An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Weingut Rinke von der Obermosel: Alles außer gewöhnlich
Hinter dem Saarzufluss bei Konz hört für viele Weintrinker die Welt der Moselweine längst auf. Es heißt, hierhin hätten sich Rieslinge allenfalls verirrt, hier würden nur noch der verruchte Müller-Thurgau und saure Elblinge verrecken.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Obermosel, südwestlich hinter Trier, weil damals zu Luxemburg gehörend, 1787 nicht unter den Riesling-Befehl des Trierer Erzbischofs fiel und es hier beim traditionellen Elbling bleiben durfte, der dann vor allem der Sektindustrie zugeliefert wurde.
Allerdings würde sich ein Riesling an der Obermosel ohnehin schämen müssen, weil er nicht in die honorigen Gesellschaft der schiefergeschwängerten, weltbekannten Moselweine aufsteigen könnte. Denn hier herrscht anders als woanders an der Mosel der feine und hochwertige Muschelkalk vor – Chablis und Champagne lassen grüßen. Dem hochmineralischen Muschelkalkboden mit Lehm- und Mergelvarianten gefallen in erster Linie Burgunderreben, denen sie zu Höchstleistungen verhelfen können.
Doch bei der Chardonnay-Bepflanzung blieb es nicht. Die Rinkes bezogen in ihre strategische Planung auch Wettbewerb, Marketing und Sales ein. Was Neues musste her und das war das Alte: Der historische gemischte Satz war die Zauberformel, mit der sie an der Obermosel und weit darüber hinaus mit einem einzigen Wein im Programm für Furore sorgten.
Eigentlich denkt man beim gemischten Satz an knorrige, uralte Rebstöcke diverser, nahezu ausgestorbener Sorten unbekannter Provenienz. Doch man kann den gemischten Satz natürlich auch neu mischen. Und so gesellten sich in Rinkes Weinberg zum Chardonnay auch Grauer und Weißer Burgunder, Traminer, Muskateller und Petit Viognier hinzu. Es wurde Burgund-like eng gepflanzt mit niedriger Laubwand, um den Extrakt zu fördern und die Chardonnay- und Viognier-typischen Alkoholspitzen abzufedern, selbst wenn diese Bepflanzungsart die Botrytis begünstigt. Die Zusammenstellung der Sorten ist ziemlich genial und stets ausgleichend. Von den Bukettsorten ist der der Traminer zuckerreich und der Muskateller schlank und säurebetont. Die bei Vollreife eher wuchtigen Grau- und Weißburgunder sind gut geeignet, die grüne Frucht und spitze Säure des Chardonnay zu dämpfen. Der Petit Viognier schließlich ist der aromatische Zartmacher, der den Wein weich und mild macht. Interessant ist, dass man nicht davor zurückgeschreckt ist, Rebsorten anzubauen, die keineswegs einen gemeinsamen Reifezeitpunkt haben oder, wie beispielsweise der Traminer und der Muskateller, im Weinberg sich zickig anstellen.
Der Knüller am gemischten Satz ist allerdings nicht die Gemeinsamkeit im Weinberg, sondern die gemeinsame Vinifizierung. Im Gegensatz zum Cuvé, bei dem die Rebsorten im Keller gemixt werden, wird beim gemischten Satz alles, was im Weinberg wächst, in trauter Verbundenheit gekeltert, was eine Komplexität der Weine nahezu garantiert.
Diese Art des Weinanbaus war bis zum 19. Jahrhundert überall in Europa gebräuchlich, am längsten hat er sich in der Wiener Umgebung gehalten. Die rebsortenreinen Weinberge kamen erst im 19. und 20. Jahrhundert auf. Der Grund für die Bestockungsart im gemischten Satz war eine schlichte Risikoverteilung. Es gab kaum beherrschbare Krankheiten, Schädlinge und Wetterbedingungen. Oftmals beeinträchtigten sie nur bestimmte Rebsorten, andere wiederum blieben unversehrt. Bei der Diversifizierung im Weinberg konnte man daher immer noch auf einen gewissen Ertrag hoffen. Das Ende des traditionellen und historischen gemischten Satzes in Deutschland kam spätestens mit dem Reblausgesetz von 1929, das die meisten der über 600 uralten Rebsorten verbot: Entweder waren die Hybriden genetisch nicht sauber genug oder die Rebsorten zu fremdländisch. Heute sind noch etwa 25 uralte Rebsorten verkehrsfähig, alle anderen in den deutschen Anbaugebieten zugelassenen Sorten sind Importe wie der Chardonnay oder Neuzüchtungen wie der Kerner.
Inzwischen haben die Rinkes ihren Betrieb vergrößert. Sie haben Parzellen in den Top-Lagen Oberemmeler Altenberg, südöstlich von Konz, und Wiltinger Klosterberg und Braunfels an der Saar gekauft. Dort bauen sie unter anderem auch Pinot Noir, Frühburgunder und Riesling an, der 2017 in den Handel kommen soll.
Rinke-Weine sind ein außergewöhnliches, ambitioniertes Produkt von Leidenschaft, Idealismus, Mut zum Risiko, akribisch umgesetzten Qualitätszielen, einer optimistischen Kreativität im Keller und nicht zuletzt dem selbst geschaffenen Weinberg.
Wir konnten drei Weißweine vom Weingut Rinke verkosten.
Langsurer Brüderberg Muschelkalk 2014
Der Langsurer Brüderberg ist mit 50 bis 70% Hangneigung die westlichste Steillage an der Mosel, unmittelbar an der luxemburgischen Grenze, nach Süden ausgerichtet. Die Reben für diesen Wein wurden vorwiegend aus den unteren Parzellen des Langsurer Brüderbergs geerntet mit einem geringen Ertrag von 50hl pro Hektar. Der Wein wurde in gebrauchten 1.200 Liter-Holzfässern ausgebaut, die also noch größer sind als das an der Mosel verbreitete Fuderfass von rund 1.000 Litern.
Wir nehmen einen ordentlichen Schluck und schauen uns anerkennend nickend an: Das isses, so muss Obermosel sein, um mit den großen Burgundern aus Chablis gemeinsame Fahrt aufzunehmen. Chardonnay auf Muschelkalk mit Holzfass, das nebenbei gesagt auch für einen ordentlichen Säureabbau sorgt. Der erste Schluck vermittelt eine spontane Exotik, der zweite die Komplexität, die wir vom gemischten Satz erwarten möchten. Dazu kommt eine gewisse Würzigkeit und eine wunderschöne Harmonie, mit der sich der Chardonnay beim Holzeinsatz bedankt. Wir haben einen Wein im Glas, der trotz seiner 13% Alkohol einen schlanken Eindruck macht. Schon beim Rumschmatzen, erst recht im langen, saftigen Abgang zeigt sich eine profilierte Säure in Balance mit der ausgeprägten Mineralität, die der Muschelkalk in die Reben transportiert hat.
Probieren Sie den Wein sowohl aus dem üblichen Weißweinglas und alternativ aus einem dickbauchigen. Sie werden feststellen: Das Burgunderglas steigert durch die Sauerstoffzufuhr und die schnellere Erwärmung die exotische und saftige Note des Weins und damit auch seinen Geschmack. Dieser Wein braucht einfach Luft, wenn er aus der Flasche gelassen wird. Auf die Spitze treiben können Sie Aromen und Gaumen, wenn Sie den Wein etwa eine Stunde zuvor dekantieren. Im Ergebnis haben sie dann einen schon jetzt überraschend runden Wein im Glas. Schon jetzt heißt, dass wir in diesem Wein noch einiges an Entwicklungspotenzial sehen. Legen Sie sich einfach einige Fläschchen mehr hin – unser Tipp: 2017 wird er die Sensation des Abends sein. Genießen Sie ihn bis dahin regelmäßig schlöckchenweise an lauen Sommerabenden oder am Kamin. Er zeigt sich auch aufgeschlossen für einen Bachsaibling in Beurre-Blanc oder etwas eigenwilliger zu chinesischen Austerpilzen.
Langsurer Brüderberg 2013
Im Glas funkelt der Wein uns kräftig goldig an, was er den Viognier-Trauben verdanken dürfte. Wer jetzt die Nase ins Glas hängt, wird durch die zwar nicht vordergründige, aber deutliche, leicht orangene Traminernote und den Aprikosentouch des Viognier verblüfft, die immerhin nur bis zur Gärung ihre Selbstständigkeit bewahren durften. Ansonsten ist es eher müßig, in den Wein hineinzurätseln, welche Eigenschaft wir welcher Rebsorte verdanken. Freuen wir uns lieber, dass er mehr Aromen bietet als ein verdampfender Chardonnay allein.
So entdecken wir reife gelbe Früchte, Äpfel und Erinnerungen an Gellerts Butterbirne. Der Wein ist dicht und weich mit einer herrlichen Fruchtigkeit, die von einem präsenten Restzucker gefördert wird, der die Säure im Griff hat. Wir reden über Viktoria-Pflaumen und weiße Pfirsiche und freuen uns, dass der Wein nicht als Holzklotz daherkommt, sondern feine Röstaromen mit Vanille aussendet. Wir bilden uns sogar ein, etwas Mango und Kardamon vom Viognier herauszuschmecken. Der schöne Extrakt sorgt zusammen mit Mineralität, Frucht und Säure für einen süffigen Abgang. Ein raffinierter, ja eleganter Wein. Verstecken Sie ihn gut vor ignoranten Zufallsgästen.
Langsurer Brüderberg Terrassen 2011
12.10.2015
Abbildung und Fotos © Weingut Rinke
Flaschenfotos © D.R.