An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Referenz in der Weltklasse: Das Weingut S.A. Prüm
Wie ist das eigentlich, wenn man in der Weltklasse spielt und seine Weine in aller Welt eine Referenz sind für den deutschen Wein? Raimund Prüm, einer der berühmtesten deutschen Winzer, geht das ebenso locker an wie das Leben an sich. Er genießt beides gleichermaßen und es käme ihm nicht in den Sinn, schon jetzt abzuheben in den Starhimmel und nur noch von oben herabzuschauen. Er mag keine Arroganz, verbreitet keine Unnahbarkeit und schottet sich nicht ab von der tobenden Wirklichkeit. Es ist stolz auf seine Erfolge, seine Erfahrung und Kompetenz. Eloquent verfolgt er neue Ideen, nicht nur in seinem Weingut, sondern allgemein für die Mosel und den deutschen Wein. Den repräsentieren seine Weine in über 70 Ländern. Er ist nicht nur Gründungsmitglied des VDP, sondern auch des Lions-Clubs Wittlich, mit dem er sich gemäß dem Club-Motto „we serve“ für gemeinnützige Projekte engagiert.
Raimund Prüm macht sich um den deutschen Wein selbst dann verdient, wenn andere das gar nicht merken. Sein 2007 angeschobenes Aldi-Projekt hat ihm Bestürzung, Ablehnung, Hohn und Distanz eingetragen, zumeist von jenen, die sein Anliegen gar nicht verstanden haben. Er hatte Trauben von mehreren Mosel-Winzern aufgekauft und in seinem Keller ausgebaut. Die Weine wurden unter dem Namen R. Prüm bei Aldi-Süd vermarktet, zuletzt als 2015 PRÜM Riesling trocken. Für eine goldene Nase hatte er das jedenfalls nicht gemacht: Ersten hat er das nicht nötig, zweitens waren die Margen zu gering. Der Weg ist sein Ziel und das ist ganz einfach: Er will Einstiegs-Rieslinge anbieten für jeden Tag und jede Gelegenheit und zwar nicht anstatt, sondern neben der Oberklasse für Connaisseurs, Jäger und Sammler. Diejenigen, die wissen, dass Nicht- oder Gelegenheitsweintrinker am ehesten über süffigen Weißwein zur Weinaffinität finden, können es würdigen, was es bedeutet, wenn dieser Weg bei Aldi mit einem guten Riesling von der Mosel beginnt und nicht mit Pinot Grigio Mischungen aus dem Süden. Wer eine der Million PRÜM Riesling Flaschen für 3,99 € kauft und trinkt, der setzt sich selbst Maßstäbe, ob er es gleich merkt oder nicht. Und er wird sich als nächstes für einen anderen Riesling oder Weißwein von einem Winzer aus einheimischen Anbaugebieten interessieren und früher oder später schätzen lernen, was das Winzerhandwerk hierzulande hervorbringt. Und wo ist eigentlich der prinzipielle Unterschied, wenn Prüms VDP-Kollegen sogar ihre eigenen Weine in Großmärkten anbieten?
Die Prüm-Dynastie
Die Weinbaugeschichte der Familie Prüm soll bis in das 12. Jahrhundert zurückreichen. Der Bezug zur Neuzeit beginnt mit Sebastian Alois Prüm (1794-1871). Von seinen sieben Söhnen heiratete nur Mathias (1835-1890). Er hatte mit Ehefrau Katharina sechs Kinder, unter denen das Weingut 1911 aufgeteilt wurde:
* Den größten Erbteil erhielt der nach seinem Großvater benannte Sebastian Alois Prüm (1877-1959), der dem Weingut den Namen S.A. Prüm gab. Aus dieser Linie ging später das Weingut Jos. Christoffel jr. hervor, das heute mit S.A. Prüm vereint ist.
* Johann Josef Prüm (1873-1944) benannte seinen Erbteil Joh. Jos. Prüm.
* Aus dem Erbteil von Peter Prüm (1881-1970) ging durch einen Zusammenschluss das heutige Weingut Studert-Prüm hervor.
* Anna Maria Prüm (1887-1926) heiratete Dr. Franz Weins, das Weingut nannte sich Dr. F. Weins-Prüm.
* Maria Anna Prüm (1875-1904) heiratete Zacharias Bergweiler. Deren Enkelkinder sind Ernst Loosen vom Weingut Dr. Loosen und Wilhelm Weil vom Weingut Robert Weil.
* Maria Katharina Prüm (1884-1954) heiratete nach dem frühen Tod ihrer Schwester Zacharias Bergweiler. Daraus daraus ging das Weingut Dr. Pauly-Bergweiler hervor.
Das Weingut S.A. Prüm liegt in einem prachtvollen Gutsgebäude im idyllischen Weinörtchen Wehlen, einem nördlichen Stadtteil von Bernkastel-Kues, in der Uferallee, unmittelbar an der Moselschleife. Hier, an der Mittelmosel, klammern sich die Weinstöcke in bis zu schwindelerregenden Höhen an die Steilhänge an, wo Generationen gezwungen waren, ihre Reben auf Terrassen anzubauen. Der Erfolg des Weinguts S.A. Prüm ist ungeachtet der großen persönlichen Rolle der Weinmacher zweifelsohne diesen Weinbergen zu verdanken, die einzigartige, sensationelle Weine spendieren. Das Weingut besitzt Parzellen insbesondere in den Spitzenlagen Wehlener Sonnenuhr, Bernkasteler Lay und Graben, Graacher Himmelreich und Drompobst, Ürziger Würzgarten und Erdener Treppchen. In dieser Gegend liegt der Urprung der führenden Rolle der Mosel, was das internationale Prestige der deutschen Weinanbaugebiete angeht. Das Weingut ist aktuell auf rund 13 ha angewachsen. Der Zukauf neuer Parzellen in den angestammten Lagen ist kostspielig und führt in größerem Umfang nur über das Anzapfen von Investoren.
Angebaut wird in den eigenen Weinbergen von S.A, Prüm ausschließlich Riesling. Andere Sorten wie Pinot Blanc und Chardonnay werden von Vertragswinzern angeliefert und als Galerie-Weine vermarktet. Was sollte man auch anderes als Riesling machen, wenn man das perfekte terroir für die edelste aller Weißweinrebsorten besitzt. Das haben schon die Vorfahren so gesehen, deswegen stehen in den Spitzenlagen noch immer Rebstöcke, die über 100 Jahre alt sind. Es sind überwiegend ungepropfte, wurzelechte Riesling-Reben. Daran hat auch die Flurbereinigung in Wehlen vor einigen Jahren wenig geändert, weil Raimund Prüms Stamm-Parzellen weitgehend verschont geblieben sind. Allerdings wurde in der Lage Wehlener Sonnenuhr ein Großteil der Altreben ersetzt, weil die Altanlagen nur noch einen mikroskopisch geringen Ertrag brachten, auch wenn die Weine daraus eine extreme natürliche Konzentration und eine atemberaubende Mineralität aufweisen.
Wurzelechte Reben
Es handelt sich um unveredelte Reben, die auf keiner Unterlage aufgepropft sind.
Veredelte Reben bieten durch die Wahl der meist amerikanischen Unterlagsrebe die Möglichkeit, den Rebstock an die Boden- und Wasserverhältnisse anzupassen und teilweise den Wuchs und den Reifeverlauf zu beeinflussen. Vor allem aber schützt die Veredelung wie eine Impfung weitgehend vor der Reblaus.
In Deutschland ist die Pflanzung wurzelechter Riesling-Reben seit Jahren untersagt, um der (erneuten) Verbreitung der Reblaus vorzubeugen. Aus bislang nicht geklärten Gründen sind die Rebstöcke auf den Mosel-Schieferböden relativ reblausresistent. Das erklärt den hohen Bestand an wurzelechten Reben an der Mosel.
Der Qualitätsanspruch von S.A. Prüm beginnt im Weinberg. Die Ernte erfolgt nicht nur zwangsläufig wegen der Steilllagen per Hand, sondern weil es darauf ankommt, schon vor Ort zu selektieren und nur gesundes Premium-Lesegut einzubringen. Im Keller, wo seit Februar Miguel Louro aus Portugal als Kellermeister fungiert, wird die Tradition mit modernster Technik umgesetzt. So werden die Trauben entrappt und liegen mehrere Stunden auf der Maische, so dass sie danach ganztraubig gepresst werden können. Zur Gärung werden Feinhefen, keine aromafördernden Reinzuchthefen benutzt. Nur die besten Trauben werden zur Spontanvergärung aufgefordert. Auf Süßreserven oder chemische Entsäuerungsverfahren wird verzichtet, ggf. muss die malolaktische Gärung ausreichen, um dem Riesling die Spitzen der Äpfelsäure zu nehmen, obgleich dabei auch Aromen auf der Strecke bleiben.
Die Weine werden in mehreren Linien vermarktet. Ausgangspunkt ist die Klassifikation des VDP, der die Weine in drei Qualitätsstufen einteilt: Gutsweine, Ortsweine und Große Gewächse. Eine Klassifizierung anderer Art erfolgt durch die sorgsam durchdachte Etikettierung: Das traditionelle Flaschenetikett mit dem abgebildeten Gutshaus der Familie wird für Prädikatsweine aus den Einzellagen verwendet. Die Großen Gewächse aus den Lagen Wehlener Sonnenuhr, Graacher Himmelreich, Graacher Dompropst und Bernkasteler Lay erhalten das Weingutetikett, das in den Jahren vor der Erbteilung 1911 verwendet wurde. Alle übrigen Qualitätsweine haben ein modernes Etikett.
Wir konnten sechs Weine von S.A. Prüm verkosten.
Das ist ein Wein aus dem aktuellen Einstiegssortiment, ein Gutswein von eigenen Blauschiefer-Lagen. Er bringt eine Menge von dem mit, was im Kernland der Mosel die Qualität ausmacht. Wir schnüffeln an allerlei zarten Fruchtaromen herum: weiße Pfirsiche, reife Gellerts Butterbirne, gelbe Äpfel vom Typ Ananasrenette, grüner Spargel und ein allgegenwärtiger Hauch von Zitrusfrüchten. Am Gaumen machen es sich die Äpfel bequem, weiße Johannisbeeren kommen hinzu, eine kleine Brise Zitrus, Ananas und Papaya weht und viele grüne Kräuter wieseln herum. Die angenehm rieslingmäßige Fruchtsüße harmonisiert mit einer hervorragend eingebundenen lebendigen Säure und vor allem mit der markanten, abgerundeten Mineralität aus dem vielschichtigen Schiefer. Alles mündet in einem kräftig würzigen Finish. Der Wein ist ein Saftprotz, der sich gerne und gradlinig um die Zunge schlängelt. Ein Visitenkarten-Wein, den man gleich am Eingang vorzeigen kann. Sie können ihn aber auch mit einer knusprigen Orangenente pairen.
Noch einmal zur Erinnerung – Sebastian Alois war 1911 der Gründer des Weinguts S.A. Prüm, als er seinen Erbanteil erhielt. Dieser Gutswein ist also eine Hommage an Traditionen und in seiner Art ein repräsentativer Vertreter des Mittelmosel-Rieslings. Er entfaltet sich im Glas mit einem vornehmen Bukett aus fruchtigen und floralen Noten und Tönen von grünen Kräutern und dem Duft des Weinbergs. Wir rufen Aprikosen und Pfirsiche auf, Zitrusfrüchte, Geranien und grüne und weiße Gladiolen. Im Mund spielen noch mehr Früchte herum und teilen sich den leckeren Gesamteindruck mit einer vornehm kaschierten Säure und einer dezenten Mineralik, die beide für einen nachhaltigen Abgang sorgen. Es ist ein extraktreicher Wein, süßlich und saftig, ein süffiger Stoff voller Energie und Frische. Er passt hervorragend zu einem Hähnchenbrustfilet mit einer süßen asiatischen Chilisoße an thailändischem Jasmin-Duftreis.
2015 Ürziger Würzgarten Riesling Kabinett
Wir haben mit dem 2015 Ürziger Würzgarten Riesling Kabinett einen restsüßen Wein im Glas, der mit seiner schicken Mineralität lockt. Die Duftnoten sind tropisch und geheimnisvoll exotisch. Man könnte Mangos und Passionsfrüchte benennen, Litschis und reife Reineclauden nebst einer Spur von Anis. Die würzig-tropische Nase wird Schluck für Schluck ergänzt durch kleine Schiefertöne, wir meinen gar eine winzige Traminernote zu entdecken. Der Wein ist ausgeprägt mineralisch, die Säure verhalten, aber soweit aktiv, dass es einen langen, süffigen Nachhall gibt. Ein üppiger, frischer Wein, feinfruchtig und mit starker Tiefe. Davon können Sie sich gerne schon mal einige Flaschen für 2025 hinstellen. Wer ihn jetzt genießt, kann sich jenseits der Etikette einen Pflaumen-Streuselkuchen dazustellen oder ein großes Stück Tomme de Savoie mit Butter-Baguette.
2015 Wehlener Sonnenuhr Riesling Kabinett
Devonschiefer
Devonschiefer ist ein bis zu 500 Millionen Jahre altes Gestein, das nach der Grafschaft im Südwesten Englands benannt ist. Es ist sozusagen zu Stein gequetschter Ton und Schlamm eines urzeitlichen Meeresbeckens und sehr verbreitet an Mosel und Ahr. Schiefer im Weinberg bedeutet weniger Unkraut, schnelles Aufheizen durch die Sonne, Speicherung der Tageswärme und Abgabe an den Rebstock in der Nacht, vor allem aber die deutliche Aromatisierung des Weins durch eine ausgeprägte mineralische Komponente. Kleines Manko in der Schieferbilanz: Der Boden ist nährstoffarm und braucht ordentliche Mistfuhren zur Humusversorgung. Dummerweise hält er das Wasser nicht und lässt die mühsam angehäuften Nährstoffe oftmals schnell wieder in die Tiefe sausen, vorbei an den langen Wurzeln der oftmals alten Rebstöcke. Der Effekt ist geringer, wenn der Schiefer stark verwittert und mit Lehm oder Ton durchzogen ist wie verbreitet an der Mittelmosel.
Auch nach den aktuellen Neupflanzungen in den Parzellen von S.A. Prüm sind noch 80 bis über 100 Jahre alte wurzelechte Rebstöcke stehen geblieben, die schon immer prägend waren für die besonderen Eigenschaften der Lage. Die alten Reben müssen sich in dem kargen und porösen Devon-Schieferboden ordentlich in die Tiefe strecken, um Wasser abzubekommen. Das führt zwar zu der wichtigen hohen Konzentration der Inhaltsstoffe in den Trauben und zu einer powervollen Mineralik in den Weinen, andererseits ist der Ertrag der alten Rebknochen gering.
2012 Bernkasteler Lay "Grand Ley" Riesling GG
2012 Wehlener Sonnenuhr "Alte Reben" Riesling GG trocken
4. August 2016
Fotos: © S.A. Prüm
Flaschenfotos: © D.R.