An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Weingut Dri Roncat im Friaul: Weltbekannte süße Träume vom Ramandolo und Picolit
Nimis liegt im Friaul in Nordostitalien westlich von Tarcento und rund 20 km nordöstlich von Udine. Es ist eine kleine Gemeinde, doch manche Orte wachsen über ihre Größe hinaus durch die Reputation eines ihrer Bewohner. In diesem Fall ist es Giovanni Dri, der mit den Weinen von seiner Azienda Agricola Giovanni Dri die Gemeinde Nimis und vor allem sein Dorf Ramandolo weit über Italien hinaus bekannt gemacht hat. Ramandolo liegt in einem engen Tal, wo neben der 600 Jahre alten romanischen Kirche San Giovanni Battista, die von einem Felsvorsprung hervorragt, vor allem die Weinberge auffallen, die überwiegend mit Verduzzo Friuli bestockt sind. Bemerkenswerter Weise bildet Ramandolo eine eigene D.O.C.G., so dass zahlreiche Weine sich mit dem Ortsnamen schmücken.
Nachdem das große Erdbeben am 6. Mai 1976 die Region weitgehend zerstört hatte, baute Giovanni Dri den Betrieb wieder auf und errichtete 1990 eine neues, modernes und architektonisch mit der Landschaft harmonisierendes Kellereigebäude, wo man die Weine verkosten und durch eine bedeutende Malereiausstellung bummeln kann. Im alten Keltergebäude betreibt sein jüngerer Bruder ein B&B.
Das Weingut bewirtschaftet eine Rebfläche von 10 Hektar und befüllt zwischen 40.000 und 60.000 Flaschen im Jahr. Auf leichten und steilen Hanglagen in bis zu 400 Metern Höhe stehen insbesondere die Rebsorten Verduzzo Friulano, Sauvignon Blanc, Picolit, Refosco, Pignolo, Scioppettino, Cabernet Sauvignon und Merlot. Giovanni Dri macht nicht nur die legendären süßen Ramandolo- und Picolit-Weine, sondern auch exzellente trockene Ramandolos und hochwertige Rote wie den Refosco dal Peduncolo Rosso, den Schioppettino Monte dei Carpini oder den Pignolo Monte dei Carpini. Neben den Weinen kreiert er mit Stolz seinen berühmten Grappa, der es beim World-Spirits Award bereits zu Gold gebracht hat. Hinzukommen Brände aus Trauben und Äpfeln und selbstverständlich – gemäß italienischer Winzertradition – das eigene Olivenöl mit dem Namen Uèli.
Giovanni Dri hat sich besonders um die Reputation des Ramandolo verdient gemacht. Er war hier einer der wenigen, die erkannten, wie wichtig es ist, den geografischen Ursprung des Ramandolo zu schützen. Er glaubte an das Qualitätspotenzial und den historischen Fundus des kleinen Gebiets und hat den Anbau und die Vinifizierung regelrecht perfektioniert. Das war in Zeiten, als die einst weltberühmten Dessertweine aus dem Friaul noch nicht wiederentdeckt waren. Schon 1984 ließ Giovanni Dri die Rebsortenbezeichnung Verduzzo auf seinen Labels weg und stellte die Bezeichnung Ramandolo heraus. Er war es, der durch seine hochwertigen Edelsüßen die friulanische Spezialität „Verduzzo di Ramandolo“ weltweit bekannt machte. 1990 wurde das kleine Gebiet als Sub-Region im Colli Orientali und als D.O.C. anerkannt. Im Wesentlichen ist es Giovanni Dri zu verdanken, dass das vergleichsweise winzige Gebiet 2001 sogar den D.O.C.G.-Status erhielt. Soll jetzt noch jemand behaupten, dass Giovanni seine Träume nicht zur Realität werden lassen kann.
Ramandolo-Weine gibt es von Giovanni Dri in drei Ausführungen: einen Ramandolo, den Cru "Il Roncat" und den auserwählten "Il Roncat Decembrine-Traube".
Wir konnten vier Weine des Weinguts Dri Roncat verkosten.
2014 Ramandolo D.O.C.G.
Schon in der glasklaren Flasche und dann im Glas zeigt der Wein stolz seine goldgelbe Farbe vor. Eine ungeheure Vielfalt an fruchtigen Aromen stürmt die Nase. Ganz nach vorne drängeln gelbe Pfirsiche, süße Zitronen, Litschis, Honigmelonen, getrocknete Blumensträuße, einige exotische Gewürze und Schwaden von Wiesenhonig. Die Aromatik ist herrlich komplex und lädt zu einem reichhaltigen Schnüffeln ein. Im Mund überrascht es wie vornehm zurückhaltend sich die Süße präsentiert. Nicht klebrig, nicht marmeladig, nicht betäubend. Die Lösung dürfte in der vollendeten Harmonie zwischen Restzucker, aktiver Säure und den weichen Gerbstoffen nebst einer kleinen, kalkhaltigen Mineralität liegen. Vor allem das Säuregerüst im Hintergrund, das Frische in den Geschmack bringt, lässt jeden Sauternes blass aussehen. Im Geschmack laben wir uns an kandierten Früchten, getrockneten Feigen, Sultaninen, Honig, Macadamia Nüssen und einem Touch Vanille. Der so schön hartnäckig lange Abgang wird durch einige balsamische Noten gekrönt. Ein Edelsüßer voller Körper mit Raffinesse und Eleganz. Dieser Ramandolo ist ein Dessertwein, der also ebenso zur süßen Nachspeise passt wie zum Blauschimmel-Käse. Doch probieren Sie ihn auch einmal zu einer Mandeltorte oder zu San Daniele Schinken mit Feigenmarmelade. Wer es etwas schräger mag, reicht ihn zu geräuchertem Heilbutt.
2011 Dri Roncat Ramandolo D.O.C.G.
Die kleine Süßweinflasche signalisiert den speziellen Ramandolo mit fast bernsteinfarbenem Auftritt. Ein verführerisches Bukett entweicht dem Glas. Ein intensives exotisches Fruchtpotpourri trifft sich mit Rosinen, Vanille und blumigen Beigaben Richtung Orangen- und Akazienblüten, dazu Spuren von Safran, Salbei und ein Hauch steiniger Mineralik. Über die Zunge quillt er üppig süßlich, aber mit einer imposanten Frische. Zu den Bukett-Aromen kommen im Mund Töne von süßen Mandeln, Datteln, Passionsfrucht und dunklem Waldhonig hinzu. Er legt ein saftiges, leicht pikantes Finish hin, an dem wir noch lange herumschmatzen. Wieder beeindruckt die gelungene Balance zwischen delikater Süße, strukturierter, frischer Säure, den sanften Tanninen aus der Beerenhaut des Verduzzo und der leichten Mineralik mit einem klitzekleinen salzigen Einschlag, wie es heute so beliebt ist. Sie dürfen mit diesem Wein gerne von einem Krebsgericht mit indischem Curry ablenken oder ihn gleich als Solisten reichen, Ihre Gäste und er haben es verdient.
Uve Decembrine Ramandolo D.O.C.G.
Der Wein zeigt im Glas ein kräftiges Ambergelb und duftet animierend lebendig nach Honig sowie kandierten und getrockneten Früchten von Feigen über Maracuja bis Papaya, dazu etwas Vanille und Marzipan, alles abgerundet mit einem Hauch von süßlichen orientalischen Gewürzen und Frühlingsblüten. Über die Zunge tänzelt eine explosive reife Fruchtigkeit voller betörender Süße, gebändigt von einer distinguierten frischen Säure und leichten Tanninen. Während die Süße – unterstützt durch die Struktur und Finesse des Weines – über den Gaumen tröpfelt, wirkt sie wie die Essenz der Traube. Seine verführerische Seidigkeit, Harmonie und Eleganz hält sich in einem scheinbar endlosen Finale. Genießen Sie diesen Wein Schluck für Schluck abseits einer Speise und ignorieren Sie die üblichen Pairingvorschläge. Lassen Sie sich lieber Schluck für Schluck süchtig machen. Vielleicht beginnen Sie auch zu träumen und denken daran, dass dieser Wein wahrscheinlich das Ergebnis einer Träumerei war – der von Giovanni Dri.
2014 Picolit D.O.C.G.
Der Wein schimmert in einem leicht bernsteingetönten Goldton im Glas. Ein warmer, fülliger, fast ätherischer Duft öffnet sich, unterlegt von Aprikosen, Honig, kandiertem Apfel, Mandeln, Akazienblüte, Vanille, wilden Kräutern und von gelben Blüten auf einer Gebirgswiese, dazu etwas getrocknete Minze. Am Gaumen tastet er sich langsam vor und zeigt mit lebhaften Tanninen und einer deutlichen Mineralik seine hohe Eleganz und dichte, komplex-expressive Struktur. Dann gleitet er in einen ewig langen, fast cremigen Nachhall, in dem nochmal Aprikosen-, Feigen- und Zitrustöne mit einer subtile Frische auftauchen. Ein Picolit mit einem großen Körper und einer eleganten Struktur, der gerne als Solist beeindruckt, aber neben der üblichen Foie Gras Patè (nicht zu verwechseln mit einer germanischen Gänseleberpastete) auch gerne einen Ziegen-Frischkäse oder einen Apfelstrudel begleitet. Und natürlich ein Dinner zu Zweit.
26.01.2019
alle Fotos: © Dri Roncat
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