An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Ansitz Waldgries in St. Magdalena: Mit Tradition und Leidenschaft an Südtirols Spitze
Der Ansitz Waldgries liegt in St. Magdalena, einem schon deshalb bekannten Dorf, weil es der berühmten Weinsorte seinen Namen gab. St. Magdalena gehört seit 1911 zur Stadt Bozen und schmückt den Südhang des Bozener Hausbergs Ritten. Das Weingut Ansitz Waldgries mit seinem historischen Gebäude und dem kleinen Glockenturm liegt an einem sonnendurchfluteten Hang mit Blick auf Bozen, umgeben von den eigenen Weinberge, von Olivenbäumen und Feigen. In den eindrucksvollen, Jahrhunderte alten, bis 12 Meter unter der Erde liegenden Gewölben des Weinkellers mit seinen künstlerischen Skulpturen und Bildern reifen Spitzenweine in großen Eichenfässern. Zum Weingut gehört ein kleines liebevoll eingerichtetes Weinmuseum, in dem unter anderem alte Gerätschaften belegen, wie über Jahrhunderte hinweg die mühsame Handarbeit draußen in der Natur den Winzerberuf geprägt hat.
Bei allen lokalen Ausprägungen eines Mikroklimas profitieren die Lagen vom mediterranen Klima mit alpinen Einflüssen in Südtirols Süden. Das von Alpen und Dolomiten umrahmte Etschtal ist ein breites, sonnenverwöhntes Becken, das vom Gardasee im Süden eine warme Luftströmung empfängt. Deshalb ist Bozen eine der wärmsten Städte Italiens, zumal es sich im Mittelpunkt von drei Alpentälern befindet. Neben den Rebsorten, die er für seine Weine verwendet, baut Christian Plattner noch etliche andere, vor allem alte, fast verschwundene an, mit denen er immer wieder experimentiert. So stehen in den Weinbergen die weißen Sorten Sauvignon Blanc, Weißburgunder, Rosenmuskateller und die roten Vernatsch, Lagrein, Edelschwarzer (Nagrara Trentino), G’schlafner (Geschlafener) und Teroldego.
Wir konnten sechs Weine aus dem Weingut Ansitz Waldgries verkosten.
Myra Sauvignon 2017 Südtirol DOC
Wenn Sie schon immer einmal wissen wollten, wie die Alpen in Weiß schmecken, dann zum Wohl mit diesem Sauvignon Blanc. Die Rebstöcke stehen in Weinbergen zwischen den Schlössern Moos, Schulthaus und Freudenstein in der Fraktion Eppan Berg im Westen der Überetscher Gemeinde, die formal erst 2016 aus den bekannten Fraktionen St. Pauls und St. Michael herausgegründet wurde. Hier wachsen die Trauben auf einer Meereshöhe von etwa 550 Metern. Egal, ob der Name des Weins von einem weiblichen Vornamen, aus der geheimnisvollen Fantasiewelt oder aus der Antike stammt, jedenfalls erfolgte die Gärung im Edelstahl, teilweise mit ganzen Beeren. Danach ruhte etwa ein Fünftel der Chargen im Tonneaux auf der Feinhefe. Der Wein ist keiner der Stachelbeer-Junkies vom Typ „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider“, sondern ein Wein mit einer erlesenen Stilistik, der den Ruf nach weiteren weißen Rebsortenweinen aus diesem Terroir erweckt.
Im Glas glänzt er in einem hellen Strohgelb und sendet grünliche Reflexe aus. Die Nase wird gestürmt von vielfältigen, ja komplexen Aromen, allen voraus Grapefruit und Zitrus in Richtung Limette und ein Touch Orange. Es folgen weiße und sogar rote Johannisbeeren, Holunderblüten, Bergkräuter, ausgeprägt exotische Töne, einige Röstaromen und ein Stückchen Feuerstein. Auch Stachelbeeren tauchen auf, dominieren aber eben nicht die ganze Szene. Im Mund streift der Wein distinguiert über die Zunge, fast filigran, auf jeden Fall elegant. Sein kräftiger Körper ist bewundernswert gut ausbalanciert. Eine vibrierende Säure gibt ihm einen gewissen Grip, was von seiner Dichte noch unterstützt wird. Säure und Dichte generieren mit den deutlichen, modern salzigen mineralischen Anklängen eine schöne trockene Struktur und eine herrlich fruchtige Frische. Diese Frische wie aus einer Bergquelle bleibt auch nach dem langen, vollsaftigen, dank der Holztouchierung auch schmelzigen Abgang noch in bester Erinnerung. Servieren Sie ihn als Apero, um die Gäste mit einem herausragenden Beispiel von Südtirols weißer Spitze zu überraschen.
Isos Weissburgunder 2016 Südtirol DOC
Wieder leuchtet uns im Glas ein helles, alpenmäßig kristallines Strohgelb an. Das Bukett verströmt frische Aromen von grünen Äpfeln, Birnen, Ananas, einigen weißen Pfirsichen, frühreifen Walnüssen und etwas Minze und Anis. Dazu kommen in gehauchten Nuancen dezente Toastnoten vom Holzfass und klitzekleine blumig-kräutrige Nuancen. Auch im Geschmack begegnen uns etliche Bukettaromen mit herrlich fortgeschrittener Reife und vollem Körper. Die lebendige, gut eingebundene und straff strukturierte Säure und die leicht salzige Mineralität treffen auf einen dichten, tiefgründigen Extrakt. Im langen, leicht cremigen Finish kommen die reifen Obstaromen noch einmal gut zur Geltung und begleiten vollmundig und geschmeidig die Vielfalt und Schönheit der alpinen Eindrücke aus den Dolomiten. Ein hochkomplexer, top eleganter, kraftvoller und reichhaltiger Weißburgunder, der zur höchsten Qualität dieser Sorte aus ganz Südtirol gehört. Reichen Sie ihn zu einem saftigen Hummerrisotto oder zu mäßig gewürzten Südtiroler Kalbshaxen aus dem Rohr.
2018 St. Magdalener Classico Südtirol DOC
Das ging schon heftig zu mit dem St. Magdalener: Mehr als zwanzig Jahre lang galt er als uncool und zu softig, seine Grundsorte, die Vernatsch, wurde fast verbannt vom Südtiroler Rebsortenzettel, der vorwiegend die Internationalen vermerkte. Doch plötzlich hatte man genug von der globalisierten Welt der Parker-Knaller und holte den St. Magdalener aus der Nische wieder hervor, um stolz seinen regionalen, heimatverbunden Charakter vorzuzeigen. Mit dem Zusatz „Klassisch“ dürfen sich übrigens nur die Weine schmücken, die aus den ursprünglichen Anbaugebieten des St. Magdaleners stammen.
Der klassische St. Magdalener von Christian Plattner ist eine Cuvée aus Grau-, Edel- und Mittervernatsch und bis zu 10% Lagrein. Ausgebaut ist er im Edelstahl und traditionellen Tonneaux mit teilweisem biologischen Säureabbau – in bewährter Weise wurden etwa zwanzig Prozent der Trauben ohne Entrappung mitvergoren. Die ertragsreduzierten Vernatsch-Rebstöcke stehen mit einfacher Pergel-Erziehung in und um St. Magdalena in Südost- bis Südwest-Hanglagen auf 250 Metern Meereshöhe mit vorwiegend sandigen Verwitterungsböden aus Moränenschotter und Porphyr. Bei der zeit- und kostenintensiven Pergel-Erziehung, die traditionell auch für die Lagrein-Rebe benutzt wird, werden senkrecht im Boden befestigte Pfosten mit waagerechten Stangen oder Drähten verbunden. Das dadurch entstehende Dach wird der Hangneigung und der Sonneneinstrahlung angepasst, so dass die Reben horizontal an diesem Dach heranwachsen. Die so ausgestatteten Weinberge des Unterlands vor der Dolomitenkulisse gehören aufgrund des ausgeprägt mediterranen Klimas zu den frühreifsten Lagen Südtirols.
Der Klassiker zeigt sich im Glas in einem kraftvollen Rubinrot von mittlerer Dichte. Er duftet sortentypisch nach reifen, frischen Kirschen, etwas Himbeere und jungen blauen Victoriapflaumen. Immer wieder drängelt sich ein Lüftchen von Mandeln, blauen Veilchen und süßlichen Südfrüchten dazwischen. Am Gaumen zeigt er sich keinesfalls als Leichtfuß, sondern imponiert mit gut integrierten, harmonischen Tanninen und einer druckvollen Textur. Die milde Säure und die Fruchtigkeit von Kirschen, Himbeeren, Brombeeren und Zwetschgen geben ihm einen samtigen, wohlgefälligen Körper mit. Der Schuss Lagrein bringt außer der Farbe auch ordentliche Struktur in den saftigen Trinkfluss. Stilistisch erinnert dieser klassische, charakterstarke St. Magdalener an die feinsten Rotweine von Nordburgund. Zu Recht holt Christian Plattner mit diesem Spitzen-St. Magdalener regelmäßig den Vernatsch-Cup und etliche weitere Auszeichnungen für einen der besten Vernatsch-Weine Italiens. Die gelungene Komposition aus mediterranem und alpinem Charakter beeindruckt auf jeder Grillparty, begleitet aber auch gerne eine Vesperplatte mit Südtiroler Speck.
Antheos 2017 St. Magdalener Classico Südtirol DOC
Der Antheos ist eine ganz besondere, einzigartige Cuvée, die Edelvernatsch, Grauvernatsch, Tschaggelevernatsch, Mittervernatsch, dazu vier historische Vernatsch-Arten und bis zu 10 % Lagrein assembliert. Sein Name suggeriert Mut, Einfallsreichtum und Wohlwollen. Das Etikett zeigt den Zeigerstand vom Glockenturm des Weinguts. Er ist eine Art authentischer Ur-St. Magdalener, mit dem man sich erfahren und gereift quer durch die Weingeschichte trinkt. Die Rebstöcke stehen in den gleichen Weinbergen wie beim Klassiker, außerdem noch in der Sublage Hohe Leiten. Christian Plattner rettete die im Weinberg vom Urgroßvater im gemischten Satz gepflanzten Reben kurz vor ihrem Untergang und pfropfte vor zehn Jahren den Gemischen Rebsatz wieder auf. Als Gemischten Satz bezeichnet man Weine, bei denen verschiedene Rebsorten zusammen im Weinberg gepflanzt wurden und gleichzeitig gelesen und vinifiziert werden. Vergoren wurden die Trauben teilweise ohne Entrappung im großen Holz mit langer Maischestandzeit.
Der Wein präsentiert sich mit einer filigranen Nase von Amarenakirschen, reifen roten Waldbeeren, reifen Zwetschgen, Mandeln und einer feinen Würze plus einem Hauch vom schwarzem Pfeffer und Vanille. Am Gaumen bildet die reife Fruchtigkeit vor allem von Kirschen einen allgegenwärtigen Rahmen, in dem sich feingliedrige Tannine mit einem markanten Säurespiel treffen. Die Textur kommt dichtverwoben herüber, immer wieder verbunden mit fruchtiger Eleganz und vornehmer Schmelzigkeit. Im langen Finale wird noch einmal die geniale, stilprägende Harmonie zwischen feiner Säure und kraftvollen Tanninen erlebbar. Der Wein hat seit Jahren die "3 Gläser" vom Gambero Rosso abonniert, zuletzt erhielt sie der von uns verkostete Jahrgang 2017 in der Gambero Rosso Ausgabe 2019. Der Antheos fällt in einem schicken Menü extrovertiert auf zu einem gebratenen Fasan oder einem Rehgulasch mit Preiselbeerkompott.
2016 Lagrein Riserva Südtirol DOC
Im Glas zeigt der Lagrein Riserva sich dunkelpurpur mit einem undurchdringlichen, geheimnisvollen schwarzen Zentrum. Reichhaltige Aromen klettern verführerisch in die Nase, viel Frucht und viel Würze: Schwarze Johannisbeeren, Brombeeren, echte Wald-Heidelbeeren, reife Zwetschgen und reife Schwarzkirschen. Zu den Würzaromen aus der Weihnachtsbäckerei, also Nelken, Zimt, Kardamom, Vanille und Schokolade, kommen eine kleine Prise Pfeffer, ein Touch Mocca und ein Hauch Süßholz hinzu. Über die Zunge legt sich ein dichtes, energiegeladenes Band von satten Lagreineindrücken. Elegant und fast tänzerisch entfaltet er seine Kräfte, konzentriert und machtvoll zeigt er seine stramme Struktur und macht Druck am Gaumen. Er öffnet sich immer weiter mit herzhaften, knackigen Tanninen und einem gut dosierten Säurespiel. Die Extraktsüße lässt uns im Finale lange nicht allein und stützt einen gut abgerundeten Abgang. Das ist ein typischer, hochqualitativer Lagrein aus der Abteilung harte Schale, weicher Kern. Er ist bei jeder wertvollen Gelegenheit gerne als feiner Solist dabei, bringt aber auch eine elegante Reputation zu einer Geschmorten Hirschkeule mit.
Mirell 2016 Lagrein Südtirol DOC
Im Glas schimmert der Mirell tiefdunkel purpurviolett, fast schwarz, undurchschaubar. Sein Bukett öffnet sich intensiv und füllig mit dunklen Kirschen, Waldheidelbeeren, reifen Brombeeren und etwas Cassis. Die Fruchtaromatik ist mit einem Potpourri von Gewürzen unterlegt, aus dem die Nelkenaromen und ein pikantes Lüftchen weißer Pfeffer am besten wahrnehmbar sind. Ab und an schwebt auch ein Hauch von Veilchen aus dem Glas. Am Gaumen hat der Mirell einen charakterstarken Auftritt. Er wirkt kraftvoll und elegant zugleich und widerlegt damit eine zumindest früher weit verbreitete Meinung, die den Lagrein als groben Bauernwein abkanzelte. Die reifen Schwarzkirschen, dunklen Pflaumen und Brombeeren führen die Fruchtnoten an und sind zusammen mit der feinen, manchmal pikanten Würze und den Anklängen von Schokolade und Kaffee die Grundlage für Fülle und Energie im Mund. Die Tannine sind lebendig und engmaschig, wachsen sich aber weich und harmonisch mit dem schönen Extrakt und der sanften Säure zusammen. Auch im geschmeidigen Nachhall ist dieses Zusammenspiel noch lange präsent. Ein komplexer Spitzen-Lagrein, wie man sich den Sommer erträumt: Er empfängt einen mit offenen Armen, zeigt Kraft und Energie, tobt wild und manchmal rauh herum und hinterlässt mit seiner Harmonie und zärtlichen Fülle die Sehnsucht nach dem nächsten.
22.07.2019
alle Fotos: © Ansitz Waldgries