Fahrten per Schiff kann man überall auf der Welt erleben, Fahrten auf Schienen auch. Aber Schiffe, die auf Schienen fahren, gibt es nur in Polen. Der Kanał Ostródzko-Elbląski (Oberlandkanal) gilt als technisches Meister- werk – und das schon seit 150 Jahren. Im Jahre 1860 wurde er eröffnet. Zum Jubiläum plant Ostróda (Osterode) am 28. August ein großes Fest am Kanal.
Schon morgens früh um acht startet der weiße Ausflugsdampfer im Hafen der westmasurischen Kleinstadt Ostróda (Osterode). Elf Stunden dauert die Fahrt in den rund 80 km entfernten Hafen von Elblang (Elbing) am Frischen Haff. Mit einer Geschwindigkeit von etwa acht Kilometern pro Stunde bewegt sich das Schiff durch den schmalen, teilweise von dichtem Schilf gesäumten Kanal und über kleine Rinnenseen. Die Passagiere auf dem Oberdeck genießen die Natur und die Stille, die nur gelegentlich durch das Geschnatter einer Ente durchbrochen wird.
Rund sechs Stunden nach dem Start erwartet die Passagiere einen der Höhe- punkte der Reise. Bei Buczyniec (Buchwalde) fährt der Dampfer zum ersten Mal über Land. Gespannt verfolgen nicht nur die Passagiere an Bord sondern auch viele Schaulustige zu beiden Seiten des Kanals das Manöver. Das Schiff schiebt sich über eine unter Wasser befindliche Plattform, an den beiden Seitenwänden wird es vertaut, dann setzt sich wie von unsichtbarer Hand gesteuert ein Räderwerk in Bewegung.
Ein dickes Stahlseil zieht die achträdrige Plattform eine Anhöhe herauf und Stück für Stück gelangt das ganz Schiff aus dem Wasser. Ist der Gipfel erreicht, geht es Huckepack auf Schienen den steilen, mit Gras bewachsenen Abhang hinunter. Wer an Bord sein Bier noch nicht ausgetrunken hat, hält das Glas sicherheitshalber fest. Unten gleitet das Gefährt sanft ins Wasser bis sich das Schiff von der Plattform abhebt. Dann werden die Taue gelöst und der Dampfer setzt seine Fahrt selbstständig fort. Insgesamt fünf geneigte Ebenen gibt es. Sie gleichen auf einer Länge von zehn Kilometern einen Höhenunterschied von fast 100 Metern aus. Auf dem Niveau des Meeresspiegels angekommen, geht die Fahrt über den flachen und mit Seerosen bedeckten Jezioro Druźno (Drausensee) weiter nach Elblag.
Am Ufer in Buczyniec können die Schaulustigen verfolgen wie der ganze Mechanismus in Bewegung kommt. Über ein Rohr wird Wasser aus dem Kanal auf ein acht Meter großes Wasserrad geleitet, dessen breite Schaufeln je eine Tonne Wasser aufnehmen. Das Wasserrad bewegt ein Endlosseil, das die Plattformen in Fahrt bringt. Ausgedacht hat sich dieses Wunderwerk der Technik der Königsberger Ingenieur Georg Jacob Steenke. Schon 1825 entwarf der königlich preußische Baurat Steenke einen ersten Plan für den Oberlandkanal mit den geneigten Ebenen. Ziel war es, den Westen Masurens mit der Ostsee zu verbinden. Mit den Arbeiten wurde 1848 begonnen, 1860 wurde der Kanal offiziell eröffnet. Neben der 80 km langen Hauptstrecke zwischen Elbing und Osterode entstanden Abzweige nach Iława (Deutsch Eylau) und nach Stare Jabłonki (Altfinken). Dadurch erweiterte sich das gesamte System der Wasserstraßen auf rund 200 km Länge.
Gedacht war der Kanal, um Güter aus dem Landesinneren zur Ostsee zu transportieren. Die Schiffe luden Holz aus den masurischen Wäldern und land- wirtschaftliche Erzeugnisse. Bis 1912 diente der Oberlandkanal ausschließlich dem Gütertransport; nach dem Ersten Weltkrieg begann man ihn auch touristisch zu nutzten. Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde der Kanal 1948 wieder erneuert. Heute dient er nur noch dem Ausflugsverkehr. Die Schiffe der Gesellschaft Zegluga Ostródzko-Elblaska verkehren täglich vom 1. Mai bis 30. September zwischen Elblag und Ostróda und befördern in dieser Zeit rund 40.000 Gäste. Daneben sind auf der Wasserstraße auch zahlreiche Freizeitkapitäne mit ihren Yachten unterwegs.
Die Schifffahrsgesellschaft Zegluga Ostródzko-Elblaska bietet in den Sommermonaten täglich Fahrten zwischen Elblag und Ostróda in beide Richtungen an. Die Touren dauern von 8 bis 19 Uhr und kosten 90 Złoty, umgerechnet gut 20 Euro. Rückfahrtmöglichkeiten gibt es per Bus oder Bahn. Auch Fahrten auf Teilstrecken des Kanals sind möglich.