An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Familienweingut Poiron-Dabin: Traditionen, Raritäten und Entdeckungen – Weinerlebnisse in der Region Loire
14. Juli 2023
Château Thébaud ist ein kleines, charmantes und trotz der beiden Schlösser Le Rafflay und La Bourdinière eigentlich recht unscheinbares Städtchen im Département Loire-Atlantique wenige Kilometer südöstlich von Nantes am Fluss Maine. Es gehört zum Kanton Vertou und zum Arrondissement Nantes. Die Einwohner werden Castelthébaldais genannt. Weinmäßig ist hier mächtig was los: Es ist eine der Gemeinden, in der die zugelassenen Rebflächen für die weltbekannte Appellation Muscadet Sèvre et Maine liegen.
Das Weinbaugebiet Muscadet-Sèvre et Maine (bis 1995 Muscadet de Sèvre et Maine) nahe der Stadt Nantes ist Teil des Gebiets Pays Nantais und der Weinbauregion Loire und hat seit 1936 den Status einer Appellation d’Origine Contrôlée (AOC). Es ist die größte Weißwein-Appellation Frankreichs. Sèvre und Maine sind die Hauptflüsse des Gebiets. Die trockenen AOC-Weißweine dürfen ausschließlich aus der Rebsorte Melon de Bourgogne hergestellt werden. Der Alkoholgehalt darf angenehme 12 Volumenprozent nicht überschreiten.
Das Weingut bewirtschaftet rund 72 Hektar Rebfläche in der Gegend um L'Enclos und Chantegrolle. Zuletzt hatten die Brüder Jean Michel und Laurent die Fläche um das Clos des Tabardières erweitert. Die Böden in den Weinbergen sind mit verwittertem Granitschiefer und Granodiorit durchzogen, ein hier gelbliches, granitähnliches Gestein mit Glimmer und Hornblende, das ursprünglich aus vulkanischem Magma entstanden ist. Beide Gesteinsarten erwärmen schnell und geben ihre Mineralität freigiebig an die Reben weiter. Diese Art des Terroirs findet man vereinzelt auch in Burgund und im Elsass.
In den Weinbergen der Domaine Poiron-Dabin wird auf ein sorgfältiges Blattmanagement geachtet und regelmäßig die Trauben zur Ertragssteigerung ausgedünnt. Sie werden je nach Rebsorte entweder von Hand oder maschinell gelesen und in Edelstahl-Behältern zur Kelter transportiert. Die Rebzeilen sind begrünt. Es wird ohne Herbizide gewirtschaftet, dennoch kann das Weingut kein Biosiegel beanspruchen, weil man wie im Bioweinbau der Schweiz Phosphite gegen Mehltau eingesetzt, um den Einsatz von Kupfer zu reduzieren, das wiederum im Bioweinbau noch erlaubt ist.
Allerdings ist das Weingut zertifiziert vom Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten als HIGH ENVIRONMENTAL VALUE (HEV) AGRICULTURE. Dazu gehören Betriebe, die sich freiwillig zu umweltfreundlichen Praktiken verpflichten. Das heißt, zertifiziert wird nicht die Qualität eines Produkts, sondern die Umweltqualität des Winzerbetriebs, was laufend kontrolliert wird. Dazu gehört ein Mindestniveau bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt, der Pflanzenschutzstrategie, dem Nährstoffmanagement und dem Wasserressourcenmanagement. „Heute für morgen handeln“, ist das Schlüsselprinzip des HVE-Ansatzes. Das Weingut Poiron-Dabin hat inzwischen das höchste Level der Schutzmaßnahmen erreicht.
Im Keller bleibt der Most der weißen Sorten nach der schonenden Pressung 48 Stunden lang im Auffangtank, dann wird er über dem abgesunkenen Trester abgesaugt in den Gärtank. Hier gärt er zwischen 3 und 4 Wochen bei 20° C. Danach ruht er je nach Wein noch bis zu 14 Monate auf der Hefe. Länger ist für den Zusatz „sur lie“ beim Muscadet nicht erlaubt, dagegen wohl bei Poirons Weinen Cru Château-Thébaud und Haute Resolution. Die Rotweintrauben liegen 10 bis 20 Tage in Bottichen auf der Maische und durchlaufen dabei die alkoholische Gärung. Nach der Pressung wird der Most in Fässer oder Tanks gefüllt, wo die malolaktische Gärung, also die Umwandlung von Apfelsäure in Milchsäure, stattfindet und er je nach Sorte noch lange reift. Die Abfüllung erfolgt im Keller des Weinguts durch den Dienstleister BETEAU, die Etikettierung wiederum durch das Weingut.
Das Sortiment umfasst unter anderem die berühmten Weine Muscadet Sèvre et Maine sur Lie und den Spitzenwein Cru Château-Thébaud. Wir konnten fünf Weine und einen Sekt des Weinguts Poiron-Dabin verkosten.
Perle de Séduction Méthode Ancestrale Vin Mousseux demi-sec
Wir beginnen unseren Besuch im Sortiment von Poiron-Dabin mit einem Schaumwein. Es ist eine Rosé-Cuvée, assembliert aus den Rebsorten Malbec, Gewürztraminer, Pinot Gris und Sauvignon Fié Gris. Er wurde nach der sehr aufwändigen Méthode Ancestrale hergestellt, die angesichts des Hypes um die Méthode Champenoise völlig in den Hintergrund geraten ist.
Im Glas perlt der Perle de Séduction fein und anhaltend in einem intensiven Lachsrosa. So muss ein Rosé duften: Himbeeren, Erdbeeren, Vanille und einige rote Rosen. Und dann erst der Geschmack: Erdbeeren der neuen Sorte Magnum, Himbeeren, einige rote Johannisbeeren und dazu zarte Töne von Litschis, vor allem im geschmeidigen, herrlich moussierenden Abgang. Das ist ein aromatischer Schäumer mit einer vollmundigen Struktur, einem ausgesprochen fruchtigen, leicht süßlichen Charakter und einem sorgfältig angelegten milden Säureniveau. Er bringt schwungvolle, hochwertige Eleganz auf die Terrasse, die Grillfeier oder in jede Gartenparty.
Méthode Ancestrale
Es findet eine einzige alkoholische Gärung des Traubenmosts statt, die im Tank beginnt und direkt in der Flasche endet. Sie wurde traditionell eher im Süden Frankreichs praktiziert: Limoux, aber auch Gaillac im Tarn, in Die, Cerdon und Bugey – meist aus der Rebsorte Mauzac. Doch bald schon zogen Schaumweine nach dieser Herstellungsmethode insbesondere mit dem Pat-Nat-Boom in die Weinbars und Weinhandlungen ein und wurden vor allem durch junge Kunden nachgefragt, die auf innovative Trends abfahren. Da der Alkoholgehalt moderat ist (zwischen 7,5 % und 11 %), passt die Methode gut in die Zeiten der Erderwärmung, durch die eine Explosion des Alkohols in Wein und Schaumwein droht.
Bei der Méthode Ancestrale wird die erste Gärung nicht beendet, so dass die Hefen den gesamten im Most natürlich vorhandenen Zucker nicht verbrauchen. Die Aktivität der Hefen im Tank oder in Bottichen wird entweder durch Abkühlen oder durch den Einsatz von Filtrations- und Abstichpraktiken gestoppt. Es ist eine Art Halbwein entstanden, der schon Alkohol, aber auch noch Restzucker enthält. Dieser Stillwein wird bis März bei einer Temperatur von etwa 0° C gelagert.
Dann wird er in Flaschen abgefüllt, die auf ein Holzgerüst gestellt werden. Jetzt geht die alkoholische Gärung der Zuckerumwandlung durch Hefen weiter, wodurch Kohlendioxid freisetzt wird. Das dauert etwa 6 bis 12 Monate. Meistens wird dann nach der Transfermethode degorgiert, d.h. die Flasche auf den Kopf gestellt und der Hals runtergekühlt, damit das gefrorene Hefedepot durch den Innendruck im Flaschenhals ausgestoßen wird. Wird der Schaumwein nicht degorgiert, bleibt ein Bodensatz, der ihn eintrüben kann.
2022 Sauvignon Blanc IGP Val de Loire
Die von der EU 2009 eingeführte Bezeichnung IGP - Indication Géographique Protégée – entspricht der früheren Kategorie Vin de Pays und rangiert in der zweiten Stufe der Qualitätspyramide.
Der Sauvignon Blanc schaut uns aus dem Glas in einem intensiven Weißgold an und sendet zartgrüne Reflexe aus. Er zeichnet sich durch eine kühle, kräftige Nase aus mit der leichten Süßlichkeit von Litschis und gelben Äpfeln, vor allem aber pikanten Tönen von grüner und gelber Paprika nebst vielschichtigen vegetabilen Nuancierungen, wobei er nicht etwa blumig wird. Am Gaumen treffen die Bukettaromen auf Töne von Zitrus, Ananas und Kräutern wie Minze, aber auch auf Anklänge an Schwarze Johannisbeeren. Den Abgang füllen die herrliche Saftigkeit und die dezente Mineralik ausdrucksvoll und anhaltend aus. Das ist ein Wein, der Energie spendet, vollmundig, komplex und frisch ist. Reichen Sie ihn zu einer Lachsforelle oder zu frischem Ziegenkäse.
2022 Chardonnay Blanc Sec IGP Val de Loire
Das Bukett dieses trockenen Chardonnays liefert klassische Aromen von Jasmin Blüten, Ananas und Nüssen mit ein wenig reifer Stachelbeere. Eine fruchtbetonte Aromatik mit Zitrusfrüchten, gelben Honigmelonen, Aprikosen und Birnen trifft mit Volumen und feiner Würze auf den Gaumen und verwöhnt ihn auch noch lange im Abgang. Kraft und Klassik stehen dabei nicht für die brioche-buttrige, alkohollastige Holzkeule aus dem internationalen Weinreich. Exotische Anklänge sind in einem abgerundeten Geschmack mit einem Hauch von Gerbstoffen untergebracht. Der süßliche Extrakt wird von einer sanften, aber dynamischen Säure bei Laune gehalten. Dieser Chardonnay tritt frank und frei auf, mit intensiver Frucht, gezähmter Säure, sanfter Eleganz und vibrierender Frische, ein ganz klein wenig Chablis schmult aus dem Glas. Servieren Sie ihn zu einem Red Snapper aus der Pfanne oder zu einem Rebhuhn-Gericht.
Im Weingut der Familie Poiron wächst die Rarität Berligou auf rund 1,5 Hektar beim Château de la Chabossière in Couëron auf dem Anwesen von Anne de Bretagne, auch „la petite Brette“ genannt. Die Domaine Château Thébaud ist neben der Domaine Jussiaume das einzige Weingut an der Loire, das den Berligou vinifiziert. Er wird reinsortig als Rotwein ausgebaut, als Sekt und eben als der Petite Brette Berligou Rosé. Der Rote reift über ein Jahr in Holzfässern aus bretonischer Eiche aus dem Forêt du Gâvre. Die Trauben für den Rosé wurden 8 bis 12 Stunden mazeriert, der Most dann gekühlt und langsam vergoren.
Im Glas blitzt ein zartes Himbeerrosa. Wir erfreuen uns an feinen, leicht süßlichen Aromen aus hellroten Früchten wie reifen Erdbeeren, Himbeeren und Roten Johannisbeeren, dazu einige florale Richtungen. Den Geschmacksknospen imponieren eine feine Restsüße aus einem spätsommerlichen Obstkorb und eine trockene, leicht minzige Würze. Aus dem Obstkorb packen wir Kirschen, Himbeeren, reife Äpfel Jonathan und einige Litschis aus und genießen die blumige Abrundung und eine sehr dezente Würze. Im Finale verabschieden wir die Fruchtaromen wehmütig und nur in Erwartung des nächsten süffigen Schlucks. Das ist der Rosé, der mit seidiger, spritziger Eleganz und einem ausgewogenen Säure-Süße-Spiel den Sommer temperamentvoll verschönert oder an ihn erinnert. Er dürfte auch zu einem Salat Niçoise oder mild asiatisch marinierten Garnelen Vergnügen bereiten.
2022 Clé du Sol Chantegrolle Muscadet Sèvre et Maine sur Lie
Der Clé du Sol Chantegrolle schmückt sich im Glas mit einem sehr hellen Strohgelb. Dezent und zart duftig schickt er sein subtiles Bukett aus dem Glas mit einer leichten Aromatik von gelben Äpfeln, Pfirsichen, Quitten, Futuromelone und Zitronenmelisse nebst einer Anmutung von Blumigkeit. Über die von der leichten Mousse überraschte Zunge fließt der Wein leicht, schlank und dezent herbfruchtig mit Abdrücken von Zitrus, Pfirsichen, gelben und grünen Birnen und einer feinen Hefenote. Seine Aromenfülle, seine kleine, aber spannungsreiche Säurestruktur und seine modern salzige Mineralität fügen sich im langen Finish bemerkenswert harmonisch zu einem leichtfüßigen Frischeerlebnis zusammen. Der Clé du sol de Chantegrolle schwimmt auf der festlich gedeckten Tafel gerne mit jedem Meeresfisch mit, knackt aber auch offensiv alle Arten von Schalen- und Krustentieren.
2020 Pinot Noir IGP Val de Loire
Im Glas funkelt der Pinot einladend in einem tiefen Ziegelrot. Ein klassischer Duft von Erdbeeren, roten Johannisbeeren, etwas Rhabarber und Stachelbeeren sowie eine winzige Zitrusrichtung wehen aus dem Glas, alles frisch und sauber zusammengefügt und von einer schönen Würze umrahmt. Im Mund tummeln sich die Burgunderaromen mit Kraft und Eleganz. Zu Johannisbeer- und Süßkirschnoten kommen Granatapfelkerne, Vanilletöne und feine, leicht minzige Gewürze hinzu. Im Finale beeindruckt die harmonische Verbindung von viriler Säure, geschliffenen Tanninen und Mineralik. Dabei kommen sowohl die Frische als auch eine aristokratische Eleganz gut zur Geltung. Ein handwerklich gekonnt austarierter, ausdrucksstarker Pinot Noir, der mit seiner Finesse aus dem unendlichen Pinot-Angebot weit herausragt. Gebratene Wachteln mit Steinpilzen oder ein Entrecôte vom Grill sind ein interessantes Pairing.
Im Hörerlebnis stellt Jean-Michel Poiron in französischer Sprache das Weingut vor, spricht über seine Leidenschaft für den Wein und was für ihn in seinem Beruf als Winzer wichtig ist.
Fotos: © Weingut Poiron-Dabin
HÖRERLEBNIS mit Jean-Michel Poiron auf der PROWEIN
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