An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Poggio Le Volpi und Masca del Tacco: Weine aus Latium und Apulien auf internationalem Niveau
Weine aus Italien, das sind selten Weine aus Latium, manchmal aus Apulien. Dabei gibt es eine Winzerfamilie, durch die man gleich beide Regionen kennen lernen kann: Familie Mergè betreibt in Latium das Weingut Poggio Le Volpi und in Apulien das Weingut Masca del Tacco.
Fast alles begann in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Großvater Manlio Mergè brachte damals als Fuhrmann Wein aus den Castelli Romani mit dem Pferdewagen entlang der Via Prenestina in die römischen Tavernen. Dann begann er selbst Wein anzubauen und Olivenöl herzustellen. Es war seinerzeit ein landwirtschaftlicher Betrieb, kein Weingut mit eigener Kelter, wie wir es heute kennen. Manlios Traum von einem „richtigen“ Weingut erfüllten dann sein Sohn Armando und sein Enkel Felice, als sie 1996 mit 35 Hektar Rebfläche die Azienda Vitivinicola Poggio Le Volpi gründeten. Der Name leitet sich vom Fuchs ab, der sich nach den Fabeln des Griechen Aesop bekanntlich die besten Trauben sucht. Das Weingut liegt in der Gemeinde Monteporzio Catone, rund 20 Kilometer südöstlich von Rom nicht weit von Frascati an den Nordhängen des Berges Monte Tuscolo auf einem Tuffsteinhügel in 400 Metern Meereshöhe. Monteporzio Catone ist umgeben von Weinbergen und Kastanienwäldern und beherbergt in den Gassen so viele Weinlokale und Weinkeller, dass der Ort den Ruf einer Città del Vino (Weinstadt) erlangt hat.
Die Region Latium war schon in der Antike ein bekanntes und begehrtes Weinanbaugebiet. Rund 90% der Region sind mit weißen Rebsorten, insbesondere Malvasia und Trebbiano bepflanzt, rote Sorten haben nur eine geringe, wenn auch in den letzten zehn Jahren zunehmende Bedeutung. Die Weinberge, die Poggio Le Volpi gehören, sind wegen ihrer geologischen Eigenarten berühmt: Hier erstreckt sich der seitliche Kegel des Latium-Vulkans, der die angrenzenden Albaner Berge prägt und überall einen Untergrund aus Tuff- und Lavagestein hinterlassen hat, das reich ist an Kalium, Phosphor, Schwefel und Magnesium.
Ob im Weinberg oder im Keller, ob bei der sorgfältigen Ernteselektion oder beim Ausbau der Weine, immer geht es Familie Mergè darum, die besonderen Eigenarten der Region und die Typizität des Terroirs in authentischen Weinen zu einem fairen Preis-Genuss-Verhältnis erlebbar zu machen. Dabei verharrt man nie bei den Erfolgen, sondern ist ständig auf dem Weg nach noch höheren Qualitäten. Nicht nur die Kellertechnik wird laufend modernisiert, sondern auch bei den Methoden der Weinherstellung wird weiter diskutiert und experimentiert. Seit 2009 bestimmt auch Rossella Macchia, Begleiterin von Felice, mit großem Erfolg den Weg des Weinguts auf der kaufmännischen Seite und ist mittlerweile als General Managerin das Gesicht des Unternehmens.
Poggio Le Volpi erhält mit jedem Jahrgang Auszeichnungen in den höchsten Kategorien seit Weinpapst Luca Maroni seine Bestnote von 99 Punkten für den Bianco IGT Lazio Donnaluce 2011 als besten Weißwein Italiens und für den Rosso IGT Lazio Baccarossa 2010 als besten Rotwein Italiens vergeben hat. Hatte der Baccarossa 2015 im Gambero Rosso 2018 schon die berühmte 3-Gläser-Prämierung erbeutet, so verewigte sich Poggio Le Volpi mit dem Roma Rosso 2015 Edizione Limitata im Gambero Rosso 2019 endgültig in der absoluten Spitzen-Liga mit Weinen auf internationalem Niveau.
Auf dem Geländes des Weinguts hat das Unternehmen Poggio Le Volpi Wine & Food zwei Restaurationsbetriebe eröffnet: das zwanglose Bistro Epos Wine & Food, das Chefkoch Daniele Corona leitet, und das elegante, architektonisch einzigartige Gourmet-Restaurant Barrique, in dem 2-Sterne-Chef Oliver Glowig in exklusiver Atmosphäre kocht und oftmals ein ganzes Hochzeitsbankett ausrichtet.
Apulien ist eine gerade in den letzten zehn Jahren steil aufstrebende Weinregion mit enormem Potenzial. In den Weinbergen wachsen die meisten autochthonen Rebsorten Italiens, davon 80 % rote. Die Landschaft besteht aus Hochebenen und flachem Land, Gebirge gibt es hier nicht. Die Böden sind kalkhaltig im Untergrund und haben oftmals eine eisenoxidreiche Abdeckung, was den Reben gut gefällt. Die Sommer sind trocken und heiß, die Weine dunkel und opulent. Auf der Halbinsel Salento sorgt die Nähe des adriatischen Meeres im Osten und des Ionischen Meeres im Südwesten dafür, dass die Nächte abkühlen und die Alkoholwerte der Weine in einem Bereich bleiben, der die Hefen gerade noch am Leben lässt.
Wir konnten jeweils drei Weine von Poggio Le Volpi und Masca del Tacco verkosten.
2017 Roma DOC Rosso Poggio Le Volpi
Im Glas zeigt er sich in einem kräftigen, fast schon schwarzen Rubinrot. Er entfaltet sofort ein intensives fruchtbetontes Bukett von dunklen Kirschen und Brombeeren, mediterranen Gewürzen und diskreten Röstaromen mit kleinen balsamischen und floralen Richtungen hin zu roten Rosen. Am Gaumen überrascht er mit der Sanftmut seiner Tannine, was viel Raum für Frische und Saftigkeit lässt. Die Bukett-Aromatik kehrt zurück und wird ergänzt durch Noten von Holunder. Er ist perfekt ausbalanciert, nicht nur hinsichtlich der assemblierten Rebsorten, sondern auch, was die verhaltene Säure und die herrlich kühle Mineralität angehen. Ein kleines Potpourri aus Kräutern und Gewürzen wie Rosmarin, schwarzer Pfeffer, aber auch Mokka und ein Touch Vanille fließen locker über die Zunge. Im Abgang umarmen die weichen Tannine die Kraft und Frucht mit einem leicht süßlichen Ausklang. Ein extraktreicher, komplexer und vollmundiger Wein, der nicht nur handwerklich solide komponiert ist, sondern auch mit vornehmer Eleganz lockt. Der 2017 Roma DOC Rosso hat inzwischen eine geradezu legendäre Spur in der internationalen Weinszene hinterlassen, was die Auszeichnungen angeht: Das waren nicht nur zweimal Top Level Gold der Berliner Wine Trophy und die Silbermedaillen von Mundus Vini für die Jahrgänge 2016 und 2017, sondern vor allem die Bewertung durch Luca Maroni mit 98 Punkten für beide Jahrgänge. Hierzulande liebt man es bekanntlich, große Weine als Solisten zu genießen. Also, nur zu. Der 2017 Roma Rosso DOC beeindruckt aber auch zu einer im Ofen geschmorten Lammkeule oder zum Käsegang mit mittelreifen Sorten.
2015 Roma DOC Rosso Poggio Le Volpi Edizione Limitata
Wir haben den Wein in weiser Voraussicht gleich mal fast zwei Stunden vor der Verkostung karaffiert. Dann protzte er im Glas sogleich mit seinen vielfältigen Aromen von Kräutern, Gewürzen und Frucht. Wir entdecken Anis, Minze, Kardamom, etwas Thymian und Süßholz, dazu Brombeeren, Schwarzkirschen und Schwarze Johannisbeeren. Im Mund tummeln sich warme Geysire, die auch das Finale mit einer deutlichen Extraktsüße noch lange bedienen. Ein kerniger Wein, dessen offensive Tannine den Mund auskleiden, ohne aggressiv zu wirken. Das ist pure Kraft ohne Schnörkel, komplex und elegant zugleich. Ein voluminöser Wein, nichts für schwache Gaumen, sondern ein Rundumerlebnis, der den Genuss in ungeahnte Höhen schleudert. Er ist ein Kunstwerk zu einem Rehrücken mit Serviettenknödeln, Pfifferlingen und Preiselbeeren.
2017 Roma DOC Malvasia Puntinata Poggio Le Volpi
Wie etlichen großen Weißweinen ist ihm ein Rotweinglas vom Burgundertyp angemessen. Darin fühlt er sich wohl mit einem dichten Strohgelb und grünlich-goldenen Reflexen. Extrovertiert duftet er nach gelben Birnen, Orangenblüten, Zitrus, Akazie und Haselnuss, dazu Spuren von Minze und Zitronenmelisse. Am Gaumen hinterlässt er einen fantastischen Eindruck von grünen Äpfeln, von weißen Pfirsichen, Litschis, Limetten, Weißen Johannisbeeren und Melonen. Eine lebendige Säure und eine vornehme Würze leiten in einen ausgewogenen mittellangen Abgang mit fruchtig-mineralischen Eindrücken über. Ein ungemein saftiger Wein, aromatisch, süffig, einfach lecker. Das ist kein schnöder, belangloser Frascati-Typ, sondern ein frischer, weicher, ausdrucksstarker Malvasia, mit dem sich Familie Mergè um das Ansehen der DOC Roma verdient gemacht hat. Stellen Sie ihn zu einer großen Schüssel mit Rotgarnelen als Vorspeise hin oder ganz bodenständig zu Spaghetti alla Carbonara.
2017 Lu Rappaio Primitivo di Manduria Masca del Tacco
Der 2017 Lu Rappaio Primitivo di Manduria reifte für 10 bis 15 Monate in kleinen Fässern aus französischer Eiche. Rebsortentypisch dominieren auch in diesem Wein rote Beeren, blaue Pflaumen, Kirschkompott und Veilchen im ausladenden Bukett. Dazu kommen süßliche Nuancen von Lakritze, Zimt und etwas Vanille, die besondere Lust auf den ersten Schluck machen. Am Gaumen tritt der Wein mit Energie und einem fülligen, aber gut abgerundeten Körper auf, der eine geheimnisvolle Komplexität vermittelt, die zum Glück nicht von seinem wunderbaren Trinkfluss ablenkt. Er kehrt selbstbewusst seine süßlichen Fruchtaromen und Würze hervor und zeigt Druck und Länge. So kommen gerade im Finale die volle Fruchtigkeit und Saftigkeit perfekt zur Geltung und verabschieden sich mit einem schönen süßlichen Schmelz. Die gereiften Tannine machen keinen Krawall und unterstützen die feine Würze und die leichte Mineralik. Ein Wein mit einer gewissen eleganten Struktur, der eine angenehme Harmonie verbreitet. Diesem Wein können Sie ein gigantisches T-Bone-Steak mit Rosmarinkartoffeln auf den Teller knallen oder sich durch ihn in lockerer Gesprächsrunde einfach zum Genuss verführen lassen.
2015 Primitivo do Manduria Riserva DOP Li Filitti Masca del Tacco
Im Glas schwappt er nicht in einem dumpfen Dunkelton herum, sondern funkelt in einem vornehmen Rubinrot. Auch dieser Primitivo belebt die Nase mit dem Duft von Zwetschgen, Cassis, Brombeeren, Heidelbeeren, Zeder, Kakao und Mokka – das Bukett ist noch konzentrierter und intensiver als beim Lu Rappaio. Im Mund überschlagen sich die Fruchtnoten von dunkelblauen Pflaumen, Schwarzen Johannisbeeren, Brombeeren, Schwarzkirschen und Heidelbeeren, alles umrahmt von einer tollen, teilweise leicht balsamischen Würze. Die weichen, gut strukturierten Tannine und die lebendige Säure sorgen zusammen mit der distinguierten Mineralik und der deutlichen und gut passenden Restsüße für ein herrliches, langanhaltendes Finish. Ein herausragender Primitivo mit gut dosierter Kraft, vollem Extrakt und üppigem Körper, der facettenreich und fast cremig den Mund ausschmückt. Reichen Sie diesen Wein zu geschmorten Rinderrouladen mit Rotwein-Sahne-Soße, Rotkohl und Salzkartoffeln. Er macht auch außerhalb eines Speisepairings jeden Abend zu einem unvergesslichen.
Wir bleiben im Superweinjahr 2015 und nähern uns dem Spitzen-Primitivo von Masca del Tacco. Er reifte für neun bis zwölf Monate in großen Holzfässern und weitere sechs Monate auf der Flasche.
Im Glas fügt der Wein dem glänzenden Rubinrot leichte Granatreflexe hinzu. Die Nase verführt er mit einer explosiven Aromatik von schwarzen und roten Beerenfrüchten, reifen Kirschen, Veilchen, roten Nelken und einer kleinen Prise vom schwarzen Pfeffer nebst einem Wölkchen Kakao. Wir schmatzen lange auf der Bukettaromatik herum und schmecken obendrein Lakritze, dunklen Tabak und einen Schuss Cola. Spitzenqualität aus Apulien mit einer vollendeten Harmonie aus überraschender Frische und geschliffener Eleganz. Im langen Abgang verfolgen uns noch lange die polierten Tannine und die süffige Fruchtfülle. Der Wein ist aus Trauben von uralten Rebstöcken gemacht, was ihm einen enormen Extrakt verschafft, der zusammen mit der typischen Süßlichkeit der Rebsorte seine Kraft und Feurigkeit bestimmt. Dass ein sehr hoher Alkoholgehalt ebenso wie energische Tannine bei fachmännischer Sorgfalt im Weinberg und im Keller ausgewogen untergebracht werden können, zeichnet die großen Rotweine Apuliens aus, was dieser Wein eindrucksvoll belegt. Er steht wie kaum ein anderer Primitivo di Manduria für das einzigartige Terroir seiner Herkunft.
05.04.2019
alle Fotos: © Poggio Le Volpi
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