An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Geiger in der Südpfalz – Ein fröhliches Wein-Septett
17. Mai 2016
Dass auf einem Weingut drei Generationen mit aufgeschlossener Toleranz zusammenleben und mit Leidenschaft für den Wein zusammenwirken – samt Freundin vom Jungwinzer – ist weder sehr verbreitet, noch selbstverständlich. Genau das aber gibt es auf dem Weingut Geiger in der Südpfalz:
Da sind zuvorderst Opa Kurt und Oma Ruth. Opa musste den Hof als 16jähriger für seinen gefallenen Vater übernehmen. Wie damals üblich war es ein Mischbetrieb, in dem der Weinbau eher neben der Landwirtschaft und der wichtigen Viehzucht rangierte. Was die Weinberge hergaben, trank man selbst und lieferte den Überschuss der Genossenschaft zu. Sohn Werner ließ sich frühzeitig von Opa Kurt nicht nur in die Viehzucht einspannen, sondern auch in die alljährige Sorge um die Befüllung des einzigen Holzfasses im Keller. 1973 ging er das ausbildungsmäßig an, weil klar war, dass die Ausbildung zum Winzer nur Sinn machte, sofern der elterliche Hof sich vollends dem Weinbau zuwendete. Das ging aus finanziellen Gründen dann zwar nicht so schnell, wie es wünschenswert gewesen wäre. Aber die Heirat mit Pia 1981 und die Geburt von vier Töchtern in den folgenden Jahren trugen zur beschleunigten Umsetzung des Ziels bei, das dann mit sieben Holzfässern für 25.000 Liter Wein durchstartete.
Von der Entscheidung 1985, die Weine auf den inzwischen auch zunehmenden Flächen nicht mehr als Fassweine zu vermarkten, sondern selbst abzufüllen, dauerte es noch sechs Jahre bis Oma Ruth mit einem Kerner Spätlese den ersten Wein in der Flasche verkaufte. Vorangetrieben hatte den Hang zur Flasche sicherlich auch die Geburt der Zwillinge Tobias und Daniel 1990, mit denen sich die Hoffnung verdichtete, den Betrieb in der Familie erhalten zu können. Wenige Jahre später verabschiedete sich die letzte Kartoffel als landwirtschaftliches Produkt und fortan waren Reben, Trauben und Weine Alleinherrscher auf dem Hof und in der Familie.
Das mit der Winzernachfolge kam zwar zunächst ins Stottern, weil Sohn Tobias sich der Fußballleidenschaft und einer Ausbildung als Bürokaufmann zuwandte. Letztlich konnte er der traditionellen familiären Bindung an den Wein und der daraus resultierenden genetischen Affinität aber nicht entkommen und machte sich an die Winzerausbildung. Nach deren Abschluss 2011 setzte er noch den Techniker für Weinbau und Önologie drauf. Seit zwei Jahren fungiert er als Kellermeister und hat nebenbetrieblich damit zu tun, in dem siebenköpfigen Teil der Familie, der mit Leidenschaft am Wein interessiert ist, seine zuweilen neumodisch bis schräg wirkenden, aber letztlich erfolgssteigernden Ideen durchzusetzen.
Die Weinberge im Besitz der Familie Geiger haben sich inzwischen auf 19,5 ha vermehrt. Dem Weingut gehören Parzellen in der 126 ha großen Einzellage Frohnwingert rund um Oberhausen, in der 55 ha großen Einzellage Kirchberg in dem östlich davon gelegenen Barbelroth und in der 184 ha großen Einzellage Kirchhöh im südlichen Dierbach. Alle Einzellagen liegen zwischen 140 und 180 m hoch und sind leicht hängig. Frohnwingert und Kirchberg gehören zur Großlage Kloster Liebfrauenberg, Kirchhöh zur Großlage Guttenberg, alles wiederum liegt im Weinanbaugebiet Pfalz.
Bliebe noch alles über Oberhausen mitzuteilen: Die kleine Ortschaft liegt südwestlich von Landau an der Südseite des Erlenbachs und hat neben den Geigers noch weitere rund 443 Einwohner und ein Wahrzeichen, nämlich den Türmel, den zinngekrönten Uhrturm des Rathauses. Wenn Sie in Oberhausen übrigens auf der Oberdorfstraße einmal kräftig Gas geben, so sind Sie in Frankreich.
Im Geiger-Septett spielen heute Opa Kurth, Oma Ruth, Vater Werner, Mutter Pia und die Kinder Eva, Tobi und Daniel plus Tobis Freundin Lea. Nahezu in dieser Besetzung strömt man auch regelmäßig in die Weinberge. Hier wird häufig unter dem Kommando von Mutter Pia viel Handarbeit geleistet, von den Rebschnitten bis zur Lese. Der Weinbau soll naturnah und nachhaltig sein. Im Weinberg sollen die Trauben bestmöglich reifen und ihre ganzen Eigenschaften zur Geltung bringen. Im Keller können die Weine sich dann selbst verwirklichen und ungestört ihre ureigenen Aromen entfalten. Die Einstiegsweine werden temperaturgeregelt kühl vergoren, die Spitzenweine bleiben lange auf dem Hefelager, um ihre Harmonie zu optimieren.
Im Weinsortiment hat sich der Wechsel der Gnerationen schon vollzogen. Am Anfang stand die Erkenntnis, dass den Einzellagen des Weinguts der bundesweite Bekanntheitsgrad und eine hypemäßige Bewertung fehlt. Dann kam wohl die Überzeugung hinzu, dass die Zeit reif ist, um sich vom QbA-Regiment zu verabschieden. Schließlich fand Tobi Geiger wie viele junge Winzer Gefallen an der selbstbewussten Marschrichtung, die Weine grundsätzlich nach Rebsorten auszubauen und nur Jahrgangs- und Geschmacksbezogen auf die Flasche zu bringen und nicht mehr über die Einzellage und auch nicht in den Guts-, Orts-, und Lagenweinklassen. Obendrein werden im Weingut bis auf die 0,5-Beerenauslese Siegerrebe alle Weine in den klassischen, dicken Burgunderflaschen abgefüllt, von weiß bis rot, von Einstiegswein bis zum Traumtropfen. Um dem Kunden dennoch eine Qualitäts-Orientierung jenseits des Preises zu geben, werden alle Weine in ein hauseigenes Ranking eingestellt. Statt Sterne, Gläser oder Reben gibt es Geigen, und zwar bis zu drei Geigen im Premium Segment.
Neben den Haus-Linien hat Tobias die neue Linie Neon geschaffen, seine Signature Weine. Hier setzt er seine Vorstellungen von Qualitässteigerung durch Ertragsreduzierung schon sehr weit um. Die Trauben werden vollreif per Hand und vielfach auch selektiert gelesen. Die Weine sind jung, aber hochwertig und werden derzeit als Sauvignon Blanc trocken, Chardonnay trocken aus dem Holzfass und als Spätburgunder trocken angeboten.
Für die Zukunft setzt Tobias Geiger voll auf die Qualität und will hier vor allem durch weitere Ertragsreduzierung die Rebstöcke zu Höchstleistungen bringen. Mit seinem nächsten Projekt will er die Rieslinge, mit denen das Weingut große Flächen bestockt hat, zu einem äußerst hochwertigen 3-Geigen-Wein hinführen.
Wir konnten sechs Weine aus dem Weingut Geiger verkosten.
Riesling trocken 2015
Im Glas steht der Wein gelblich-grün und duftet intensiv nach weißen Pfirsichen, abgerundet von einer gefälligen, leichten Blumigkeit. Mit steigender Lust und Laune schmatzen wir auf dem Wein herum: Eine totale Fruchtigkeit, eine flippige Restsüße und eine total frischefördernde Säure, dazu ein ausgeprägter mineralischer Druck bis über das Finale hinaus. Ein typischer, leichter Trink-Riesling, der reichlich Pfalz und einen großen Jahrgang ins Glas bringt. Der saftig fruchtige Begleiter, für den man weder eine Timeline noch einen Anlass und nicht einmal etwas Essbares braucht – just fun und den eingeigigen Riesling trocken 2015.
Grauer Burgunder trocken 2014
Mit dem Grauer Burgunder trocken 2014 können Sie schon an ein elsässisches Choucroute ranklotzen oder an einen Linseneintopf mit Schweineschwarten. Er geht aber auch distinguierter mit gegrilltem Lammcarrée.
Weißer Burgunder trocken 2014
Im Glas funkelt der Wein in einem echt hellen Strohgelb. In der Nase wird hier nicht gedrängelt, gentle heißt es, wenn sich Birnen, grünfleischige Melonen und Mandeln melden. Geschmacklich treffen wir neben den Birnen und Melonen auch gelbe Äpfel und eine klitzekleine Zitrusfrucht an, alles recht dezent. Und immer wieder stechen nussige Geschmacksnoten durch, jemand entdeckt sogar etwas Karamell. Das passt gut zu dem durchgehenden Eindruck einer herrlich süßlichen Fruchtigkeit, die in einer erfrischenden Säure eingebunden ist. Daher haben wir einen recht dichten Weißburgunder vor uns im Glas, der gleichwohl spritzig und erfrischend wirkt und sogar eine gewisse Eleganz mitbringt.
Der Weißburgunder wird bekanntlich als klassischer Sommerwein propagiert, obwohl er als beliebte Spargel-Zugabe eher unter Frühjahrswein rangieren müsste. Stellen Sie doch lieber mal einen dampfgegarten Zander mit Leipziger Allerlei auf den Tisch oder eine Poularde aus dem Rohr und lassen sich dazu bei einem Glas Weißer Burgunder trocken 2014 erwischen – der mit den zwei Geigen.
Chardonnay Holzfass trocken 2015
Im Glas blitzt er uns in einem sehr hellen Gelb an. Als Bukett kommen Eindrücke von Grapefruit, gelber Melone und unreifen grünen Äpfel herüber. Geschmacklich beeindrucken die Frucht und die adäquate Säure, was dem Wein Körper und eine gewisse Komplexität verleiht. Der Gesamteindruck wird von einer Holznote unterstrichen, die einen nicht anspringt, sondern angemessen under cover rangiert. Obendrein erinnern einige Schlückchen zaghaft an Paranüsse und Wallnüsse. Der Wein kommt cremig, verführerisch daher, ein wackerer Jüngling des Jahrgangs 2015. Ein größerer Vorrat ermöglicht eine jährliche Verprobung und die Befriedigung der Neugier auf die ziemlich sichere traumhafte Entwicklung. Wenn Sie zwischendurch einige Flaschen für ein festliches Essen rausrücken wollen, sollten Sie es aber nicht unter Seeteufelbäckchen machen. Ach ja, servieren Sie den Chardonnay Holzfass trocken 2015 bitte nicht direkt aus dem Kühlschrank. 12° Celsius begünstigen es, alles wahrzunehmen, was dieser Wein zu bieten hat.
Spätburgunder Barrique trocken 2012
Im Glas zeigt er sich in einem dunklen Rubinrot mit violetten Reflexen. Endlich wieder ein Wein zum Schnüffeln. Wir erfreuen uns an Brombeeren, Schwarzen Johannisbeeren und Waldhimbeeren. Überhaupt kommen die gesammelten Waldaromen in den Sinn. Schlückenweise lassen wir dann den Wein wirken. Die fruchtige Aromatik von Brombeere, Erdbeere über Kirsche gefällt uns. Ebenso die gehauchten Bittermandeltöne und die Röstaromen. Die Barriques haben eine gefällige Vanille-Zimt-Nuance hinterlassen, verhalten, aber gut wahrnehmbar. Die Säure ist vorsichtig, aber präsent, auch Tannine melden sich, sie garantieren einen langen Abgang. Ein Wein, der mit 14,5 % Volumenalkohol abgeht wie eine Rakete, vollmundig, aber nicht aggressiv, wuchtig, aber gleichzeitig elegant, voller Finesse. Er ist nicht nur für die Pinot-Noir-Fraktion ein freudiges Ereignis. Bestimmt hat Vater Werner Geiger den Pinot Noir auch in die Edelreisvermehrung. Immerhin geistern derzeit mehr als 46 Pinot-Noir-Klone durch die Welt. Was das Food Pairing angeht, so braucht es für den Spätburgunder Barrique trocken 2012 keine Experimente: Geschmorter Ochsenschwanz oder Boeuf Bourguignon gehen immer. Aber als Solist hat er seinen größten Auftritt.
Wenn die Familie schon Zwillinge zu bieten hat, die sich beide dem Wein zuneigen, ein Teil sogar beruflich, so ist es nur angemessen, die beiden samt ihrer Weinleidenschaft durch eine Sondercuvée mit einem vielsagenden Etikett zu ehren. So ist 2013 der Zwilling Rotwein trocken entstanden – für den doppelten Genuss. Es ist eine sehr persönliche Cuvée, zu 70 % aus Spätburgunder und 30 % Acolon. 12 Monate lang war er im großen Holzfass. Der intensiv dunkelrote Wein befördert eine herrliche Aromatik in das Bukett und an den Gaumen. Schwarzkirschen und Brombeeren drängeln sich nach vorne, Schwarze Johannisbeeren und Heidelbeeren in der zweiten Reihe. Ganz hinten melden sich vereinzelte Wacholderbeeren und eine kleine Ecke dunkle Schokolade. Er hat eine passende Gerbstoffnote, dezentes Holz und seine Säure trägt ihn im Hintergrund mit. All das macht den Zwilling Rotwein trocken 2013 nachhaltig im Geschmack und im Abgang. Er ist gut strukturiert, saftig fruchtvoll und sehr harmonisch, wie die Geiger-Zwillinge und die Familie eben. Ein Wein wie ein Spiegel, in dem das Weingut Geiger zu sehen ist. Gönnen Sie sich und dem Wein einen netten Anlass, der gerne auch im Öffnen einer seiner Flaschen bestehen kann. Er würde sich aber auch eindrucksvoll zu einem klassischen Rehrücken machen.
Auf der Fachverkostung GENERATION RIESLING in Berlin im April 2016 trafen wir Eva und Tobias Geiger. Im Hörerlebnis erzählt Eva aus der Geschichte des Weinguts. Tobias berichtet von seiner Ausbildung, seinen Weinen und seinen Ideen für die Zukunft.
alle Fotos: © Erich und Johannes Hirsch
HÖRERLEBNIS mit Eva Geiger
HÖRERLEBNIS mit Tobias Geiger