An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Die Tenuta Secolo IX: Authentische Qualität aus den Abruzzen
Abruzzo - das „wilde Gebirge“ mit dem bis zu 2.900 m hohen Gran Sasso Massiv liegt zwischen dem Gebirgszug Apennin im Westen und der Adriaküste im Osten. Die Region Abruzzi mit der Hauptstadt L’Aquila ist in die Provinzen Chieti, L’Aquila, Teramo und Pescara gegliedert. Die Abruzzen grenzen im Westen an Latium, im Norden an Umbrien und Marken und im Süden an Molise. Hier in der Mitte Italiens erstreckt sich entlang der 150 km langen Küstenregion und einer dahinter liegenden hügligen Zone das Weinanbaugebiet der Abruzzen, das knapp 6 % der Weinproduktion Italiens liefert. Hier wurde der Weinbau erstmals von den Etruskern im 6. bis 5. Jahrhundert v. Chr. eingeführt. Im 4. Jahrhundert kultivierte man bereits die süße Rebsorte „Apianae“, die dem Muskateller ähnelt. Noch immer gehören die Abruzzen zu den eher unbekannteren Weinbauregionen Italiens. Doch keine andere Region hat sich in den letzten Jahren bezüglich der Qualität der Weine so stark weiterentwickelt wie die Abruzzen. Seit der Reform 2011 gibt es im den Abruzzen acht DOC- und ein DOCG-Gebiet sowie neun IGT-Gebiete.
Die traditionelle weiße Massen-Traube der Abruzzen, die Trebbiano d’Abruzzo, wird inzwischen vielfach verdrängt von der Passerina, der Cococciola und der Pecorino, alles autochtone Rebsorten, die hier schon vor zweihundert Jahren angebaut wurden und vor dreißig Jahren fast verdrängt waren. Die modernen Rotweine kommen von den perfekt in die Region passenden Montepulciano-, den Sangiovese- und den Aglianico-Trauben. Dabei darf der Wein Montepulciano d'Abruzzo aus der gleichnamigen Rebsorte nicht verwechselt werden mit dem völlig andersartigen Vino Nobile di Montepulciano aus dem Ort Montepulciano in der Toskana, der vorwiegend aus Sangiovese Trauben gemacht wird.
Im Herzen der Abruzzen am Fuße des Berges Morrone befindet sich direkt an der Landstraße Contrada Vicenna, unweit der Strada Procinziale 70, die Tenuta Secolo IX. Sie gehört zu der kleinen 850-Einwohner-Ortschaft Castiglione a Casauria, die wenige Kilometer westlich des Städtchens Torre de’ Passeri in der Provinz Pescara liegt. Der Name Tenuta Secolo IX bezieht sich auf die etwa 871 errichtete, nahe gelegene Abtei San Clemente a Casauria, ein nationales Denkmal und eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Abruzzen. Sie wurde einst aufgrund ihres kulturellen Einflusses und ihrer wirtschaftlichen Macht den Abteien von S. Vincenzo al Volturno und Montecassino gleichgestellt. Das Rosetten-Emblem mit dem radialen Muster, das man im Auftritt der Tenuta Secolo IX und auf den meisten Etiketten sieht, stammt von einer bildhauerischen Darstellung, die insbesondere im steinernen Tympanon über dem Eingangsportal der Abtei zu sehen ist.
Der weltgewandte Automatenunternehmer Fioravante Allegrino übernahm vor einigen Jahren die lange zuvor von Angelucci gegründete jedoch verwaiste Tenuta und machte sie mit seinem Geschäftssinn und unter Einbindung von Kennern des Gebiets zu einer der erfolgreichen neuen Weingüter der Abruzzen. Es gelang Fioravante Allegrino als Kellermeister den bekannten Önologen und Agrarwissenschaftler Romano D'Amario zu gewinnen, der einst einem Klon des Montepulciano d'Abruzzo seinen Namen gegeben hat. Dazu stieß der Winzer Donato di Tommaso, der noch heute die Betriebsabläufe dirigiert. Mit enormen technologischen Investitionen wurde die Grundlage für eine moderne Weinerzeugung auch kritischer Sorten mit neuesten Ausbaumethoden geschaffen, insbesondere zur Herstellung großer Muskatweine. Fioravante Allegrino hat sich damit einen Traum wahr gemacht, der ihn stets an seine Kindheit erinnert, als er bei seinem Großvater auf dem Land die Kraft der Erde unter seinen nackten Füßen gespürt hat. Heute ist es die Erde in den Weinbergen, die sein Leben bestimmt, das er mit Begeisterung und Leidenschaft dem Weinbau widmet, wobei seine besondere Passion der Moscato-Rebe gilt.
Angebaut werden in den Weinbergen der Tenuta Secolo IX ganz überwiegend einheimische Rebsorten wie Pecorino, Moscato Bianco, Moscatello und Montepulciano. Man setzt auf naturnahe Bewirtschaftung der Rebflächen und auf nachhaltige Methoden, die respektieren, was die Eigenheiten der Landschaft und der Natur hier auszeichnet. Beim Ausbau der Weine will Fioravante Allegrino den optimalen und authentischen Ausdruck des Terroirs und der Rebsorten erreichen. Mit Erfolg stemmt er sich dagegen, dass seine hochwertigen Weine in den Supermarktketten auftauchen.
Wie jedes traditionelle Weingut in Italien stellt die Tenuta Secolo IX auch eigene Olivenöle her. Die 650 Olivenbäume stehen verteilt von den Hügeln der Coste San Felice bis zur Hochebene von Contrada da Vicenne. In den steilsten und höchsten Lagen stehen die uralten Bäume mit alten einheimischen Sorten. In den mittleren Höhenlagen gibt es mehr als zehn Jahre alte Olivenbäume mit einheimischen, alten und überregionalen Sorten. In den meisten Tälern stehen indes noch junge Olivenhaine mit den heute verbreiteten Qualitätssorten. Jede Olivensorte liefert ein hochwertiges Öl mit einem individuellen, ausgeprägten Charakter, in dem sich wie beim Wein das Terroir und die Olivensorte widerspiegelt.
Wir konnten fünf Weine und ein Olivenöl der Tenuta Secolo IX verkosten.
2017 Cerasuolo d'Abruzzo DOC
Im Glas sehen wir ein purpurmäßiges, kräftiges Kirsch-Himbeer-Rosa. In der Nase haftet sich ein reichhaltiges Fruchtbukett von feinen Beerennoten an: Himbeeren, Brombeeren, Rote Johannisbeeren. Hinzu kommt ein Touch reifer Maraska-Kirschen und roter Rosen. Wir entdecken sogar einen kleinen Hauch von roter Paprika und Rhabarber, der durch eine überraschende winzige Vanillespur abgefangen wird. Im Mund breitet sich die typische sommerlich-fruchtige Frische und Saftigkeit des Cerasuolos aus. Dabei wird der Geschmack interessanter Weise eindeutig von Rotwein-Eigenschaften bestimmt, was beim Rosé anderer Gebiete eher die Ausnahme ist. Er wirkt vollmundig und dynamisch, trocken aber fruchtig. Die Säure ist lebendig und begleitet einige wärmende Gerbstoffe in einen langen Abgang, in dem kleine Mandeltöne auftauchen. Der Wein lockt mit komplexen Nuancen und ist doch leicht und zärtlich. Er muntert mit Eleganz die Sinne auf und erfreut durch seinem angenehmen Trinkfluss. Servieren Sie ihn je nach Anlass und Geschmackserwartung entweder mit 11° oder mit 17° C. Auf jeden Fall passt er gut zu einer Meeresfrüchte-Pasta oder einem Perlhuhn aus dem Ofen.
2017 Pecorino Colline Pescaresi IGT
Im Glas funkelt der Wein strohgelb und sendet grasgrüne und goldene Reflexe aus. Es duftet aus dem Glas nach vollreifen Birnen und Mango, nach gelben Äpfeln, nach Gewürzen mit balsamischen Noten, nach Akazienblüten, etwas Jasmin und etwas Wiesenhonig. Am Gaumen trifft eine aktive Säure auf herrliche mineralische Komponenten und vereint sich mit etlichen Primärfruchtaromen einschließlich eines Hauchs Limette zu einer Harmonie, die dem Wein eine besondere Eleganz verschafft. Im langen, würzigen Finale kommt die feine Frische saftig zum Ausdruck. Ein lebendiger Wein, der gerne italienischen und französischen Weichkäse oder einen Fischauflauf im Stil der Abruzzen begleitet.
Moscato Bianco ist eine in vielen Regionen Italiens verbreitete Rebsorte. Die weiße Varietät ist am wertvollsten; Ihr Name stammt von Muscum (Moschus) ab und drückt die intensive und süßliche Aromatik aus. Auch dieser Wein ist nach den Angaben des Weinguts in der gleichen Art wie der Cerasuolo und der Pecorino vinifiziert.
Der Wein zeigt sich mit einer strohgelben Farbe. Sein Bukett entwickelt sich intensiv aromatisch, duftig und ganz leicht moschusartig, aber keineswegs aufdringlich oder plump. Er sendet florale Noten von Wildblumen und Jasminblüten aus und verwöhnt die Nase mit einem kleinen, aber feinen Pfirsichduft, Zitrus und einem Hauch von Vanille. Am Gaumen kommt er frisch, klar und fruchtig an mit einer sanften Süße und einem charaktervollen pikant-trockenen, an Ingwer erinnernden nachhaltigen Finish. Dass diese Richtungen nicht untergehen, haben wir der lebendigen Säure im Vordergrund und der modernen mineralischen Salzigkeit im Hintergrund zu verdanken. Ein genussvoller, markanter Wein, der überzeugend belegt, dass ein Moscato nicht immer ein triefend süßer Wein sein muss. Er dürfte am Tisch eine Vorspeise mit rohem Heilbutt, eine Suppe mit Gemüse der Saison oder eine deftige Portion Spaghetti mit Muscheln beeindrucken. In der Saison ist er auch ein galanter Begleiter von weißem Spargel. Jenseits jedes Menüs wird er Ihnen als perfekter Weißwein auf der Sommerparty aus den Händen gerissen werden.
2012 Moscatello Passito Colline Pescarese IGT
Schon farblich signalisiert der Wein durch sein leuchtendes, bernsteinartiges Goldgelb die angekündigte Fruchtsüße. Sein Bukett entfaltet sich sofort stürmisch und üppig. Dabei machen etliche getrocknete und kandierte Früchte die Musik: von Aprikosen über Feigen bis zu Papayas und Zitrus. Immer wieder schweben auch Hollunderblüten und ein Hauch weißer Pfirsich und Zeder aus dem Glas. Wir schmatzen auf einer süßlich energischen Fülle aus reifen Früchten mit Zitrus- und Ananaskomponenten herum, die dank der unerwarteten schönen Säurestruktur und dem mineralischen Einschlag eine herrliche Frische durchlassen. Es ist auch kein Widerspruch, sondern eine besondere Eigenschaft, wenn daneben Töne von Sultaninen und eine gewisse balsamische Note erscheinen. Im langen konzentrierten Abgang kommt noch ein attraktiver Geschmack von Mandeln und Süßholz hinzu. Ein animierender, inspirierender Wein, der süchtig macht nach immer dem nächsten Schlückchen. Ein edler Tropfen, der klassischer Weise zu Desserts und Blauschimmelvariationen auf den Tisch gestellt wird, der gerne aber auch mal allerlei Plätzchen und Weihnachtskekse eskortiert. Neben allem Pairing ist und bleibt er einer der köstlichsten Muskateller aus Italien.
2015 Montepulciano d'Abruzzo DOC
Die Montepulciano-Traube reift spät, so dass die Ernte in den meisten Jahren erst im Oktober stattfindet. Ein qualitativ hochwertiger Montepulciano d’Abruzzo läuft besonders nach einer langen Lagerung in Eichenfässern zur Hochform auf, weil damit nämlich seine organoleptischen Eigenschaften noch ausdrucksvoller und seine ohnehin schon bemerkenswerte Alterungsfähigkeit noch gesteigert werden. Der 2015 Montepulciano d'Abruzzo DOC der Tenuta Secolo IX lässt sich im Weinberg auf etwa sieben Jahre alte Rebstöcke zurückführen, die in Castiglione a Casauria in einer Meereshöhe von 220 Metern mit Guyot-Erziehung stehen. Die Trauben wurden im Oktober 2015 geerntet und im Edelstahl bei flotten 26° C mazeriert. Der Ausbau erfolgte über mehr als ein Jahr im Barrique.
Der Wein schimmert im Glas in einem dichten Rubinrot und sendet schon jetzt leichte Reflexe in Richtung Granat aus. Wir schnüffeln begeistert an sortentypischen intensiv ätherischen Aromen von Schwarzen und Roten Johannisbeeren, schwarzen Kirschen, blauen Zwetschgen und einem großen Strauß von Gewürzen. Nur wenige Weine regen die organoleptische Fantasie so an. Zu der Fruchtigkeit kommen schwebend einige blumige und balsamische Abstufungen hinzu. Schon mit dem ersten Schluck verführt der Wein den Gaumen mit seiner Frucht und Energie. Wir reden über rote und blaue Pflaumen, schwarze Hedelfinger Knorpelkirschen, Heidelbeeren, Brombeeren und ein wenig rote Grapefruit und Myrte. Bemerkenswert ist, dass sich die Früchte zugleich mit einer gewissen Frische und Süßlichkeit exponieren. Im ausdauernden Abgang bringt sich die Würze noch einmal eindringlich in Erinnerung, aber auch einige Mandelspitzen und einige fast vergessene Schokoladentöne melden sich, die uns geradezu Abruzzen-typisch zu sein scheinen. Der Wein trumpft mit einem vollen Körper auf, aber auch mit deutlichen, körnigen Tanninen, die sozusagen wöchentlich weiter eingebunden werden. Es verblüfft, dass er im Gesamteindruck trotzdem ziemlich weich und elegant erscheint, also nicht rough und aggressiv. Er ist ein gut strukturierter Kraftprotz aus dem Mittelgewicht, in dem Fruchtigkeit, Würze, Säure und Alkohol gut ausbalanciert sind. Zu diesem Crescendo trägt sicherlich bei, dass dieser Montepulciano d’Abruzzo aus dem Sensationsjahrgang 2015 stammt. Erfreuen Sie sich und diesen Wein ganz profan mit Spaghetti Bolognese oder aber deutlich distinguierter mit irischen Lammlachsen vom Grill oder sogar mit Tagliatelle mit schwarzen Trüffeln, italienischer Panna di Cucina und frisch geriebenem Parmesan. Wichtig ist, dass Sie den Wein bei 18° C in einem riesengroßen Glas servieren oder ihn zwei Stunden vor dem Genuss dekantieren.
Olio Extra Virgine d'Olivia
Man schätzt, dass es allein in Italien etwa 500 Sorten (cultivar) gibt. Die Tenuta Secolo IX baut unter anderem die Cultivar Pollice, eine lokale Abart der Cultivar Toccolana, der Königin des Casauriense-Gebiets, und die in den Abruzzen sehr verbreitete Cultivar Intosso an. Hinzukommen kleine Mengen der Sorten Gentile und Leccino, die eine Verfeinerung des Geschmacks bzw. der Fruchtigkeit bringen. Zur weiteren Abrundung der intensiven Aromatik des Öls werden oft noch Oliven der Peranzana-Sorte verwendet. Jetzt ahnt man schon, dass das Blending der hochwertigen Öle der einzelnen Sorten, die zudem zu unterschiedlichen Zeiten reifen, weniger eine Wissenschaft, sondern eine Kunst ist. Die Oliven werden mit der Hand geerntet und frisch abgepresst. Es erscheint schon fast unangemessen, zu erwähnen, dass selbstverständlich kalt gepresst wird. Die Öle sind frei von Zusatzstoffen und bieten eine natürliche, unverfälschte Reinheit. Das Olio Extra Virgine d'Olivia der Tenuta Secolo IX ist ein Blend aus den Olivensorten Leccino, Nebbio, Dritta, Toscolana, Frantoio und Moraiolo.
Aus unserem angewärmten, dunklen Verkostungsglas entfalten sich feinfruchtige Olivenaromen von Distel und Artischocke. Wir lassen das Öl durch den Mund wandern. Die Eindrücke von Distel und Artischocke werden bestätigt und mit einer überraschenden Mandelnote von der Leccino-Sorte und einer kleinen Spur von grünen Tomaten kombiniert. Immer erscheint es herrlich fruchtig mit Erinnerungen an mittelgrünes Gras. Wir fühlen am Gaumen eine perfekte Textur, nicht klebrig dick, aber auch nicht dünn wie Wasser. Es hält einen langen Abgang aufrecht, anfangs süßlich, dann mit der gewünschten, qualitätssichernden Bitternote – deutlich pikant und würzig, aber nicht aggressiv: anhaltend und ausgewogen, rein und intensiv. Dieses Olio Extra Virgine d'Olivia ist fast zu schade, um ein Baguette darin zu ertränken. Träufeln Sie es lieber auf frisch entblätterte und noch warme Artischocken-Herzen.
21.03.2019
alle Fotos: © Tenuta Secolo IX
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