wein, der gerne mal vier Stunden vor dem Genuss die Raumluft einatmet. Er mag es gerne wild, also gönnen Sie sich und ihm ein Hirschfilet in Wallnusskruste.
Petrini 15 Perlwein
Eigentlich trinken Weinfreaks ja keinen Perlwein, erscheint ihnen die zugesetzte Kohlensäure doch als Fehltritt, der die Reinheit des Weins verderbe. Doch lieber einen guten Perlwein genießen als einen der modischen lauen Winzersekte, die keineswegs mehr durchweg mit Qualitätsvermutung daher kommen. Und Champus ist mit seiner Schwere und Aufdringlichkeit ja irgendwie auch eher out. Der Petrini 15 ist immerhin ein Jahrgangsperlwein, eine weiße Cuvée aus Kerner und Gewürztraminer vom Stammheimer Eselsberg, trocken ausgebaut und versetzt mit Kohlensäure. Im Glas funkelt er zitronengelb und sendet Signale von Limetten, Honigmelone und Mineralen aus. Wir schmatzen auf Aromen von roten Äpfeln und gelben Birnen herum, Orangen und Litschis. Der Wein ist süßlich, aber nicht zuckrig oder klebrig. Alles ist ordentlich untergebracht und am Gaumen straff organisiert. Es ist kein schnöder frizzante, sondern ein kraftvoller Body mit herrlich strömendem Trinkfluss und einer gewissen Eleganz. Verteilen sie ihn auf einer Grillparty als animierenden Aperitif oder als allgegenwärtigen Spaßwein zu einem argentinischen Entrecôte.
Alexander von Halem stellt im Hörerlebnis das Weingut Wein von 3 und die Weine vor.
Fotos: © Wein von 3,
soweit nicht anders angegeben
HÖRERLEBNIS mit Alexander von Halem
Foto: © Martin Raab