An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Celler de Capçanes in Katalonien: Die unmögliche Geschichte vom
Weg in den Weinhimmel
Wir befinden uns im Jahr 2019 nach Christus. Ein von unbeugsamen Katalanen bevölkertes Dorf hört nicht auf, immer bessere Weine zu erzeugen und den großen Herrschern aus der Rioja und dem Penedès Widerstand zu leisten: So ungefähr könnte die Geschichte von einer der berühmtesten spanischen Weinkooperativen beginnen – augenzwinkernd und mit einer Beziehung dazu, dass ein Teil der Weine in Papier mit Comic-Zeichnungen eingewickelt ist.
Capçanes heißt das kleine, in einem hochgelegenen Bergtal versteckte Dorf und Celler de Capçanes die legendäre Genossenschaft. Das Dorf entstand 1620 als schmächtiges Bollwerk gegen marodierende Plünderer, vor denen die seit den Römern hier herrschenden Kartheuser-Mönche keinen Schutz brachten. Capçanes lebte von Anfang an vom Wein. Anfang des 20. Jahrhunderts, nach der Industrialisierung der Küstenregion, leerte es sich durch Abwanderung von rund 2.500 auf etwa 400 Bewohner. Die bewirtschaftete Weinbaufläche reduzierte sich von 1.000 auf 200 Hektar. Im Zuge der aufkommenden Vergenossenschaftung gründeten 1933 fünf Winzerfamilien die Celler Cooperatiu de Capçanes, um im Wettbewerb mit den damals bereits namhaften Weinen aus dem Priorat bestehen, wenn nicht gar auftrumpfen zu können. Capçanes liegt in der Provinz Tarragona, rund 160 km südsüdwestlich von Barcelona, und ist weinbaumäßig umzingelt vom angesehenen Gebiet Priorat. Die neu gegründete Kooperative stellte auf den über die Capçanes-Täler weit verstreuten Höfen in mühsamer Handarbeit fast ausschließlich Tankweine für den Alltag und für die ansässige Gastronomie her. Schon bald lieferte man an die großen spanischen Weinkellereien bis zu einer Million Liter jährlich. Der Wein hatte einen guten Ruf: Die Rebstöcke in den Bergen spendierten fruchtige, komplexe, farbintensive und öchslestarke Weine, die vielen Weinen des ach so berühmten Priorats im Cuvée auf die Sprünge halfen.
Ab 1985 ließ sich die Kooperative darauf ein, statt der Tankweine überwiegend nur noch die Traubenernte an die listigen Négotiants von auswärts zu liefern, so dass das Dorf jegliche önologische Identität verlor. Erst Anfang der 90er Jahre begann man auf Flaschenwein-Erzeugung umzustellen, die Winzer nicht mehr nach Menge, sondern nach der Qualität ihrer Trauben zu bezahlen und eigene Weine mit Reifung im Barrique herzustellen. 1995 war dann Schluss mit der Ausverkauf der Ernte. Allerdings wirtschaftete man stets am Rande des Ruins. Zu dieser Zeit kam eine Anfrage der jüdischen Gemeinde in Barcelona, die seit Jahrzehnten eine Kellerei suchte, um koschere Weine herstellen zu lassen. Da die Dorfbewohner es seit jeher gewohnt waren, das zu machen, was keiner sonst schaffte, begann man koschere Weine zu erzeugen. Das führte zu einer verhältnismäßig gigantischen Investition, für deren Kredite etliche Mitglieder der Genossenschaft mit ihren Grundstücken und Häusern bürgten. Musste doch, um nach den strengen „Lo Mebushal“-Regeln koscher vinifizieren zu können, die gesamte Kellertechnik modernisiert und teilweise doppelt angeschafft werden.
Wesentlichen Anteil an diesem Erfolg hatte ein junger Mann aus Heidelberg, der in den 90er Jahren erst in Geisenheim und dann in Tarragona Önologie studiert hatte und 1999 für einen deutschen Weinimporteur als Einkäufer nach Capçanes kam: Jürgen Wagner. Er wurde von der Kooperative engagiert, fungierte jahrelang als einer der beiden Kellermeister und konzentriert sich heute auf die Funktion des Exportmanagers, der bei Tastings und Messen in der ganzen Welt präsent ist. Jenseits aller Funktionen ist Jürgen Wagner seit 25 Jahren so etwas wie der gute Geist des Dorfes. In Spanien war man überrascht, wie es ihm als jungem Deutschen zusammen mit dem ebenfalls jungen Önologen Angel Teixido über Jahre gelang, die verschiedenen Interessen der urkatalanischen Mitglieder im Ergebnis beständig solidarisch in Richtung von Topweinen zu lenken, die Stilistik maßgeblich zu beeinflussen und die Erfolge von Celler de Capçanes immer weiter zu steigern. Immerhin ist der Weinmarkt in Spanien hart umkämpft. Etliche industriemäßige Großkellereien bestimmen den Export und jeder katalanische Produzent muss sich in Deutschland extrem anstrengen, seine Topweine auf die Karten der Gastronomie oder die Bestelllisten von Weinfreunden zu bringen. Doch Jürgen Wagner hatte Großes zu bieten. Das generelle Negativimage von Genossenschaften konnte er stets mit einer kleinen Probe der Weine von Celler de Capçanes schnell und überzeugend aus dem Weg räumen. Außerdem bot er ein vernünftiges Preis-Genuss-Verhältnis, das einerseits im Sinne der Fair Trade Idee die Arbeit der Winzer und der Kooperative angemessen vergütete, andererseits vom Budget des Weintrinkers nicht mehr forderte, als dem Weinerlebnis adäquat war.
Es gelang ihm über die Jahre, die Kooperative mit ihrer lokalen Identität als einer der Spitzenerzeuger Spaniens zu positionieren. Heute werden etwa drei Viertel der Produktion in über 40 Länder exportiert. Jürgen Wagner packt das alles mit einer kreativen Energie an und wirkt in einem geradezu verschworenen Team mit, das immer glaubt, dass alles gut wird. Francisco Perello koordiniert als Direktor die Abläufe in den Weinbergen und im Keller. Seit 2013 gehört zum Team die katalanische Önologin Anna Rovira, die in Frankreich und Tarragona studiert und zunächst im elterlichen Weingut geprobt hatte. Seit 2016 ist sie verantwortliche Chefönologin von Celler de Capçanes. Sie hält die gestandenen Winzer ebenso wie die Kellermeisterkollegen in Schwung mit ihren talentierten Ideen und ihrer Neugier auf schöpferische Weinkreationen voller Eleganz und Finesse. Es macht ihr Spaß, mit den Weinen im wahrsten Sinne des Wortes nach den Sternen zu greifen. Mit ihren barrique-ausgebauten Rotweinen wurde sie vom Genussmagazin 'Selection' zur Winzerin des Jahres 2018 gekürt. Eines der wichtigsten offenkundigen Geheimnisse von Anna und Jürgen ist die Weichenstellung am Mainstream vorbei. Auch Fachverkoster sind überrascht, wenn sie einen spanischen Wein im Glas haben, der nicht mit Holz klotzt, sondern mit Frucht, Eleganz und herkunftstypischer Vollmundigkeit überzeugt und bei dem das Barrique nur eine hochfeine geschmackliche Stellschraube ist und nicht benutzt wird, um mittelmäßige Weine mit einer Qualitätsvermutung zu versehen.
Anfangs gehörte Capçanes weinbaumäßig zur Subzone Falset des Weinbaugebiets DO Tarragona. Mit dem Jahrgang 2000 wurde die Bergregion Falset von den Flachlagen der DO Tarragona getrennt und als neu gegründete DO Montsant ausgewiesen. Damit entstand die ungewöhnliche Situation, dass mitten im altehrwürdigen Weinanbaugebiet Priorat eine eigenständige DO geschaffen wurde. Zum Trost erhielt der Priorat 2001 den Status der höchsten spanischen Herkunftsbezeichnung DOCa, mit dem sich landesweit sonst nur das Anbaugebiet Rioja schmücken darf. Die Celler Cooperatiu de Capçanes hat heute 80 Mitglieder, die zum großen Teil zusammen mit ihren Parzellen aufgewachsen sind und sie dann von ihren Eltern geerbt haben. Mit Stolz halten sie an der Idee der Genossenschaft fest, in der sie ihre eigenen Weinberge pfleglich und individuell bewirtschaften und das Beste daraus machen können. Ihr Vertrauen in die gemeinschaftliche Vinifizierung und Steuerung wird alljährlich materiell durch die Absatzzahlen und emotional durch ruhmreiche Auszeichnungen bestätigt.
Die von den Winzer-Genossen bewirtschaftete Rebfläche von rund 250 Hektar verteilt sich zu einem großen Teil auf Miniparzellen mit kargen, steinigen, Jahrhunderte alten Terrassenanlagen und Steilhängen, die vielfach von Wald umgeben sind. Sie erstrecken sich in 150 Meter bis knapp 600 Meter Meereshöhe amphitheaterförmig über drei Capçanes-Täler. Die Böden reichen von Sand über ton-, kalk- und lehmhaltiges Terrain mit Schiefer und Granitanteilen. Die Vielfalt eröffnet die Möglichkeit, Weine zu kreieren, die ganz spezifische Eigenschaften des Bodens abbilden. Seit kurzem ist das mit der neuen Linie der Terroir-Weine auch genutzt worden. Die Weinberge sind nur zu einem ganz kleinen Teil mit weißen Rebsorten wie Garnacha blanca, Chardonnay und Macabeo bestockt, zum weitaus größten Teil jedoch mit roten Sorten. Davon ist die Hälfte Garnacha, gefolgt von 20 % Cariñena (katalanisch Samsó) sowie Tempranillo, Carignan, Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah. Die Rebstöcke sind durchschnittlich 30 Jahre alt, es gibt aber auch Anlagen mit Garnacha und Cariñena, wo über einhundert Jahre alte Reben stehen. Die Ernte erfolgt ausschließlich manuell mit einer ersten Selektion im Weinberg und einer zweiten im Keller. Mitte 2001 wurde ein neuer Barriquekeller mit 1.800 Eichenfässern bestückt, der 2008 ein spezielles Befeuchtungssystem bekam. 35 ha der Weinberge sind heute ökologisch bewirtschaftet und von der CCPAE (Consejo Catalán de la Producción Agraria Ecológica) zertifiziert.
Wir konnten sechs Weine von Celler de Capçanes verkosten.
2018 Mas Picosa de flor en flor
Im Glas sehen wir den Wein in einer klassisch kirschroten Farbe mit violetten Rändern. Er duftet feinfruchtig, blumig und würzig, floral eher quer durch den Wald als quer über die Wiese. Punktuell erscheinen feine Schleier von Kirschen, Roten Johannisbeeren und Granatapfel, also mehr aus der roten als aus der dunkelblauen Fruchtrichtung. Im Mund tritt er erwartungsgemäß fruchtbetont im wahrgenommenen Aromenspektrum auf mit einer kleinen Ergänzung Richtung Erdbeere. Er überrascht auf der Einstiegsebene mit einer kompakten, konzentrierten und ausgewogenen Struktur. Dabei zeigt er genau die sanften, süßlichen Tannine und die milde Säure vor, die zu seiner jugendlichen Leichtfüßigkeit passen. Das soll schließlich kein Wein für die Schatzkammer sein, sondern Trinkvergnügen auf hohem Niveau. Im Abgang zeigt er sich frisch und saftig und lässt auf den nächsten Schluck hoffen. Mit dem Wein kann man Party machen, mit und ohne Barbecue. Oder Sie verschönern mit ihm eine Tapas-Kollektion oder ganz stilecht Sepia á la plancha oder ganz schnöde Fernsehen mit Pizza.
2017 Mas Collet Selecció
Aus dem Glas machen sich als erstes würzige Röstaromen auf und davon. Dann eilen markante Nuancen hinterher von Brombeeren, dunklen Kirschen, Schwarzen Johannisbeeren und reifen Zwetschgen inklusive einem pikanten Touch von buntem Pfeffer und Würze. Zuletzt schaffen es noch Töne von Zedern und blondem Tabak. Im Mund breitet sich eine geschmeidige Harmonie aus. Die Holztöne halten sich angemessen diskret im Hintergrund, kleine Eindrücke von Süßholz und Vanille tauchen auf, die Tannine sind gut untergebracht. Frucht und Säure sind friedlich vereint, ganz besonders im prachtvollen, langen, fast cremigen Abgang, in dem sich nochmals feine, vanillige Röstaromen melden. Ein kraftvoller Rotwein mit komplexen Eindrücken in der Nase und am Gaumen. Eigentlich können Sie diesen Wein zu allem servieren, zu dem Sie rot ziehen würden – auch zu Seefisch an kräftig gewürzten Zucchini oder deutlich konventioneller zu Kaninchenbraten aus dem Ofen. Wenn es Ihnen lieber katalanisch vorkommen möchte, reichen Sie den Mas Collet zu einer Paella Catalunya mit Safran, aber ohne Meeresfrüchte, stattdessen mit allem, was in der Küche gerade so rumliegt . Aber ersparen Sie ihm unbedingt das üblich verdächtige Duroc-Schwein.
Das ist bereits eine Weinqualität, mit der auch international Sternchen und Punkte abgeräumt werden können. Er belegt wieder einmal eindrucksvoll, dass man bei Top-Weingütern die Qualität des Sortiments vor allem oder jedenfalls schon an den Basisweinen erkennt, die sonst häufig vernachlässigt werden. Beim Herumschmatzen mit diesem Wein kommt einem dann ganz sicher eines in den Sinn: Wenn das die Basis ist, wie geht es dann weiter?
2017 La Nite de les Garnatxes Limestone/Calissa
Was kommt in der Nase und am Gaumen an, wenn man die gleiche Rebsorte auf verschiedenen Böden anbaut und in möglichst gleicher Weise vinifiziert? Meistens gibt der Schiefer den Trauben eine sehr charakteristische Mineralik mit, der Kalk wiederum eine andere. Kalk kann das Wasser zwar nicht so gut speichern wie Ton, am respektlosesten aber ist der Sand. Er lässt das Wasser in die Tiefe rauschen und die Wurzeln der Reben müssen sich beeilen, hinterherzuwachsen. Dafür transportieren sie reichlich Quarzmineralik in die Trauben. Jeder der Weine wurde 28 Tage lang bei 24 bis 28° C im Stahltank vergoren und dann für vier Monate in gebrauchten, medium getoasteten 500 Liter Fässern aus französischem Holz ausgebaut. Es sollten keine Ecken und Kanten den Vergleich der Terroirs stören. Von jeder Sorte der vier Garnacha-Terroirweine werden 4.000 Flaschen abgefüllt. Die Spannung wird vor dem Genuss erst mal noch verlängert, weil jede Flasche der Serie individuell in Papier mit einem kleinen Comic-strip eingewickelt ist, der auf englisch und selbsterklärend vergnüglich die Story rund um Boden und Weinherstellung erzählt. Die auftretenden Protagonisten sind übrigens das Team von Celler de Capçanes mit Jürgen Wagner vorweg.
Als erstes haben wir den Garnacha vom fossilreichen Kalkstein im Glas, er glänzt in einem dunklen Kirschrot. Ungeduldig strömen die Aromen aus dem Glas: Offensiv, extrovertiert und selbstbewusst. Es sind florale Ausprägungen von Blumen, Unterholz und dunklen Kirschen. Auf der Zunge öffnet der Wein sich mit jedem kleinen Schluck weiter und bedankt sich für die Geduld mit einer vielschichtigen, komplexen Struktur, leicht, locker und herrlich mineralisch mit einem freundlichen floralen Touch. Er ist erstaunlich weich mit wenig Tanninen, dafür präsentiert er die üppige Frucht des Garnacha, viel Frische und ein enormes Volumen, das den nicht enden wollenden Abgang ausfüllt. Es muss eben nicht immer Weißwein vom Kalk sein, auch in rote Weine bugsiert Kalk intensive Fruchtaromen und Frische. Ein Wein mit Eleganz und einem wunderbaren Trinkfluss. Er passt zu vielerlei Speisen, am besten ist es natürlich, seine Eigenarten in einer kleinen Vergleichsverkostung mit den drei anderen Terroirweinen zu entdecken.
2017 La Nite de les Garnatxes Slate/ Llicorella
Im Glas funkelt der Wein kirschrot und stellt sich mit deutlich mineralischen Tönen vor. Weniger helle als vielmehr dunkle Fruchtaromen beherrschen das komplexe Bukett. Einige rauchige und leicht balsamische Noten schweben herum. Im Mund schmiegen sich spontan feinkörnige, trockene Tannine an, die jedoch bereitwillig die energischen Geschmacksaromen von Kräutern wie Lorbeer und Zimt und eine ganze Wildblumenwiese durchlassen. Die zurückhaltende Säure umspielt eine angenehme Primärfruchtigkeit mit Kirschen, Schwarzen Johannisbeeren und Feigen nebst einer winzigen Nuance von Mokka. Im langen Finish bringt er seine Eigenarten noch einmal klipp und klar in Erinnerung. Selbst wenn man die Terroirweine nicht vergleichend verkostet, merkt man dem Schiefer-Garnacha am deutlichsten an, dass Terroir schmeckbar ist. Ein sehr markanter, ausdrucksstarker, vollmundiger und gleichwohl eleganter Wein, der ungeniert und urwüchsig in jedem Schluck seinen besonderen Charakter präsentiert. Er ist der Kraftprotz unter den Garnacha-Terroirweinen. Wenn Sie in der Crossover-Verkostung mit den anderen Garnacha-Weinen die Terroirs herausgeschmeckt haben, dann können Sie sich und dem Schiefer-Garnacha zur Belohnung noch eine Lamm- oder Hirschkeule gönnen.
Nun also der berühmte koschere Wein von Celler de Capçanes, die „Frühlingsblume“, von dem es jährlich 7.500 Flaschen gibt. Nach den hebräischen Gesetzen und in der jüdischen Religion ist Wein von großer Bedeutung und erfordert eine ganz spezielle Behandlung vom Weinberg bis zum Ausbau. Der Jahrgang 2016 wurde von den Rabbinern Nachum Rabinowitz und Akiva Katz betreut. Der Peraj Ha'abib ist eine Cuvée aus 50 % Garnacha, 30 % Cabernet Sauvignon und 20 % Samsó. Die terrassenförmig angelegten, 35 bis 95 Jahre alten Weinberge befinden sich in 180 bis 550 Meter Meereshöhe und haben einen ton- und granitdurchsetzten Boden. Ähnlich wie beim gemischten Satz werden für den Peraj Ha'abib die Trauben der drei Rebsorten gemeinsam vinifiziert. Nach einer 29tägigen Mazeration und der Gärung mit natürlichen Hefen reifte der Wein ein Jahr lang in neuen und zweitbelegten französischen Barriques mit leichter bis mittlerer Toastung, danach noch drei Monate in Stahltanks – eine Methode, die im Keller der Kooperative generell sehr verbreitet ist. Im Übrigen keine Enzyme, keine Schönung, nur leichte Filtration, keine Kälte-Stabilisierung. Die koschere Produktion macht bei Celler de Capçanes 10 % aller Weine aus.
Koscherer Wein
Koscher bedeutet auf Hebräisch "rein". Die Arbeit im Weinberg und die Traubenlese muss aber nicht ein Rabbiner leisten, weil die Trauben bzw. der Most durch die alkoholische Gärung noch „gereinigt“ werden. Die Rebstöcke für die Weine müssen mindestens vier Jahre alt sein. Im 7. Jahr, dem Sabbatjahr, muss der Weinberg ruhen und es dürfen keine Trauben geerntet werden. Chemische Pestizide sind tabu, zwei Monate vor der Weinlese darf nicht mehr gedüngt werden.
Beim „Lo Mebushal“-Verfahren darf der Wein auf keinen Fall mit „Unreinem“ im jüdisch-koscheren Sinn in Kontakt kommen. Nicht einmal in visueller Form, nicht einmal mit dem Önologen der Kooperative. Im Keller dürfen ausschließlich Rabbiner tätig werden. Für seine Abwesenheit versiegelt der Rabbi jedes Instrument der Weinherstellung in dem abgetrennten Produktionsbereich durch eine Folie mit seinem persönlichen Siegel und Unterschrift mit Datum. Allerdings erklärt der Kellermeister dem Rabbi genauestens den Ablauf der Weinbereitung und kontrolliert die Entwicklung an einem nichtkoscheren Parallelfass. Auf diese Weise hat Jürgen Wagner jahrelang Weine gemacht, die er nicht berühren und nicht sehen durfte.
Die gesamte Vinifikation erfolgt in einem abgetrennten Bereich, die als koscher zertifizierten Tanks und Eichenholzfässer sind verplombt bzw. versiegelt. Einzig die Edelstahltanks werden für koschere und nichtkoschere Weine verwendet, da sie mit Dampf sterilisiert werden können. Ansonsten müssen alle Gerätschaften wie Pumpen, Schläuche oder Filter in zweifacher Ausführung vorhanden sein, um die absolute Trennung vor, während und nach der Weinbereitung zu gewährleisten. Außerdem ist die Verwendung von Reinzuchthefen, Enzymen oder Bakterien ebenso wie Milch- und Gelatineschönung untersagt. Die koscheren Weine sind dadurch Naturweine und gleichsam automatisch vegan, was momentan modern und nachgefragt ist.
Im Glas strahlt der Wein uns in einem satten Rubinrot mit violetten Reflexen an. In der Nase platzieren sich sofort intensive Röst- und Kräuternoten und Aromen von reifen roten und einigen dunklen Früchten wie Kirschen, Roten Johannisbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren und Brombeeren, dazu Süßholz und Rosen. Der Gaumen wird überrascht von einem vielschichtigen Gesamtkunstwerk, das man mit komplex eher untertrieben beschreiben würde. Der Wein ist dicht, tiefgründig und voluminös und dank einer aktiven, aber eingebundenen Säure gleichwohl erstaunlich mineralisch frisch, was ihn sogar etwas leicht wirken lässt. Er trumpft geschmacklich mit Pflaumen, Schwarzen Johannisbeeren, Brombeeren und Kirschen auf. Die warme, süßliche Würze, der Extrakt der alten Reben und die Holztöne sind perfekt und ausgewogen vermählt. Die Tannine sind sehr fein und machen keinen Krawall am Gaumen. Kleine Noten von Rauch, Kaffee und Vanille steigern die Raffinesse. Er klingt stark, endlos lange, zart extraktsüß und enorm körperreich nach. Karrafffieren Sie ihn zwei Stunden vor dem Genuss und servieren Sie ihn im größten Weinglas, das Sie haben. Es ist ein festlicher Wein mit großem Alterungspotenzial. Selbstverständlich ist das nicht nur ein Wein für die jüdische Gemeinschaft, sondern eine Köstlichkeit für alle. Im Speisen-Pairing kann das Wild auf dem Tisch gar nicht groß genug sein, er gefällt aber auch zu einem Lammragout oder zu einem affinierten Käse. Koscherer Wein hat bekanntlich seit 1995 Tradition bei Celler de Capçanes. Der Peraj Ha'abib Flor de primavera ist wohl einer der besten koscheren Weine, die es weltweit gibt.
2016 Cabrida Garnatxa Old Wines
Aus dem Glas duften schwarze Kirschen, dunkelblaue reife Pflaumen, Waldheidelbeeren, Schwarze Johannisbeeren, Kakao, Zeder, rote Rosen und ein mittleres Gewürzregal mit schwarzem Pfeffer, Lakritze, Nelke, Vanille, ein wenig Karamell und Spuren von Marzipan. Am Gaumen macht der „Viña Vieja“ Druck und verbreitet eine explosive Energie aus der eher kühlen Richtung, womit er unglaublich frisch wirkt. Die Primärfrüchte des Buketts breiten sich dicht und mächtig aus. Mit zunehmender Belüftung kommen balsamische Töne zum Vorschein. Die schöne Säure ist quicklebendig, die Tannine sind kräftig, aber nicht plump und begleiten ein langes, stabiles, hochkonzentriertes Finale. Der Wein ist wunderbar ausgereift und ausbalanciert, die 15 Volumenprozent Alkohol dominieren den Geschmack keineswegs, sondern umkreisen eine herrlich saftige Glycerinsüße. Ein edler, lebendiger, finessenreicher Garnacha-Nektar mit imposanter Eleganz. Er ist der geborene und erkorene noble Star für einen besonderen Anlass, der auch im Öffnen einer Flasche bestehen könnte.
18. April 2019
alle Fotos: © Celler de Capçanes
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