An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Langenwalter in der Pfalz: Genussinspirationen in vollendeter Harmonie
In den letzten 70 Jahren hatte in dieser Familie und in diesem Weingut alles etwas Normales an sich. Keine falschen Begegnungen zum falschen Zeitpunkt, keine Katastrophen, keine Revolution im Keller, keine abgedrehten Marketingspleens. Immer wurde für alles eine harmonische Balance gefunden. Da liegt es nahe, an die Übertragbarkeit der familiären Ausgeglichenheit auf die Weine zu denken. Denn tatsächlich ist die Balance, das nahezu perfekt Austarierte, die vollendete Harmonie, das ganz Besondere an den Weinen in diesem Weingut, fast schon ein Alleinstellungsmerkmal – neumodisch gesagt.
Die Rede ist vom Weingut Langenwalter in der Gemeinde Weisenheim am Sand nordwestlich von Ludwigshafen. Weinbaumäßig ist das der Bereich Mittelhaardt/Deutsche Weinstraße im Anbaugebiet Pfalz. Das moderne Gebäude mit dem 2011 neu erbauten Keller liegt am nördlichen Ortsrand inmitten von Weinbergen, die zur rund 114 Hektar großen Lage Hasenzeile gehören.
Seit dem 17. Jahrhundert betreibt die Familie Weinbau, aber erst Mitte der letzten sechziger Jahre entstand durch Großvater Willi Langenwalter ein Weingut mit eigener Flaschenabfüllung. Der Bogen zur heutigen Generation ist dann schnell gespannt: Willis Sohn Klaus übernahm den Betrieb zusammen mit seiner Frau Renate und erweiterte ihn auf 24 Hektar. Von ihren Söhnen studierte Fred Weinbau und Önologie in Geisenheim, fand den beruflichen Weg in ein Weinlabor und fungiert seitdem als sachverständiger Berater im familiären Betrieb. Sohn Thorsten stieg 2002 mit dem Abschluss des Weinbautechnikers direkt in das elterliche Weingut ein und übernahm es 2012 als nächste Generation. Seine Frau Daniela, die sich derzeit um die Geschäftsführung kümmert, brachte 2010 das Weingut ihrer Eltern in der Stadtgemeinde Freinsheim in die Familie ein, so dass hinter dem Weingut Langenwalter nunmehr ein ansehnlicher Betrieb von 31 Hektar steht.
Auch wenn es zur Tradition in der Pfalz gehört, außergewöhnlich viele verschiedene Rebsorten anzubauen, dürfte die Auswahl im Weingut Langenwalter den Rahmen der Traditionen noch übertreffen: Angebaut werden von den weißen Sorten Riesling, Grauer und Weißer Burgunder, Chardonnay, Sauvignon Blanc, Gewürztraminer, Müller-Thurgau, Morio-Muskat, Huxelrebe und Auxerrois. Bei den roten Sorten sind es Spätburgunder, Dornfelder, Portugieser, St. Laurent und Cabernet Cubin. Riesling-Reben wachsen hauptsächlich auf den Löß- und Lößlehmböden der Lagen Weisenheimer Hahnen und Weisenheimer Goldberg. Die Rheinkies-, Sand- und Kalksteinböden sind vor allem mit Cabernet Sauvignon, Portugieser, St. Laurent und Spätburgunder bestockt. Weißer und Grauer Burgunder sowie Chardonnay stehen auf sandigem Kalkstein und Löß.
Sowohl in den Weinbergen als auch im Keller herrscht die familienspezifische Normalität. Das bedeutet nicht Zurücklehnen und Stillstand in der Komfortzone, sondern harte Arbeit und ständige kritische Auswertung der Vor- und Nachteile von Tradition und Innovation, wobei dem soliden Winzerhandwerk in Familie ein besonderer Stellenwert zukommt. Noch immer gilt das Weingut Langenwalter als aufstrebender Betrieb, der ganz ohne Allüren die Wertigkeit seiner Weine weiter erhöht, was die Fachwelt mit jedem Jahrgang in zunehmendem Maße beeindruckt.
Den Weinberg beherrschen zum großen Teil Hände statt Maschinen, organische Substanzen statt pestizide und insektizide Chemie, gute Käfer treten gegen schlechte Käfer an. Der Aufwand für die Laubarbeit ist immens, Ertragsreduzierung selbstverständlich. Die Förderung der Artenvielfalt passt ideologiefrei in die an die Natur angepasste Arbeitsweise der Familie. Thorsten Langenwalter setzt seit langem auf den naturnahen Weinbau und geht mit Riesenschritten auf normierte ökologische Standards zu. Die Ernte erfolgt selektiv in mehreren Durchgängen, wobei idealer Weise ausschließlich gesunde und vollreife Trauben auf die Kelter kommen.
Wenn andere Winzer ihre Ideen hochtrabend als Philosophie einordnen, steuert Thorsten Langenwalter ohne große Aufregung klare Ziele an, die zwar alle Geisenheim-Absolventen und Jungwinzer heutzutage zumindest rhetorisch beherrschen, die sie im Weingut aber längst nicht alle umsetzen oder umsetzen können: Thorstens Weine sollen Sorte und Herkunft terroirgeprägt, nuanciert und unverwechselbar erlebbar machen. Die Weißweine sollen obendrein fruchtbetont und die Rotweine kraftvoll sein mit verhaltener Tanninstruktur und angemessener Abbildung des aufwändigen Holzeinsatzes. Thorsten will keine lauten Weine machen, ihm sind die kontinuierliche Qualitätssteigerung und die Weiterentwicklung seiner persönlichen Stilistik in stimmigen und ausgeglichenen Weinen wichtiger als aufflackernde Knüller. Mehr und mehr sieht die Weinwelt in ihm auch einen verlässlichen Burgunderspezialisten. Das Weingut Langenwalter gehört zu den MOD-Winzern, die als New Age Weinmacher unter der Bezeichnung Modern eine eigene, umfassende Vermarktungsschiene gegründet haben.
Wir konnten sechs Weine des Weinguts Langenwalter verkosten.
2021 Rosé trocken
Dieser Rosé ist eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Spätburgunder und Dornfelder. Die Reben wachsen auf unterschiedlichen Bodenarten – vom Löß über Kalkstein bis Rheinkies und Sand. Der Wein ist per Saftabzug hergestellt, die Cuvéesorten wurden getrennt ausgebaut.
Im Glas strahlt der Rosé in einem kräftig rötlichen Rosa – hier hat die Beerenhaut der Dornfeldertrauben einiges geleistet. Der Wein verbreitet zarte fruchtige Aromen von Erdbeeren, Pfirsichen und einigen Himbeeren. Er schmeckt frisch und saftig mit nuancierten Andeutungen der Aromafrüchte. Ein dezenter Säurerahmen und Spuren von Mineralität begleiten den leicht süßlichen Abgang. Das ist ein fröhlicher, sommerlicher Rosé, dem die Rebsorten erfolgreich Kraft und Saft verpasst haben. Am Tisch passt er gut zu Grilladen aller Art und zu den verschiedensten Sommersalaten.
Der Silberkapsel-Wein kommt von Reben, die auf Lößboden stehen. Bei der Ernte wurde in mehreren Durchgängen streng selektioniert, die Trauben wurden zwölf Stunden lang eingemaischt. Die Gärung erfolgte partienweise im Edelstahltank und im großen Holzfass. Das ist ein Sauvignon Blanc, der sich nicht so einfach einordnen lässt in die grüne oder gelbe Schublade oder in Neuseeland Nord- oder Südinsel.
Zwar bietet er in der Nase sogleich selbstbewusst seine tropischen Richtungen von Litschis, Papayas und Mangos an, aber zugleich drängeln sich Aromen von reifen Stachelbeeren nach vorne und ein Hauch von Kräutern schwebt umher. Das geht auch auf der Zunge so weiter und macht immer Appetit auf den nächsten Schluck, um auf neue Entdeckungen zu stoßen wie etwa die dezenten, gut untergebrachten Röstaromen vom Holz. Glücklicherweise gehört zu den Geschmackserlebnissen nie ein grasiger Rasenmähergeschmack. Im superlangen Finish tun sich die aktive Säure und die feine, leicht salzige Mineralität deutlich hervor. Ein energiereicher, absolut trockener Sauvignon Blanc, den Sie gerne zu einem Red Snapper vom Grill oder einer Muschel-Tarte servieren können.
2021 Auf dem Kalkstein Weisser Burgunder
Wenn die Weißburgunder Rebe auf stark kalksteinhaltigem Boden wie beispielsweise im Weisenheimer Altenberg steht, dann erfreut sie den Wein mit Fülle und Struktur. Darüber hinaus hat sie diesem Wein auch Frische, Klarheit, Präzision und Saft spendiert, so dass er trotz seiner starken Statur munter und elegant wirkt.
Im Bukett präsentiert der Kalkstein Weißburgunder aus dem primäraromatischen Fruchtspektrum reifes gelbes Steinobst, aber auch Grapefruit, Apfel und Birne. Vor allem aber zeigt er stolz kräutrige Noten und rauchige Nuancen vor und schickt obendrein noch einige florale Töne von Lilien hinterher. Im Mund imponiert er mit einer schmelzigen, angedeutet süßlichen Fruchtigkeit, mit Spuren von Kräutern, einer feinen, zarten Säure und einer gut integrierten mineralisch-steinigen Note. Er vereint bis ins Finale Saft, Frische und eine gute, weiche Textur. Ein ausdrucksstarker Weißburgunder, der sein spannendes Terroir schmecken und erleben lässt.
2020 Chardonnay R Freinsheimer Musikantenbuckel
In der Nase entfaltet er sich feinfruchtig mit Anklängen an gelbe Pfirsiche und Honigmelonen und offeriert deutliche Röstaromen. Am Gaumen kommt er mit enormer Tiefe und Wucht an, ohne schwer oder aggressiv zu wirken. Dahinter steht eine handwerklich gekonnte harmonische Integration von Kraft und Fülle, die den Wein angenehm entgegenkommend macht. Geschmacklich gehen die Holztöne eher in die karamellige als in die vanillige Richtung, was oftmals mit der Herkunft des verwendeten Eichenholzes zu tun hat. Die reife Säure ist fein und moderat und trägt den langen, starken Nachhall. Ein vollmundiger, hochwertiger Chardonnay, der Power ins Glas und in den Tag oder die Nacht bringt, je nachdem, was und wie viel man will. In der Küche geht er mit Pilzgerichten eine perfekte Symbiose ein, freut sich aber auch, wenn er einem Fisch in Beurre-Blanc oder einer getrüffelten Poularde aus dem Rohr begegnet.
2018 Goldberg Cabernet Sauvignon trocken
Der Wein duftet aus dem Glas intensiv, üppig und sortenrein nach Schwarzen Johannisbeeren, Heidelbeeren und Brombeeren, präsentiert sich aber auch mit feinen Röstnoten und leichten Anmutungen von roter Paprika, Minze und Eukalyptus nebst einem Hauch Zimt. Am Gaumen schmecken wir die reifen Bukettaromen, dazu einige schwarze Kirschen und Mokkaschokolade, eine deutliche Würze sowie dezent rauchige Zedernholztöne. Die lebendige Säure umrahmt die saftige Fruchtstruktur und strebt zusammen mit den mürbe-sandigen Tanninen und der vom Extrakt und von den schönen Holzaromen herrührenden leichten Süßlichkeit in ein langes Finale. Ein gut austarierter, vollmundiger Cabernet Sauvignon, der in den nächsten Jahren seine sortentypischen Gerbstoffe noch weiter zurückfahren und seine Aromatik noch weiter nach vorne entwickeln wird. Man kann sich aber schon jetzt mit ihm über hochinteressante Geschmackserlebnisse freuen. Verwöhnen Sie sich und den Wein mit einer mit Rosmarin und Knoblauch gewürzten Lammkeule oder einem pikanten Rindsgulasch mit Paprika.
2015 Der Goldberg R Weisenheimer Goldberg trocken
Was die Farbe im Glas betrifft, so braucht man sich nicht um Nuancen der Transparenz zu kümmern, denn Durchsichtigkeit gibt es kaum. Dafür strahlt die Cuvée schön Schwarzrot mit violetten Reflexen. Wir schnüffeln neugierig an den sich aus dem Glas drängelnden hochkomplexen Aromen von Schwarzen Johannisbeeren, Heidelbeeren, Erdbeeren und vielen reifen Zwetschgen, dazu einige Kirschen und Feigen und ein kleines Sträußchen von Trockenblumen. Ein Touch von vanilligen, leicht rauchigen Röstaromen und dezent mineralischen Anklängen sind auch dabei. Ein abwechslungsreicher, vielseitiger Wein, der immer wieder neue Aromaspitzen hervorzaubert. Am Gaumen spürt man sogleich die aromatische Intensität und Tiefe mit ausdrucksstarken, würzig-cremigen Tanninen, einer frischen und getrockneten Frucht mit Kirschbetonung und einer lebendigen Säure. Alles schwingt noch lange auf der Zunge nach und trifft auf leckere, schokoladig-röstige, salzig-mineralische und würzige Richtungen und steigert sich zu einer alles vereinenden Saftigkeit. Der Wein ist kein Holzmonster, sondern einer, der Körper, Eleganz und Finesse vereint. Das ist hohe handwerkliche Winzerkunst, die mit 90 Punkten Meiningers Rotweinpreis 2021 errang und auch künftig Sterne, Gläser und Punkte verdient hat. Er atmet übrigens gerne mal zwei Stunden vor dem Genuss die Raumluft ein. Und er mag es gerne wild, also gönnen Sie sich und ihm ein Hirschfilet in Wallnusskruste.
23.06.2022
Fotos © Weingut Langenwalter