An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Nigl in Österreich: Weltklasseweine mit höchsten Auszeichnungen aus dem Kremstal
Weit geht der Blick von den steilen, terrassierten Hängen des kleinen Tals hoch über dem idyllischen Flüsschen Krems, das der Donau zufließt. Richtung Südosten liegt das Weinstädtchen Krems, wo sich das enge Donautal zur sonnendurchfluteten Ebene öffnet. In etlichen Rieden im Tal der Krems stehen die Rebstöcke von Martin Nigl. Hier wachsen die Reben für Weine, die als spektakuläre Meisterwerke zu den höchstbewerteten Grünen Veltlinern und Rieslingen der Welt gehören. Sie überholen bei Prämierungen regelmäßig sogar legendäre deutsche Riesling-Ikonen. Nicht selten wird bei Fachverkostungen darüber geredet, ob es überhaupt jemanden gibt, der bessere Rieslinge und Grüne Veltliner macht. Auch wenn sich das in Deutschland noch nicht überall herumgesprochen hat, zählt das Weingut Nigl unumstritten zu den renommiertesten Weingütern der Welt.
Familie Nigl betreibt im Kremstal seit über 200 Jahren Weinbau. Traditionell führte man damals einen Mischbetrieb mit Landwirtschaft und lieferte der örtlichen Genossenschaft zu. 1985 beschloss Martin Nigl zusammen mit seiner Frau Christine, eigene Weine zu machen und selbst abzufüllen. 1990 stellte er den Betrieb vollständig auf Weinbau um. 1995 übernahm er große Teile der Domäne des Fürsten Starhemberg, der den Hof samt der zugehörigen Weingärten 1683 als Geschenk zum Dank für die Befreiung Wiens erhalten hatte. Zum Anwesen gehörte auch der aus dem 12. Jahrhundert stammende Lesehof in der Kirchengasse gleich neben der Landstraße, die nach Krems führt. Es sollten dann fast zehn Jahre vergehen bis das gesamte Anwesen restauriert und umgebaut war und 2004 als neues Domizil des Weinguts Nigl mit dem historischen Lesehof als Weinhaus und einem exklusiven Hotel und Feinschmecker-Restaurant eröffnete. Heute arbeitet Martin Nigl auf dem Weingut mit seinem Sohn Martin jun. zusammen, der längst nicht mehr im Fasskeller spielt, sondern als 26jähriger die Ambitionen seines Vaters für hochwertige, terroirgeprägte Weine höchster mineralischer Eleganz und Finesse mit neuen Ideen anfeuert.
Das Weingut Nigl bewirtschaftet heute rund 30 Hektar Weingärten in verschiedenen Lagen bei Senftenberg, Rehberg und Krems, die zu den besten des gesamten Anbaugebiets gehören. Es sind vor allem in Senftenberg die Rieden Kirchenberg, Pellingen und Hochäcker. In Rehberg gehören dem Weingut Parzellen in den Rieden Goldberg und Zwetl und im nördlichen Bereich von Krems in der Ried Kremsleiten. Weitere Weingärten befinden sich in den Rieden Pfenningberg und Dornleiten.
Die Böden reichen von Urgesteinsverwitterung und Glimmerschiefer über Gneis und Granit bis hin zu anderem kristallinen Gestein und kalkhaltigem Löss. An etlichen Stellen ist das verwitterte oder felsige Gestein abgedeckt mit Sand, Humus, Ton oder Schotter. Die Vielfalt der Böden in den teilweise weit auseinander liegenden Weingärten führt zu individuellen, charakterstarken Weinen. Die Bodenstrukturen des Kremstals gehen übrigens geologisch in die Wachau über, ohne sich um weinrechtliche Grenzen zu kümmern.
Klimatisch wird das Kremstal geprägt vom Flüsschen Krems, den großen Wasserflächen der mächtigen Donau und den weiten Wäldern. Die Reben genießen die harmonische Vermählung von pannonisch-milden Wetterlagen mit nördlich-kühlen Akzenten. Selbst in Hitzejahren folgt den heißen Sommertagen in der Nacht die Kühle aus dem bewaldeten Hügelland um Senftenberg und aus dem nahen Waldviertel. Die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, die hohe Luftfeuchtigkeit und der verbreitete Morgennebel gerade zur Reifezeit verlängern die Vegetationsperiode und fördern am Ende Aromen, Finesse, Tiefe und Komplexität in den Weinen.
In den Weingärten stehen zu 90 % weiße Sorten, hauptsächlich Grüner Veltliner und Riesling, aber auch Sauvignon Blanc, Chardonnay und Gelber Muskateller. Von den roten Sorten werden hauptsächlich Blauer Zweigelt, daneben Pinot Noir und Merlot angebaut. Die Weine sind im Sortiment nicht nach Qualitätsstufen sortiert, sondern werden überwiegend als Rebsorten- und Riedenweine präsentiert. Das Weingut Nigl folgt als Mitglied des Vereins der Österreichischen Traditionsweingüter der für das Kremstal geltenden Appellationspyramide und hebt die Weine aus den ÖTW ERSTEN LAGEN gut erkennbar hervor. Sie bilden derzeit die Spitze die Riedenweine, solange die ÖTW GROSSEN LAGEN noch nicht klassifiziert sind. Immerhin kann das Weingut Nigl in Senftenberg gleich mehrere ERSTE LAGEN vorweisen, darunter Kirchenberg, Hochäcker und Pellingen. Die besten Weine des Weingutes wiederum sind mit dem Zusatz „Privat“ auf dem Etikett gekennzeichnet.
Senftenberger Rieden
Im Keller gelten bei Martin Nigl die Grundsätze des Minimalismus, also so wenig Eingriffe wie möglich und soviel moderne Technik wie notwendig. Dennoch weiß jede Traube, die den Keller betritt, dass es hier so weitergeht wie im Weingarten: Große Sorgfalt, kein Stress und viel Zeit. Hier gilt „gut Ding will Weile haben“ und nicht „Zeit ist Geld.“ Schließlich ist es in Zeiten des Klimawandels viel schwieriger und anspruchsvoller, einen eleganten, fruchtigen und finessenreichen Trinkfluss mit 12 bis 13 % Volumenalkohol zu garantieren, als mal eben Weine mit 14 % und mehr im Keller durchknallen zu lassen. Selten werden die Trauben entrappt, vergoren wird ganz überwiegend mit wilden Hefen. Die Weißweine entstehen bis auf wenige Ausnahmen in temperaturgesteuerten Edelstahltanks und werden mit authentischer Frische früh abgefüllt, einige reifen auch etwas länger im großen Holz. Sowohl bei den Weißen als auch bei den roten Sorten werden die Sedimente mit Schwerkraft ausgefällt, abgestochen wird möglichst nicht mehr als zweimal.
Wir konnten sechs Weine aus dem Weingut Nigl verkosten.
2021 Piri Grüner Veltliner Kremstal DAC
Im Glas schimmert er in einem hellen Gelbgrün und erinnert mit seinen silbrigen Reflexen sogleich an den Glimmerschiefer. Der drängelt im Bukett aber nicht unangemessen in den Vordergrund, sondern lässt feinfruchtigen und zart-kühlen Noten von roten Äpfeln, Williamsbirne und exotischen Anklängen mit Ananas und Papaya den Vortritt. Dazu weht ein frischer Hauch von Zitrus, Holunderblüte und Wiesekräutern vom Typ Morgentau aus dem Glas. Frisch und lebendig tummelt sich dieser Grüne Veltliner dann im Mund herum. Das hat er dem handwerklich feingliedrig abgestimmten Säurespiel zu verdanken, das die Fruchtigkeit von Birnen, Granny Smith, Grapefruit, Reineclauden und Limetten saftig einbindet. Eine herrliche, leicht salzige Mineralität und eine markante Kräuterwürze tänzeln um die ausgewogene Extraktsüße herum und leiten in einen leicht cremigen, weichen Abgang über. Ein sehr stimmiger, herrlich kühler und gradliniger Grüner Veltliner mit Körper und Struktur, der mit zunehmender Belüftung immer runder und geschmeidiger wird. Das ist der universelle Speisenbegleiter vom Bachsaibling über Hühnerfrikassee bis zur Gemüselasagne.
2020 Ried Pellingen Privat Grüner Veltliner 1 ÖTW Kremstal DAC
Aus dem Glas duftet es nach gelben Birnen und reifen grünen Reineclauden mit exotischen Tönen von Ananas und einem Hauch von Wiesenhonig. Die Fruchtaromen werden facettenreich umrahmt von einer schönen, feinherben Veltliner-Würze mit angedeuteten Kräutern und feinen mineralischen Richtungen. Wir schmecken saftige gelbe Früchte mit Grapefruit, Charentais-Melone und exotischen Spitzen von Mango und Papaya. Die feste, dichte Fruchtigkeit ist straff eingebettet in eine lebendige, frische Säure, eine feine Extraktsüße und eine tiefgründige Mineralik mit einer zarten, pikanten Würze von frischen Kräutern und einem dezenten Touch von Gerbstoffen. Vollmundig und kraftvoll vereint sich im langen Finale ein großartiger, komplexer Gesamteindruck eines körperreichen Schmeichlers mit gradlinigen Konturen. Natürlich passt dieser elegante Grüne Veltliner zu den üblichen Verdächtigen wie dem legendären Wiener Schnitzel. Er freut sich aber auch über Pasta mit Meeresfrüchten, ein Hähnchen-Risotto oder über eine gefüllte Kalbsbrust.
2020 Ried Hochäcker Privat Riesling 1 ÖTW Kremstal DAC
In der Nase tobt der Wein nicht ungestüm umher, sondern bietet cool und distinguiert seine tiefgründigen Aromen von reifen Weinbergpfirsichen, Zitrus und Passionsfrucht mit einem winzigen Hauch von Orangen und Wiesenhonig an. Immer wieder wehen auch florale, kräutrig-vegetabile und mineralische Töne umher. Der Mund füllt sich kühl, saftig und geschliffen, wie es sich für einen hervorragenden Riesling gehört. Zum typischen Fruchtspektrum von Aprikosen und Pfirsich kommen gelbe Äpfel, etwas Ananas, einige florale Anklänge und ein Hauch von Kräutern. Die dezente, feine Extraktsüße wird von einer aktiven Säure begleitet, die der markanten Mineralik schmackhaften Raum lässt. Dynamisch und griffig geht dieser traumhafte Rieden-Riesling in ein nachhaltiges Finish. Ein Wein, der mit seiner brillanten Frucht, seiner reifen, rassigen Säure und seiner kristallinen Mineralität noch etliche Jahre für immer neue Entdeckungen sorgen wird. Er lässt aber schon jetzt jeden Tisch zur Tafel werden, besonders wenn er mit einer Poularde aus dem Rohr oder einem Red Snapper Filet vom Grill gedeckt ist.
2020 Ried Kirchenberg Herzstück Grüner Veltliner Kremstal DAC
Welch genialer, selbstbewusster, hocheleganter, würziger und zutiefst mineralischer Grüner Veltliner, wie ihn in dieser Ausgewogenheit wohl nur Martin Nigl machen kann. Das hat nix mehr mit dem berüchtigten angesüßten Pfefferle aus Kremser Sandgruben-Gebinden zu tun, die einst den Ruf des Kremstals nahezu ruiniert haben. Dieser hier ist ein Grüner Veltliner, der das Terroir des Kremstals ganz neu übersetzt.
Im Bukett präsentiert er ein dichtes, kühl-herbes und mit einer geheimnisvollen Mineralik umgebenes Spektrum von reifen grünen Äpfeln, gelbroten Mangos und Futoro-Melonen, dazu Wiesenkräuter, vegetabile Anklänge und ein feinwürziger Hauch von blondem Tabak. Jeder Schluck dieses grandiosen Grünen Veltliners macht Lust auf das nächste Glas: Die frische Primärfruchtigkeit der Aromen wird geschmacklich gleichsam auf eine höhere Ebene gehoben und fasziniert auf der Basis von Aprikosen und gelben Pflaumen durch eine vielschichtige Würze mit Zimt, Anis, Mandeln, Nüssen und getrockneten Wiesenkräutern. Anmutungen von weißem Pfeffer und blondem Tabak wärmen den Gaumen mit einer vielschichtigen Mineralik. Die angemessene, nicht übergriffige Säure und die zärtliche Fruchtsüße unterstützen einen dichten, würzigen, saftig-schmelzigen Abgang, der nicht enden will. Ein komplexer, finessenreicher, hocheleganter Wein, der wie alle großen Weine noch eine spannende Zukunft vor sich hat. Schon jetzt können Sie ihn mindestens zu einem auf der Haut angebratenen Wolfsbarsch reichen oder ganz mutig zu einem zarten Gericht von Perlhuhn oder Fasan. Genießen Sie ihn auf jeden Fall aus dem größten Rotweinglas, das Sie im Schrank haben, und experimentieren Sie mit Temperaturen zwischen 12 ° und 19 °C.
2020 Rehberger Ried Goldberg Riesling Kremstal DAC
Nase und Gaumen werden verzückt von einer vibrierenden Mineralität, einer animierenden Frische und einem komplexen Aromenbündel voll betörender Frucht und Kräuternoten. Es duftet dezent nach Aprikosen, Limettenzesten, gelben Äpfeln und nach Wiesenkräutern mit einer Spur Holunderblüten. Als Zwischenruf macht sich eine Anmutung Schwarzer Johannisbeeren bemerkbar, was bei einem modernen, trockenen Kremstal-Riesling gar nicht mal so ungewöhnlich ist. Über die Zunge geht es dann ab mit einer unnachahmlichen Melange aus feiner kühler, konzentrierter Frucht von Aprikosen, Orangenzesten und Ananas, feiner Säure und herber würzig-rauchiger, steiniger Mineralik, die in einer kleinen Karamellnote gipfelt. Kristallklar, fest und auf den Punkt ausbalanciert überzeugt alles im Gleichklang den Gaumen und belebt noch lange einen fulminanten Abgang, der mit einem sanft-süßlichen Schmelz imponiert. Das ist der Wein, der eine Languste eifersüchtig macht, aber auch echt österreichisch einen deftigen Krustenbrat’l zum feinen Sößchen ziert. Ein köstlicher, opulenter, edler Genuss – am besten Schluck für Schluck und Flasche für Flasche.
2019 Gelber Muskateller Eiswein
Bereits die Römer sollen Weine vom Muskateller genossen haben und Karl der Große und Kaiser Barbarossa sollen regelrechte Fans der aromastarken Rebsorte gewesen sein. Heute ist sie in deutschen und österreichischen Weinanbaugebieten in der Varietät des Gelben Muskatellers eine rare Spezialität, die es zu genießen gilt. Sie ist eine der wenigen Rebsorten, deren Trauben oft schon so duften und schmecken wie später der Wein.
2019 ist der erste Jahrgang, in dem es Martin Nigl gelang, einen Eiswein aus der Rebsorte Gelber Muskateller zu kreieren. Eiswein wird aus Trauben erzeugt, die bei der Lese und beim Pressen je nach Zuckergradation bei ca. minus 6 bis minus 10 °C gefroren sein müssen. Das Mindestmostgewicht beträgt stolze 25 °KWM der Klosterneuburger Mostwaage, das entspricht 127 °Öchsle. Zum Glück ist der 2019 Gelber Muskateller Eiswein im Keller nicht auf klebrige Unteralkoholisierung abgestürzt, sondern schafft mit soliden 10,5 Volumenprozent die Grundlage für ein wahres Eisweinwunder.
Ein komplexes, fülliges Aromenspektrum von Holunderblüten über Muskatnuss und Zitrusfrüchten bis zu überreifen Stachelbeeren und Litschis steigt aus dem Glas. Den Mund kleiden tropische Früchte und Frühlingsblumen dicht aus, dazu Richtungen von Zitrus, Honig und eine allgegenwärtige, angenehm vorsichtige Mineralität. Alles steigert sich mit beschwingter Leichtigkeit zu einem wahrhaft süffig-saftigen Finish mit einer geschickt harmonisierten, durchaus noch spritzigen Säure. Genießen Sie diesen Wein abseits einer Speise und ignorieren Sie die üblichen Pairingvorschläge. Er bietet Genuss pur, zu schade, um sich ablenken zu lassen von den üblichen Blauschimmel- und Apfeltarte-Orgien. Lassen Sie sich lieber Schluck für Schluck süchtig machen. Vielleicht beginnen Sie auch zu träumen und denken daran, dass dieser Wein wahrscheinlich das Ergebnis einer Träumerei in eisigen Nächten war – der von Martin Nigl.
21.03.2022
Alle Fotos © Weingut Nigl
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