Das Carnuntum: Zweigelt-Erlebnisse aus Niederösterreich

An den vier Enden der Welt

Das Carnuntum: Zweigelt-Erlebnisse aus Niederösterreich

Rund 20 Autominuten braucht man vom Zentrum Wiens, dann beginnt schon bald hinter dem Flughafen Schwechat ein Weinanbaugebiet, das zweierlei Schätze zu bieten hat: Die einen stecken im Boden und stammen als gegenständliche Kulturgüter aus der Römerzeit, die anderen stehen als Rebstöcke auf dem Boden und dehnen sich in knapp 900 Hektar Weingärten aus: Das Carnuntum ist mit rund 190 Weinbaubetrieben ein eigenständiges Weinanbaugebiet in der Region Niederösterreich, dem größten Anbaugebiet des Landes. Niederösterreich verdankt seinen Namen dem Vorgängerterritorium Erzherzogtum Österreich unter der Enns und ist mit Oberösterreich (Österreich ob der Enns) das historische Kernland. Es gibt in Niederösterreich acht spezifische Weinbaugebiete, die sich in drei Klimaräume einteilen lassen: das pannonische Niederösterreich im Südosten, das Weinviertel im Norden und den Donauraum mit den Nebentälern im Westen Wiens. Zum weiten Donauraum gehört auch das Gebiet Carnuntum. Es liegt südlich der Donau und reicht bis an die Grenze zur Slowakei. Vom Braunsberg bei Hainburg aus kann man Bratislava sehen. Im Norden befinden sich das Weinviertel, im Süden die Bereiche des Neusiedlersees und im Westen die Thermenregion bzw. Wien.

Den Namen erhielt das Weinbaugebiet Carnuntum von der blühenden Hauptstadt der römischen Provinz Ostpannonien, die vom Jahr 6 bis etwa ins 3. Jh. n. Chr. in Höhe der heutigen Ortschaften Petronell bzw. Bad Deutsch-Altenburg lag, bis zu 60.000 Einwohner hatte und für sein großes Amphitheater berühmt war. Unter Kaiser Marc Aurel war Carnuntum zwischen 171 und 173 n. Chr. römische Kaiserresidenz, und Septimius Severus wurde im Jahr 193 n. Chr. in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen. Vor allem aber erblühte in der Region schon damals eine berühmte Weinkultur, denn Wein war eines der Haupthandelsgüter im gesamten Imperium Romanum. Um 400 wurde Carnuntum von den Germanen zerstört. Die imposanteste Erinnerung an das antike Carnuntum ist das Heidentor, Österreichs bekanntestes römisches Baudenkmal. Tatsächlich war es allerdings weder ein Tor, noch heidnisch, sondern wurde als Monument für Kaiser Constantius II in den Jahren 354 bis 361 n. Chr. errichtet.

Es dauerte einige Jahrhunderte bis das Carnuntum mit seiner Weinkultur wieder auffällig wurde. Auch wenn die Bezirkshauptstadt Bruck/Leitha im 19. Jahrhundert zu einer bedeutenden Wein-Stadt wurde, so betrieb man den Weinbau wie auch woanders traditionell nur als Teil einer Landwirtschaft und konzentrierte sich auf den Absatz von Fasswein mit einem weißen Anteil von über 80 % in den Sorten Müller-Thurgau, Neuburger, Österreich Weiß, Grüner Sylvaner und Muskateller. Lediglich rund um den Spitzerberg dominierten traditionell Blaufränkisch-Weine. In den 1950er- und 60er-Jahren ging der Weinabsatz in der Region im Angesicht des Eisernen Vorhangs dramatisch zurück. Immer mehr Betriebe reduzierten den Weinbau oder stellten ihn ganz ein. Besser ging es allenfalls den Weingärtnern, die sich für ihre Weine Absatzmöglichkeiten in Wien geschaffen hatten. Erst nach dem Glykolskandal Mitte der 80er, von dem das Carnuntum allerdings weniger betroffen war, fand sich eine kleine Gruppe von Winzern und Winzerinnen zusammen, die unter anderem im Verein zur Förderung des Weinbaugebiets Carnuntum mit kollegialem Schulterschluss selbstkritisch und mit Leidenschaft und Engagement Jahrgang für Jahrgang die besten Weine herauskosteten und ihre Spuren in die Weingärten und Keller rückverfolgten, um das Geheimnis der Spitzenweine für sich nutzbar zu machen.

Ein kleines, aber wichtiges Zwischenergebnis des Qualitätsstrebens und neuer Vermarktungsideen war 1987 die Einführung der ersten Gebietsmarke, des „Primus Carnuntum“. Bis dahin hatte es in ganz Österreich einen Zusammenschluss von mehreren Winzern zur gemeinsamen Vinifizierung eines Primeurweins in dieser Form noch nicht gegeben. Primus Carnuntum ist ein weißer Kabinettwein, mehrheitlich aus gebietstypischen Grüner Veltliner Trauben gekeltert, er kann aber auch mit anderen Rebsorten assembliert sein. Dabei ist "der Erste" zu sein, keine Frage des Lesetermins, sondern der physiologischen Reife. Seit 2002 stellt der Verein allen Winzern ein einheitliches Etikett zur Verfügung, das vom niederösterreichischen Künstler Gottfried Laf Wurm geschaffen wurde. 1992 folgte dann mit dem „Rubin Carnuntum“ eine weitere Gebietsmarke, den anfangs rund 25 Vereinsmitglieder herausbrachten. Für den Wein darf nur die gebietstypische rote Sorte Zweigelt verwendet werden, biologischer Säureabbau ist ebenso vorgeschrieben wie ein Mindestalkoholgehalt von 12,5 %. Zur Steigerung des Wiedererkennungswertes wird der Rubin Carnuntum in einheitlichen Flaschen abgefüllt, mit einem einheitlichen Rücketikett-Text und dem Heidentor auf der Kapsel versehen. Die Rubin-Weine können inzwischen stolz darauf sein, nicht nur als winzervereinende Marke aufgestellt zu sein, sondern auch eine identitätsprägende, verlässlichen Geschmacksrichtung zu bieten, ohne wie in Kalifornien Einheitsgeschmäcker zusammenzubauen. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, die unterschiedliche Herkunft innerhalb des Carnuntums und damit das individuelle Terroir auszudrücken.

Über die Jahre arbeiteten die Winzer und Winzerinnen im Verein zur Förderung des Weinbaugebiets Carnuntum die Zusammenhänge zwischen regionaler Herkunft, Terroir und Methodik immer besser heraus. Man erreichte auf diese Weise vor allem eine charaktervolle Interpretation des Zweigelt, über die nicht nur Österreich staunte. Zugleich machte die neue Winzergeneration die Erfahrung, dass die Fokussierung auf die Qualität der Weine der Schlüssel zum Erfolg ist. In etlichen Betrieben wurden die landwirtschaftlichen Aktivitäten auf die Großvater- und Vatergeneration übertragen oder ganz eingestellt und allein die Weinerzeugung als Weingut fortgeführt. Schließlich schaffte es diese neue Winzergeneration, die bis heute innovativ und bemerkenswert solidarisch arbeitet und von Anfang an Vorzeigeweine mit regionalen und international anerkannten Eigenschaften anstrebte, in den 1990er-Jahren, das Potenzial der Böden und des Klimas so ins Glas zu bringen, dass damit Spitzenplätze im österreichischen Qualitätsweinranking belegt wurden. Einen weiteren Erfolg konnten sich die immer zahlreicher werdenden Qualitätsweingüter dann 1993 zuschreiben: Das Carnuntum wurde als eigenständiges Weinbaugebiet vom Gebiet Donauland abgetrennt, das seinerseits 2007 zum Anbaugebiet Wagram wurde.

Seit jenen 90er-Jahren hat sich das Carnuntum zunehmend als eigenständiges Herkunftsgebiet für große Weinqualitäten, vor allem im Rotweinbereich, international wahrnehmbar gemacht. 2003 wurde in Österreich das DAC-Konzept „Districtus Austriae Controllatus“ oder „kontrollierte österreichische Herkunftsbezeichnung“ aus der Taufe gehoben – mit dem Jahrgang 2019 erlangte auch das Gebiet Carnuntum den DAC-Status. Damit dürfen unter den Voraussetzungen des DAC-Disziplinars gebietstypische Weiß- und Rotweine als Carnuntum DAC in den drei Stufen Gebiets-, Orts- und Riedenweine vermarktet werden. Die Ortsweine kommen nach der DAC-Verordnung aus den geologisch und kleinklimatisch individuell geprägten Appellationen der sechs Orte Stixneusiedl, Göttlesbrunn, Höflein, Petronell, Hainburg und Prellenkirchen. Die DAC-Regeln betreffen die zugelassenen Rebsorten, die Stilistik der Weine, das Geschmacksprofil, den Ausbau, Alkohol- und Restzuckergehalt oder die Botrytisnote. Was die Rebsorten betrifft, so werden auf allen Qualitätsebenen reinsortige Weine der Sorten Zweigelt, Blaufränkisch, Grüner Veltliner, Chardonnay oder Weißburgunder verlangt bzw. Cuvèes, in denen diese Sorten zu mindestens zwei Dritteln dominant sind. Weine, die nicht den definierten Regeln entsprechen, können mit der Bezeichnung „Niederösterreich“ vermarktet werden. Das machen einige Weingüter allein deshalb, um jenseits der DAC-Regeln ganz individuelle bis eigenwillige und spannende neue Weinerlebnisse zu präsentieren.

Geografisch begegnen sich im Carnuntum die Ausläufer der Alpen und der Karpaten. Ein markantes Überbleibsel der Hochgebirge ist der 302 Meter hohe Spitzerberg im Osten des Carnuntums. Ansonsten dehnen sich die oftmals in kleine, verstreute Parzellen aufgeteilten Rebgärten über drei Hügellandschaften aus: das Leithagebirge, das Arbesthaler Hügelland und die Hundsheimer Berge. Dazwischen erstrecken sich teilweise flache Landschaften, die an die Weiten der ungarischen Ebenen erinnern. Hier prägen endlose Felder das Bild einer sanften Hügellandschaft, ab und an unterbrochen von Windschutzhecken, kleinen Wäldchen und in den letzten Jahren immer öfter auch von Windrädern.

Was die Böden angeht, so sind sie in den drei großen Regionen durchaus vielfältig, überall findet man jedoch mehr oder weniger Donauschotter, der den sensorischen Aufritt vieler Weine aus dem Carnuntum begleitet. Schließlich hat die Donau sich über einige Millionen von Jahren immer wieder neue Wege gesucht und reichlich Gestein hinterlassen, und zwar sowohl im tiefen Ausgangsgestein als auch im Unter- und Oberboden.

Im Leithagebirge, von dem ein Teil zum Burgenland gehört, stehen im Westen des Carnuntums die Rebstöcke auf Lehm und Schotter mit hohem Kalkgehalt, oft geologisch nicht ganz korrekt Muschelkalk genannt. Die bewaldeten Hügel schützen die Weingärten weniger als üblich vor kalten Winden, sondern vor der schwülwarmen Luft des Neusiedler Sees, so dass die Trauben nicht so botrytisanfällig sind und die Weine frischer und fruchtiger werden.

Im Arbesthaler Hügelland mit den Weinstädchen Göttlesbrunn, Stixneusiedl und Höflein sind die Böden in den tieferen Lagen lehmig, während in den höher gelegenen Weingärten oft reichlich schottriges Gestein rumliegt. Bei Göttlesbrunn dominieren lehmiger Schluff, Sand und Kies. An manchen Hangflanken gibt es auch Lössböden. Die findet man ebenfalls bei Stixneusiedl an den Abhängen des südlichen Randes des Arbesthaler Hügellandes. Höflein liegt nördlich von Göttlesbrunn durch ein kleines Plateau getrennt, von dem aus die berühmte, den Ort überblickende Kellergasse abzweigt. Die Böden sind geprägt vom quarzreichen Terrassenschotter des einstigen Talbodens der Donau. Dazu kommt – je nach Hanghöhe – eine unten mehr und oben weniger dicke Lösslehmauflage. Ausgerechnet im Arbesthaler Hügelland, wo man sich der über 2.000 Sonnenstunden im Jahr rühmt, sind die Weingärten vielfach nach Süden ausgerichtet, was in Zeiten des Klimawandels nicht mehr als Vorteil angesehen werden kann. Klimatisch wird die Region aus dem südöstlichen Becken des Neusiedlersees mit warmen Luftströmungen versorgt, während die Donau im Norden und der Maria Ellender Wald durch die Verdunstungskälte von Fluss und Bäumen für Wärmeausgleich und das erwünschte Wechselspiel der Temperaturamplituden sorgt. Die „Brucker Pforte“ zwischen Spitzerberg und Leithagebirge ist etwa 20 Kilometer weit und markiert den Übergang vom Wiener Becken ins riesige Pannonische Becken mit seinem ganz eigenen Klima. Sie bewahrt das Gebiet außerdem von den oft aus Westen kommenden schweren Niederschlägen.

Die Region der Hundsheimer Berge, an deren Fuß die Stadt Hainburg liegt, befindet sich im äußersten Osten, ganz nahe der Grenze zur Slowakei. Hier ragen der 480 Meter hohe Hundsheimer Berg und der häufig von starken Winden umwehte Spitzerberg bei Prellenkirchen aus der pannonischen Tiefebene weit sichtbar empor. Dieses Massiv gehört geologisch bereits zu den Kleinen Karpaten, von denen es durch den Donaudurchbruch getrennt ist. Der Boden besteht aus Glimmerschiefer und Granitgneis, teilweise auf Kalk aufgebaut. Nach Petronell hin findet man häufig feinkörnige Lössböden. Zwar sind die Rebstöcke meistens nach Süden und Südwesten ausgerichtet, doch die karge Bodenstruktur und der wenige Niederschlag verkürzen die Vegetationsperiode deutlich. Daher bauen viele Weingüter hier eher frühreife Rebsorten an.

Im gesamten Gebiet des Carnuntums mit seinen 39 Rieden und etlichen Subrieden liegen mit rund 55 % die roten Sorten knapp vor den rund 45 % der weißen. Bei den Roten dominiert mit 26 % die auf etwa 235 Hektar stehende Zweigelt-Rebe, gefolgt vom Blaufränkisch mit 9 %. Grüner Veltliner ist mit etwa 180 Hektar Fläche und 21 % Volumen der bedeutendste Weißwein, gefolgt von Chardonnay und Weißburgunder mit jeweils knapp 7 %. Aber auch Merlot, Pinot Noir, Cabernet Sauvignon oder Sauvignon Blanc gehören längst zum Portfolio der Weingüter. Ähnlich wie in den generell klimatisch begünstigten Landschaften südlich des Alpenhauptkamms starten die Reben im Carnuntum frühzeitig mit dem Wachstum, blühen in den ersten heißen Tagen im Mai, tanken mit dem Regen im Frühsommer reichlich auf und haben im Spätsommer und Herbst jede Gelegenheit, zur Vollreife zu gelangen. Darüber freuen sich besonders die spätreifenden roten Sorten wie Blaufränkisch, Pinot Noir oder Cabernet Sauvignon.

Das Carnuntum ist natürlich auch ein mit dem Wein eng verbundenes touristisches Reiseziel nach dem Motto: hin zu Wein und Genuss. Fernwanderwege wie die Römische Bernsteinstraße oder der Jakobsweg queren das Gebiet, auf zahlreichen Rundwanderwegen lässt sich die Aussicht über eine sanft hügelige Weinlandschaft genießen, mancherorts sogar bis hin zum Neusiedler See. Besonders erlebnisreich ist eine Wanderung durch den Nationalpark Donau-Auen, wo Biber Bäume fällen, Sumpfschildkröten in der Sonne den Hals ausstrecken oder das blaue Gefieder eines Eisvogels aufblitzt. Attraktive Wege wie der Donauradweg oder die Hundsheimer-Berge-Tour lassen sich nicht nur mit dem eigenen Fahrrad erkunden. Ein ausgeklügeltes Fahrradverleihsystem ermöglicht es, ein Leihrad an jeder beliebigen Stelle auszuleihen oder zurückzugeben.

Für abwechslungsreichen Gaumenschmaus sorgen im Carnuntum Bauernmärkte oder Hofläden, wo regional erzeugte Köstlichkeiten zu erstehen sind. Kehrt man bei einem der etwa 70 Heurigen ein, sorgen feine Jausen und die Gastfreundschaft der Winzerinnen und Winzer für Genuss und Gemütlichkeit. Auf den Speisekarten der Gasthäuser finden sich saisonale Spezialitäten, in niveauvollen Restaurants erhält auch ein verwöhnter Gaumen einen besonderen Kick – die passende Weinbegleitung gibt es sowieso überall. Suchen Sie sich Ihr ganz persönliches Weingut aus und lassen Sie sich bei einem Kellerbesuch die Geschichten erzählen, die hinter den Weinen stehen: Von den Hügeln und Tälern, von historischen Abenteuern und den Winzerinnen und Winzern, die ihre ganze Leidenschaft für ihre Region in jeder Flasche erlebbar machen.

Wir stellen aus dem Carnuntum die rote Leitrebsorte Blauer Zweigelt in den Weinen von drei Weingütern vor.

Der Zweigelt
Gezüchtet wurde die Rebsorte 1921 von Fritz Zweigelt aus einer Kreuzung der heimischen Sorten Blaufränkisch und St. Laurent. Fritz Zweigelt trat 1933 der österreichischen NSDAP bei und orientierte sich später politisch an Nazideutschland. Er wurde deshalb nach dem Krieg als Direktor der Höheren Staatslehr- und Staatsversuchsanstalt für Wein-, Obst und Gartenbau in Klosterneuburg abgesetzt. Mit Spannung werden seit mehreren Jahren Bestrebungen beobachtet, die Rebsorte im Hinblick auf die NS-Vergangenheit des Rebzüchters in Blauer Montag oder Rotburger – wie er in Anlehnung an seinen Entstehungsort vor der Benennung nach Zweigelt hieß – umzubenennen. Die Rebsorte geriet erstaunlicher Weise lange in Vergessenheit bis in den 50er-Jahren Lenz Moser ihre Vorzüge in mehreren Fachpublikationen anpries. Schnell wurde sie gemeinsam mit der von Moser entwickelten Hochkultur zur neuen Lieblingssorte der österreichischen Weinwirtschaft, die zu dieser Zeit nach einem wirtschaftlichen Aufschwung durch sichere Erträge und populäre Weine suchte.

Wohl kaum etwas hat sich in der Weinszene Österreichs dann mehr gewandelt als der Zweigelt. Anfangs als langweiliger, austauschbarer, süffiger Gaumenschmeichler auf Massenbasis abgetan, wurde er vorübergehend als aufgepowerter Charmbolzen ausgebaut, bis man das Potenzial seiner Struktur und seiner stilistischen Differenzierbarkeit erkannte. In Konkurrenz zum Blaufränkischen, mit dem sich subtil das Terroir ausdrücken lässt, liegt die Stärke des Zweigelts in seiner vertrauensseligen Beeinflussbarkeit im Keller. Hier lässt er sich gerne auf die Richtung cooler, moderner Würze mit oder ohne Holz trimmen oder etwas traditioneller auf elegante Kirsch-Frische einstellen, die im Carnuntum auch eine Waldbeeren-Frische sein kann. Beide Ausbau-Richtungen münden in einem leicht erklärbaren und freudig trinkbaren Wein ohne skurrile Eskapaden.

Das beliebte und klassische Sortenpairing Zweigelt und Blaufränkisch tendiert schon rein wissenschaftlich zu Harmonie, ist doch Zweigelt die Kreuzung aus der hier verwendeten Cuvée-Sorte Blaufränkisch plus St. Laurent. Oftmals nehmen die Weingüter noch Merlot oder Blauburger oder gar Cabernet Sauvignon in ihre Cuvées, wohl, weil sie dem Blaufränkisch allein nicht zutrauten, den oftmals temperamentschwachen Gleichmut des Zweigelt aus der Reserve zu locken. Das hat sich geändert, seit Winzer wie Gerhard und Meinrad Markowitsch oder Claus Dietrich dem Zweigelt eine ganz neue Weinstruktur und ein charaktervolles Geschmackserlebnis entlockt haben.

Ob Zweigelt reinsortig oder im Cuvée – in jedem Fall setzen Spitzenqualitäten eine gute Lage voraus. Dann aber heißt es: unkomplizierter Rotweingenuss auf hohem Niveau – sogar für heiße Sommertage.

Das Weingut Gerhard Markowitsch
Kaum jemand hat in so kurzer Zeit den Sprung so kometenhaft in die österreichische Weinelite geschafft wie Gerhard Markowisch. Schon 1999 wurde er vom Falstaff-Magazin zum »Winzer des Jahres« gekrönt und wird seitdem in zuverlässiger Regelmäßigkeit mit Auszeichnungen überhäuft. Nicht selten sind seine Weine gefürchteter und dann mit Ovationen geehrte Sieger von internationalen Blindverkostungen. Obwohl seit langem als einer der absoluten Spitzenwinzer des Carnuntums eingestuft, ist Gerhard auf dem Teppich, sprich Boden der Weingärten, geblieben: authentisch, wahrhaftig und respektvoll gegenüber Kolleginnen und Kollegen.

Das Weingut Gerhard Markowitsch liegt in der Pfarrgasse inmitten der Gemeinde Göttlesbrunn, unweit der Ostautobahn A 4, Ausfahrt 32 Bruck/Leitha West. Hier befindet man sich nahezu im Zentrum des Carnuntums. Die Donau fließt rund 9 km nördlich, das Burgenland ist nur etwa 12 km entfernt, der Neusiedler See knapp 224 km. Der Gutsbetrieb der Familie Markowitsch war einst eine klassische gemischte Landwirtschaft mit Getreide, Zuckerrüben und ein paar Rebzeilen. Als Gerhard mit seiner Leidenschaft für den Weinbau 1990 den Betrieb übernahm, machte er daraus schon bald ein reines Weingut. Dabei konzentrierte er gemeinsam mit etlichen befreundeten Winzern alles auf die Herstellung hochwertigster Weine. Schon bald galt er als einer der Begründer des „Rotwein-Wunders“ im Carnuntum. Gerhard Markowitsch wird heute von seiner Frau Christine und seinen Töchtern Johanna und Helene unterstützt. 2001 ließ er eines der modernsten Kellereigebäude Österreichs mit mehr als 2000 Quadratmetern Arbeitsfläche auf drei Stockwerken errichten. Hier werden jeder Traube die perfekten Bedingungen geboten, damit sie vertrauensvoll hergibt, was sie aufgrund der liebevollen Pflege im Weingarten mitbringt.

Das Weingut bewirtschaftet rund 43 Hektar Rebfläche rund um Göttlesbrunn und kauft zusätzlich noch Traubengut von weiteren 40 bis 60 Hektar Rebfläche von Winzerinnen und Winzern aus der Region zu, die nach streng kontrollierten Richtlinien produzieren. Gerhards eigene Weingärten befinden sich in den Rieden Aubühl, Kirchweingarten, Rosenberg und Schüttenberg sowie Scheibner bei Höflein. Sie sind zu 70 % mit den Rotweinsorten Zweigelt, Blaufränkisch, Merlot, Pinot Noir und Cabernet Sauvignon sowie zu 30 % mit den Weißweinsorten Chardonnay, Weißburgunder, Grüner Veltliner und Sauvignon Blanc bestockt. Das Weingut ist Mitglied in den Winzervereinigungen Rubin Carnuntum, Tu Felix Austria und Traditionsweingüter Österreich.

Unermüdlich tritt Gerhard Markowitsch dafür ein, die Rieden stärker herauszustellen und die Herkunft möglichst vieler Weine eng und puristisch mit der Einzellage zu verbinden. Er möchte nicht nur irgendwelche guten Weine abfüllen, sondern selbstbewussten Weinpersönlichkeiten einen unvergesslichen Auftritt ermöglichen. Zwar zählen sein Zweigelt Rubin Carnuntum oder die roten Cuvées „Rosenberg“ und „Redmont“ zu Markowitschs bekanntesten und erfolgreichsten Weinen, seine Vorliebe gehört jedoch dem kapriziösen Pinot Noir. Gerhard Markowitsch ist nach wie vor ein Vorbild und eine Triebfeder für das gesamte Carnuntum – als hochangesehener Handwerker, als Genussmensch, der jeden Tag beim Gang durch die Natur Ruhe und Besonnenheit tankt, als ambitionierter, neugieriger Innovationsgeist und als Taktgeber für die charakterstarken Weinstile des Carnuntums. Er hat enormen Verdienst daran, dass die Region heute weit über Österreich hinaus bekannt und für Spitzenweine in Form komplexer Gesamtkunstwerke berühmt ist.

Wir konnten vom Weingut Gerhard Markowitsch drei Weine rund um die Zweigelt-Rebe verkosten.

2020 Cuvée Carnuntum DAC trocken
Das ist ein wunderbarer Einstiegswein in die Rotweinwelt von Gerhard Markowitsch: eine Cuvée aus 80 % Zweigelt, 10 % Blaufränkisch und 10 % Merlot. Die Trauben kommen aus zehn verschiedenen Parzellen von schottrigen und sandigen Lehmböden, geerntet wurde per Hand. Die spontane Maischegärung mit einem kleinen gefluteten, aber nicht extrahierten Stilanteil ging über 10 bis 12 Tage bei relativ hohen Temperaturen von 28 bis 30° C, gefolgt von der malolaktischen Gärung. Der Wein reifte im großen Holz und einige Partien in gebrauchten Barriques.

Er sendet aus dem Glas dezente Düfte von dunklen Beeren und Schwarzkirschen in einem interessanten pikanten Rahmen mit einem kleinen Süßholztouch. Geschmacklich kommen zu den Bukettaromen noch Cranberrys und eine deutliche Würze mit einer kleinen Orangennote und einem Hauch Röstaromen hinzu. Im Abgang vereinen sich die aktive Säure und die feinkörnigen Tannine mit einer dezenten, modern salzigen Mineralität zu einem animierenden, leicht herben Frischeeindruck. Eine unkomplizierte saftig-kernige Begrüßung im Rotweinsortiment.

2020 Rubin Carnuntum Zweigelt DAC trocken
Dieser Rubin Carnuntum ist ein reinsortiger Zweigelt aus Trauben von den Rieden rund um Göttlesbrunn und Höflein. Hier beherrschen schottriger Lehm, dort sanfte Lösshänge das Terrain. Die Trauben wurden auf der Maische spontan im Edelstahl bei 30 bis 32° C vergoren mit anschließender malolaktischer Gärung und Reifung im großen Holzfass und in vorbelegten Barriques aus französischer Eiche.

Schon im Duft imponiert der Wein mit der sortentypischen Kirscharomatik und einem Hauch von Kräutern, aber auch von Schokolade. Im Mund spielen die Schwarzkirschen mit jungen Zwetschgen und lassen immer wieder überraschende Nuancen von Wacholderbeeren, Zimt und Mokka durch. Die präsenten Tannine unterstützen den Extrakt und die Fruchttiefe, die Säure ist harmonisch eingebunden und begleitet ebenso wie die mineralischen Anklänge und eine Anmutung von Vanille ein langes Finish.

2018 Redmont Carnuntum DAC trocken
Der Name „Redmont“ steht für die nach Süden gewandten Hänge rund um Göttlesbrunn mit den typischen rötlichen Schotterauflagen. Es ist eine Cuvée aus 55 % Zweigelt, 20 % Blaufränkisch und 25 % Merlot aus dem europaweit heißen Jahr 2018. Die Trauben wurden auf der Maische spontan vergoren. Nach dem biologischen Säureabbau reifte der Wein über 18 Monate in Barriques aus französischer Eiche.

In der Nase drängeln sich schwarze und rote Beeren und reife Zwetschgen in einer deutlich mineralischen Umgebung vor dezent auftretenden Noten von Würze, Schokolade und einigen Veilchen. Am Gaumen geht es sehr elegant, kraftbetont und energisch zu: Schwarzkirschen verbünden sich mit Gewürznelken, reife Pflaumen mit Holunderbeeren. Das Finale begleitet eine feine Süßlichkeit aus dem Fruchtspektrum, von den strammen Tanninen und vom vanilligen Holz.

Das Weingut Dietrich
Claus Dietrich führt als einer der wenigen Winzer im Carnuntum vor, dass die traditionelle Verbindung von Landwirtschaft und Weinbau weder der Vergangenheit angehören muss noch den Erfolg verhindert. Dabei machen sich seine 7,5 Hektar Rebfläche gegenüber 75 Hektar Landwirtschaft zahlenmäßig verschwindend gering aus. Doch in diese gut sieben Hektar investiert Claus Dietrich Herzblut und Leidenschaft. Dabei kann er sich noch gut daran erinnern, wie sein Vater bis vor 25 Jahren sogar noch Viehzucht mit Hofschlachtung betrieb. Nach dem Studium der Lebensmitteltechnologie machte Claus einen zweiten Abschluss in Weinmanagement und fing bei seinem mehrmonatigen Praktikum im Hunter Valley in Australien so richtig Feuer, was den Weinbau anging. Obwohl er im Jahr 2000 sich im elterlichen Betrieb gleich dem Weinmachen zuwandte und von seinem Vater tolerant unterstützt wurde, arbeitete er nebenbei noch in einer Vinothek in Wien und im Weingut Netzl in Göttlesbrunn. Erst 2005 übernahm er den Weinbau im familiären Mischbetrieb, den er jetzt in fünfter Generation führt.

Von nun an wurden auch reinsortige Weine und Riedenweine abgefüllt. Er gab die drei Erdkeller in der Kellergasse auf und ließ ein neues Keltergebäude am Familienhof bauen und mit modernster Technik ausstatten. Er erweiterte die Rebfläche mit begehrten Rieden am Spitzerberg und Pfaffenberg und musste feststellen, dass ein Abstand von nur 15 Kilometern zwischen den Rieden enorme Auswirkungen auf den Charakter der Weine hat. Claus Dietrich konzentriert sich inzwischen ganz wesentlich auf das Weinmachen und möchte das Familienweingut gerne noch um weitere Parzellen vergrößern. Er weiß, dass der Grundstein für hochwertige Weine im Weingarten gelegt wird und achtet darauf, dass der Einsatz moderner Technik im Keller den Wein nicht hindert, seine Persönlichkeit zu entfalten. Claus führt vor, dass sich opulente Fruchtigkeit und filigrane Eleganz nicht ausschließen. Seine Rotweine kommen ausschließlich ins Holzfass. Er steuert langlebige Weine an, die unverschnörkelt ihre Herkunft präsentieren. Der Betrieb zählt zu den sogenannten Rubinweingütern, darf also auch die Gebietsweinmarken Primus und Rubin Carnuntum produzieren. Mit seinem Weißweincuvée JOSEPH H. aus den Sorten Grüner Veltliner, Weißburgunder und Welschriesling erinnert er an Joseph Haydn, der vor 290 Jahren im 5 km südlich von Petronell liegenden Rohrau geboren wurde.

Die Weingärten von Claus Dietrich liegen in Petronell im Burgweingarten, am Spitzerberg, am Hainburger Braunsberg und in Bad Deutsch Altenburg in der Riede Pfaffenberg. Sie sind mit Grünem Veltliner, Weißburgunder, Welschriesling, Sauvignon Blanc, Blaufränkisch, Zweigelt, Blauburger, St. Laurent und Merlot bestockt. Gepflegt werden sie nicht nur von der Familie, sondern seit 2021 zum Teil auch von Bretonischen Zwergschafen, die nach der Île d’Ouessant auch Ouessantschafe genannt werden. Diese kleinste Schafrasse Europas passt gut zwischen die Rebzeilen und putzt dort zur Freude von Sohn Lorenz Gras und Unkräuter weg, beseitigt tiefliegende Austriebe am Rebstock und düngt den Boden. Der besteht aus Schotterterrassen und Löss mit Lehmauflage, in einigen Parzellen überwiegen Sand, Schluff und Tonmergel und auch stark karbonhaltiges Dolomitgestein.

Wir konnten vom Weingut Dietrich sechs Weine rund um die Zweigelt-Rebe verkosten.

2020 Zweigelt Carnuntum DAC trocken
2021 Zweigelt Carnuntum DAC trocken
Zweigelt stellt bekanntlich keine großartigen Ansprüche an die Böden, so dass Claus Dietrich selbst Rebstöcke auf dem kargen Untergrund am Spitzerberg und erst recht in Petronell zu Höchstleistungen veranlassen kann. Die Trauben wurden über 10 bis 12 Tage im Stahltank vergoren und reiften in gebrauchten 700-Liter-Holzfässern für etwa 10 Monate.

Im Glas zeigt der Zweigelt Carnuntum DAC des Jahrgangs 2020 sich im typischen Rubingranat mit silbrig-lila Aufhellungen. Auch im Bukett erfüllt er alle Erwartungen an animierende Kirscharomen mit einer Spur Blutorangen und einem winzigen Hauch von Kräutern und Gewürzen. Schon der erste Schluck füllt den Mund großzügig und energisch mit all diesen Aromen in einem frischen Format, hinzu kommen ganz zurückhaltend einige feine eingebundene Holztöne. Der Wein ist harmonisch, süffig und hinterlässt einen ordentlichen Eindruck in den Punkten Konzentration, Mineralik, Tannine und integrierte Säure. Das verschafft ihm einen schönen, langen, weichen, kirsch-aromatischen Abgang mit viel Eleganz.

Claus Dietrichs Zweigelt Reben stehen auf sehr unterschiedlichen Böden in seinen auseinander liegenden Rieden, so dass er die Möglichkeit hat, seinen Zweigelt aus Partien unterschiedlicher Lagen zu assemblieren. Das kann er auch von Jahrgang zu Jahrgang variieren, so dass schon von daher sein reinsortiger Carnuntum DAC über die Jahrgänge unterschiedliche Charaktere vorzeigen kann.

Der Zweigelt Carnuntum DAC des Jahrgangs 2021 erscheint gegenüber dem Jahrgang 2020 noch gradliniger und ausgereifter strukturiert. Er baut mit Kraft und Saft eine gute Spannung am Gaumen auf, die vor allem sehr reife Zweigelt-Trauben liefern. Er startet mit einem Kick mehr Säure, die seinen eleganten Gesamteindruck noch veredelt. Das ist der ordentliche Tropfen zu einem solide aufbereiteten Rinderschmorbraten oder der wilde Tropfen zu einem gebratenen Karpfenfilet.

2020 Rubin Carnuntum DAC trocken
2021 Rubin Carnuntum DAC trocken
Jetzt haben wir mit dem Jahrgang 2020 einen Wein in Dunkelpurpur im Glas, der sich in der Nase mit süßlich-mineralischer Kirschfrucht und Noten von Waldbeeren bemerkbar macht. Im Mund genießen wir die fruchtbetonte Kirschstilistik, die mit Brombeeren und Holunder abgerundet und von Röstaromen getoppt ist. Die Würze und eine gewisse Mineralität sind feinsinnig kombiniert mit angemessenen Tanninen. Saftig, fruchtig, strukturiert, ein langes fruchtschmelziges, tanningestütztes Finish mit einem Hauch Marzipan und Mokka bleibt am Gaumen noch lange präsent.

Im Jahrgang 2021 verbinden sich die noch reiferen Tannine und ein Plus an Säure harmonisch mit dem Fruchtspektrum zu noch mehr Energie und Vollmundigkeit. Die Zwetschgen erscheinen noch reifer, die Herzkirschen noch beherzter, die kleinen, aber feinen Schokonuancen entwickeln einen Touch von Nougat. Dieser Wein dürfte noch einige Jahre eine gute Figur im Keller und in Nase und Mund machen.

2021 Marlene Zweigelt/Merlot Landwein trocken
Landwein ist in Österreich die unterste Stufe der Weine mit geschützter Herkunftsbezeichnung. Er unterliegt einer Höchstmengenbegrenzung und einer Regelung zum Zuckergehalt des Mosts.

In der Nase vereinen sich die Kirschnoten vom Zweigelt mit den Pflaumen- und Himbeernoten vom Merlot. Aromatisch ist das ein abwechslungsreicher, vielseitiger Sturm- und Drang-Wein, der immer wieder neue Aromaspitzen hervorzaubert: ein ganzer Beerenkorb, dazu einige Kirschen, etwas Krokant und etwas Nussnougat, aber auch etwas Vanille und ein Hauch von Bittermandel und Holz. Über die Zunge gleitet dann ein samtiger, würziger und fruchtstarker Wein. Rote und Schwarze Johannisbeeren, Heidelbeeren, Kirschen, Marzipan, Nougat, reife Feigen und gut kaschierte Holzaromen – alles wird begleitet von einer feinen Süßlichkeit, die den Wein süffig und saftig macht. Im Finish wirken gut integrierte Tannine und eine lebendige Säure mit.

2019 Santa von der Morgenpirsch Zweigelt/Blaufränkisch trocken
Zumindest an der Bezeichnung dieses Weins dürfte Johann Hirsch aus Witzelsdorf mit seiner Rauhhaar-Hundezucht seinen Anteil haben.

Im Bukett gibt es keine drängelnden Sauerkirschen, die alles ersticken, vielmehr werden die Fruchtaromen fein nuanciert geboten: natürlich Kirschen, aber eben auch Heidelbeeren, reife Zwetschgen und kandierte rote Beeren. Im Mund haben wir einen temperamentvollen, gut strukturierten Roten zum unkomplizierten Trinken auf höchstem Niveau. Vom Zweigelt bringt der Wein die fruchtbetonte Sanftheit mit, während der Blaufränkisch eher das Terroir ausdrückt. Claus Dietrich ist es gelungen, der Cuvée zu einem harmonischen Körper mit gedeckelten Tanninen zu verhelfen und gleichzeitig mit einer trinkfreudigen Frische zu imponieren.

Weingut Meinrad Markowitsch
Das Weingut Meinrad Markowitsch liegt mitten im Zentrum von Göttlesbrunn. Als Meinrad von seinem Vater, Meinrad sen., die komplette Kellerarbeit übernahm, war er gerade erst 17 Jahre alt und besuchte noch die Weinbauschule in Krems an der Donau. Der Weinbau war damals Teil des traditionellen Mischbetriebs mit Acker- und Weinbau, den seine Familie seit mehreren Generationen führte. Erst 2006 stellte Meinrad mit voller Unterstützung seiner Familie den Betrieb komplett auf Weinbau um. Meinrad ist übrigens weder verwandt oder verschwägert mit Gerhard Markowitsch.

Heute bewirtschaftet das Weingut 13 Hektar Rebfläche rund um Göttelsbrunn mit den Rieden Kräften, Altenberg und Haidacker, die zu 60 % mit roten und 40 % mit weißen Reben bestockt sind. Bei den roten sind es Zweigelt, Merlot und Blaufränkisch, bei den weißen Chardonnay, Grüner Veltliner und Riesling. Meinrad hat keine Weinkarte, die beim Lesen schwindlig macht, er beschränkt sich auf wenige, unverwechselbare Weine, mit denen er die Typizität der Sorte und die Eigenschaften des Terroirs zum Ausdruck bringen will. Er präsentiert Rieslinge mit handwerklich und sensorisch perfekter Kräuter-Frucht-Balance, einen im Tonneau ausgebauten erstklassigen Grünen Veltliner aus der von Schotter, Lehm und Löss durchzogen Ried Haidacker und seinen Spitzenwein Purple X-TREME, eine Cuvée aus 50 % Merlot, 30 % Blaufränkisch und 20 % Zweigelt. Purple hat für Meinrad noch in anderer Hinsicht eine große Bedeutung, hat er die Farbe Lila doch gleichsam als Betriebsfarbe erwählt, die seinem gesamten Auftritt wie auch seinen Etiketten einen beschwingten, jugendlichen Rahmen verpasst.

2020 Zweigelt Classic Carnuntum DAC
Die Trauben für den Carnuntum DAC-Klassiker kommen aus den Göttlesbrunner Rieden Kräften, Altenberg und Haidacker, deren Bodenstrukturen von sandigem Lehm und Löss über quarzreichen Kies, Sand und kalkig-schluffigen Löss bis zu kalkhaltiger Braunerde mit Donauschotter reichen. Die Trauben lagen nach der Handlese mit gnadenloser Selektion im Keller für 20 Tage bei 27 bis 30° C auf der Maische mit anschließender malolaktischer Gärung. Der Wein ist fast komplett im Edelstahl ausgebaut.

Dieser Classic Zweigelt geht schon im Einstiegsbereich über banale Zweigelt-Erwartungen hinaus. Seine Aromen von reifen Weichselkirschen, Brombeeren und roten Beeren sind unverkennbar sortentypisch. Interessanter Weise erfreut die Nase aber auch eine Spur von Kräutern und Orangen. Über die Zunge fließt der Wein frisch und saftig, im Mund erscheinen zärtliche Nuancen von Würze, eine reife, mürbe Tanninstruktur und eine tänzelnde Säure, die sich im Abgang mit einem dezent süßlichen Schmelz verabschieden. Ein eher puristischer und doch charmanter Zweigelt, elegant, vollmundig und frisch.

2020 Rubin Carnuntum Zweigelt Carnuntum DAC
Die Trauben kommen von 15 bis 25 Jahre alten Reben überwiegend aus der Ried Haidacker. Sie ist eine „ÖTW Erste Lage“ nach der Einstufung des Verbands Österreichische Traditionsweingüter und gehört damit zu den besten Rieden im Carnuntum. Der Ausbau des Weins erfolgte über 10 Monate in Barriques, von denen rund zwei Drittel mehrfach vorbelegt waren.

Auch wenn dieser Zweigelt sich im festgelegten Rahmen der Rubin- und DAC-Regularien bewegt, so schlägt er doch einen eigenen Weg zum hohen Niveau ein. Wir schnüffeln an einem beerigen, kirschigen Bukett mit leicht kräuterwürzig unterlegten Nuancen von Zeder und Minze und einem Hauch von Süßholz nebst einer feinen mineralischen Anmutung. Am Gaumen arbeiten sich aus den Aroma-Beeren vor allem Walderdbeeren heraus, dazu kommen einige Zwetschgen. Die schwungvolle Gradlinigkeit und die Harmonie dieses Rubins fallen angenehm auf, er gleitet ohne Schwere sanft über die Zunge. Gleichwohl zeigen sich eine solide Tanninstruktur, ein gezähmter Säurebogen, eine gut integrierte Würze und eine herrliche Fruchtigkeit, die auch im Nachhall noch leichte Kirschnoten offeriert.

2020 Purple Carnuntum DAC
Das ist einer der nachgefragtesten Weine von Meinrad Markowitsch. Eine Cuvée aus 70 % Zweigelt, 20 % Blaufränkisch und 10 % Merlot könnte in Ansehung der Rebsortenkomposition gut und gerne eine angegurtete Komposition für schlichte Ansprüche sein. Bei Meinrad verschafft diese Anordnung dem Zweigelt aber deutlich Temperament und Power und erlaubt ihm, mal richtig auszurasten. Die Gärung erfolgte über 25 Tage bei 28 bis 29° C mit anschließendem biologischem Säureabbau. Der Wein wurde teilweise im Edelstahl, teilweise in vorbelegten Barriques ausgebaut. Auch wenn sich die Bezeichnung Purple ausgesprochen freihändig anhört, so ist es doch ein Carnuntum DAC nach dem einschlägigem Disziplinar.

Der Purple lockt mit einem prägnanten, voluminösen Bukett von Brombeeren, Heidelbeeren, Himbeeren und schwarzen Süßkirschen, dazu kommen auch Aromen von Pflaumen schon in der Nase zur Geltung. Am Gaumen erleben wir eine bemerkenswerte Würze in einem üppigen Fruchtrahmen, der leicht süßlich und geschmeidig von lebendiger Säure eskortiert wird. Im Mund trauen sich die Pflaumentöne noch mehr zu und lassen mit dezenten Anklängen an Schokolade und Nougat grüßen. Rebsortentypisch eckt der Wein mit seinen eher leichtfüßigen Tanninen nicht an, nutzt sie aber geschickt zur Stärkung einer soliden Struktur. Seine Fruchtbetonung knüpft an den Kalkstein im Boden an und macht ihn zu einem fruchtig erfrischenden Aromaboten, bei dem sich ein langes, lautes und lustvolles Nachschmatzen nicht vermeiden lässt. Wenn Sie den saftigen, lebensfreudigen Genuss teilen möchten, nehmen Sie ein mediterranes Pastagericht und ein paar nette Gäste.

05.09.2022

Foto: © Photographie Helmreich

Fotos: © Gerhard Markowitsch

Foto: © Claus Dietrich; Flaschenfotos: D.R.

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