An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Familienweingut Gruber Roeschitz im Weinviertel: Drei leidenschaftliche Weingeister machen das Besondere
20. Juni 2017
Röschitz liegt im westlichen Weinviertel, an den östlichen Ausläufern des Manhartsberges zwischen Krems und der Grenze zu Tschechien. In der Habsburger Monarchie zählten das Weinviertel und das angrenzende Südmähren zu den reichsten Gebieten des Landes. Röschitz gehört zum Weinanbaugebiet Weinviertel und hier zur Region Retzer Land. Der Ort schlängelt sich entlang des Maigner Bachs und ist umgeben von Weingärten=Weinbergen.
Das Weinviertel in Niederösterreich ist Österreichs größtes Weinanbaugebiet. In mehr als der Hälfte der Weinberge steht Grüner Veltliner, insgesamt auf etwa 8.000 Hektar Fläche. Mit der Einführung des DAC-Systems (Districtus Austriae Controllatus) 2003 ist der Grüne Veltliner das Gesicht des Weinviertels geworden.
Weinbaumeister Christian, 1986 geboren, verantwortet seit 2009 alles, was in den Weinbergen passiert. Er hat jahrelang hart daran gearbeitet, das Weingut auf den biologischen Weinanbau umzustellen, aber eben nicht nur auf der Behauptungsebene, sondern zertifiziert. Erstmals mit dem Jahrgang 2016 konnte das Weingut alle Weine mit dem Zertifikat Austrian Bio Garantie schmücken. Dabei vollbringt Christian ständig den Spagat zwischen moderner Technik und traditionellen und ökologischen Methoden. Zu letzteren gehören das Düngen mit Kompost und das Begrünen der Rebzeilen mit geeigneten Kleesorten; intensive Laubarbeit und Ertragsbegrenzung sind selbstverständlich. Bei der Ernte sorgt er für eine strenge Selektion, weil Ewald im Keller nur absolut gesundes Lesegut sehen möchte.
Was Ewald Gruber Senior 1970 mit 4 Hektar begann, wird heute auf 80 Hektar fortgesetzt. Das Weingut bewirtschaftet Weingärten in den Rieden=Lagen Reipersberg, Hundspoint, Königsberg, Hinterholz, Galgenberg, Lauschen und Mühlberg. Sie liegen alle rund um Röschitz herum. Die über 150 Parzellen liegen zuweilen recht verstreut und sind oftmals Miniaturweinberge, so dass die Ernte gut organisiert werden muss. Es sind überwiegend eigene Weinberge, es wird aber auch von Winzerkollegen hinzugekauft.
Von weißen Rebsorten, die 70 % im Weingut ausmachen, wird mehr als die Hälfte Grüner Veltliner angebaut, gefolgt von rund 7 % Riesling, der Rest verteilt sich auf Gelber Muskateller, Sauvignon Blanc, Chardonnay und Welschriesling. Bei den roten Rebsorten sind es St. Laurent, Pinot Noir, Zweigelt, Merlot und Cabernet Sauvignon.
Vater Ewalds gnadenloses Bestreben nach herausragender Qualität haben die Kinder übernommen und damit den einzigartigen Ruf des Weinguts aufrechterhalten. Der Erfolg ist aber auch und nicht zuletzt dem familiären Zusammenhalt und der Kompetenz im Weinhandwerk zu verdanken.
Wir konnten sechs Weine vom Weingut Gruber Röschitz verkosten.
Grüner Veltliner Röschitz 2016
Im Glas sehen wir einen strahlend hell- bis grüngelben Wein, der mit feinen Aromen lockt. Es geht Richtung Delicius-Apfel, grüne Birne, grüngelbe Melone und weißem Pfeffer mit klitzekleinen Spitzen von Orangen und weißen Blumen. Im Geschmack sind die Apfelaromen und eine pikante, leichte Würze aus der Richtung von weißem Pfeffer allgegenwärtig. Im klaren, frischen Abgang kommen leichte Zitrusnoten hinzu. Der Wein ist unaufdringlich würzig, klar und cool und liefert eine lebendige Veltliner-Fruchtigkeit. Er fließt locker über die Zunge und lockt stets mit dem nächsten Glas. Es ist der frische, mineralische Wein, der das Retzer Land rund um Röschitz glaubhaft abbildet. Er passt zu jeder Zeit und Unzeit und könnte auch einem gebratenen Zanderfilet gefallen.
Der Riesling-Ortswein profitiert von der so speziellen geologischen Struktur der Gegend, wo die Rebstöcke nach der Mineralik des Verwitterungsgranits lechzen. Im Glas funkelt uns der Wein silbrig-gelblich an. Er duftet anders als deutsche Mosel- und Rheinrieslinge nicht so markant nach Zitrus plus Pfirsich. Hier geht es eher vornehm zu mit Nuancen von Litschis, Limonen, reifen gelben Birnen und weißen Blüten. Es sind sinnlich-sanfte Aromen, die gierig machen. Am Gaumen treffen sich gelbe Pfirsiche, gelbe Äpfel, Goldkiwis, Limetten und lauter kleine Süßigkeiten in saftiger Verpackung. Im Finish folgen wir lange dem leicht salzigen, tief mineralischen, von geschliffener Säure gestützten Rahmen, in der sich nicht nur eine schöne Frische, sondern auch eine rassige Reife ausbreitet. Der Wein zeigt einen ordentlich strukturierten Körper vor mit zarter Fülle und einer klaren Harmonie. Es ist der gefällige Wein zum gleich trinken, der animiert und zufrieden stellt. Wer den Mainstream der Fischpalette und Asiapfanne verlassen will, serviert ihn zu Kohlwickel mit leichter Rahmsauce.
Ried Reipersberg Grüner Veltliner 2016
Das leuchtende Gelbgrün im Glas strahlt eine klare Frische aus. Das Bukett ist vornehm und wird von zartreifen gelben Pflaumen, gelben Birnen, Grapefruit, Äpfeln und allerlei Würztönen bestimmt. Auf der Zunge tritt der Wein konzentriert und köstlich auf. Hier können die vielfältigen Aromen wiedererkannt werden, hinzu kommen Töne von Ananas und von grünem Pfeffer. Die auffällige Sparsamkeit der Pfeffernote, nach der beim Grünen Veltliner immer gleich gesucht wird, bestätigt, dass bei den richtig guten Veltlinern diese Richtung in den Hintergrund tritt oder ganz fehlt. Das spricht für die Ansage, dass eine aufdringliche Pfeffernote eher das Ergebnis unreifer Phenole als eine unabänderliche Ausprägung der Rebsorte oder gar des Terroirs ist. Die Säure des Reipertsberger Veltiners 2016 ist lebhaft und harmoniert hervorragend mit der würzigen Mineralik, die einen langen Abgang stützt. Es ist ein eleganter, gut strukturierter Wein, gradlinig und mit Substanz. Diesen Wein können Sie zu einem klassischen Hähnchen vom Grill oder zu knusprigem, gut gewürztem Schweinsbraten servieren.
Ried Hundspoint Grüner Veltliner 2016
Aus dem Glas duftet der Wein frisch, intensiv und elegant. Äpfel sind dabei, junge Quitten, etwas reife Williams Birne, ein Touch Aprikose. Im Mund schlagen blumige Noten eine eigene Richtung ein, die zwar mineralisch umrahmt wird, das aber eher vorsichtig nuanciert und nicht so steinig-salzig intensiv. Wir schmatzen auf einer gesteigerten Fruchtigkeit herum, gelbe und rote Äpfel, Melonen, Marillen, alles getoppt von viel Würze. Die aktive Säure sorgt dafür, dass die Fruchtsüße nicht zu wild ist und fördert einen langen, robusten Abgang voller Apfelaromen und dem Eindruck einer schlanken Frische. Wenn dieser elegante Wein auf dem gedeckten Tisch stehen soll, dann ganz österreichisch neben einem Tafelspitz mit Meerrettich oder purdeutsch mit einer Forelle an Meerrettichsoße.
Rosé St. Laurent Röschitz 2016
Die Trauben für diesen Ortswein stammen aus der Röschitzer Ried Galgenberg. Die St. Laurent Rebe fühlt sich hier im trockenen Klima wohl und produziert auf dem für sie an sich nicht idealen, lehmigen Lößboden dennoch eine verwöhnende Fruchtigkeit. Die St. Laurent Rebe ist eine sehr alte Sorte aus der Burgunderfamilie, die lange Zeit in Vergessenheit geriet, längst aber wegen ihrer hochwertigen, langlebigen und eleganten Weine ihre Beliebtheit wiedererlangt hat. Heute sind in Österreich rund 500 Hektar bestockt. Viele Winzer ziehen sich vom Anbau jedoch zurück, weil die Rebe sich in so manchem Jahr zickig anstellt und die Erträge unsicher sein können. Also bleiben etliche Winzer lieber beim Kreuzungsprodukt von St. Laurent und Blaufränkisch, dem Zweigelt.
Aus dem Glas himmelt er uns in einem deutlich pinky Rosé an und verleugnet im Bukett mit dunklen Beeren, Walderdbeeren, Wildkirschen und Holunder seine Traubenherkunft nicht. Am Gaumen spielen die herzhaften Fruchtaromen mit einer aktiven Säure, die signalisiert, dass es ein trockener Rosé ist, kein Zuckerl. Zwar sind Rosé-Weine regelmäßig Sofortweine, dieser hier fordert aber das Interesse heraus, wie er wohl nach drei oder vier Jahren schmecken wird. Aber zu aller Zeit ist dieser Wein für einen Hingucker-Auftritt auf jeder sommerlichen Party perfekt: Schön gekühlt und raus mit dem beschlagenen Kelch in die Wärme. Da wird dann aber hingeguckt – auf das Glas und natürlich auf dessen vornehmlich weibliche Halterin. Möchten Sie mit ihm schon jetzt eine Speise pairen, so ist die Auswahl riesengroß. Gefällig macht man es unter vielem anderen mit Lammcarée vom Grill mit Spagelrisotto, einem medium rare Entrêcote oder einem echten holländischen oude Kruitkaas.
Galgenberg Sankt Laurent 2015
Im extra großen Glas sehen wir ein dunkles Rubinrot mit unterschiedlichen Reflexen von Granat bis Violett. In der Nase entfalten sich tiefe Eindrücke von Brombeeren, Schwarzen Johannisbeeren, etwas Kirsche, dazu winzig rauchige Noten von blondem Tabak, weißem Pfeffer und Mokka. Im Mund präsentiert er sich hochgradig elegant und leicht würzig mit einer fülligen, fast schon cremig-dichten Struktur, die im Abgang von abgerundeten Tanninen begleitet wird. Im langen, durch passende Säure und kleine Fruchtsüße gestützten Nachgeschmack tauchen nochmals Brombeeren, Wildkirschen, aber auch dunkle Pflaumen und Holunderbeeren auf. Abseits der super passenden, aber langweiligen Hirschbegegnungen, können Sie den Wein zu einem Wildschweinragout mit einer Pfifferlingspfanne servieren. Genießen Sie den Wein aus dem größten Rotweinglas, das Sie im Schrank haben und experimentieren Sie mit Temperaturen zwischen 15° und 19° C.
Im Hörerlebnis stellt Maria Gruber das Weingut Gruber Röschitz und einige der Weine vor.
Fotos: © Astrid Bartel; Kellergasse: Gruber Röschitz
Flaschenfotos: © Weingut Gruber Röschitz
HÖRERLEBNIS mit Maria Gruber