An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
21. Oktober 2016
Wir sind im Jahre 1894 in einem kleinen Hinterzimmer einer zu einem Café gehörenden Keksbäckerei in dem Städtchen Pisticci, im Süden Italiens in der Basilikata unweit von Matera und dem Ionischen Meer. Pasquale Vena hantiert seit langem mit Kräutern und Pflanzen herum, dazu ätherische Öle, Karamell, Wasser und Alkohol. Er möchte keinen Obstlikör oder Brand machen wie die Bauern der Gegend und auch kein bitteres Apothekertröpfchen für die inneren Organe. Ihm schwebt ein wohlschmeckender Kräuterlikör vor, nicht zu süß, nicht zu stark, nicht zu bitter. Irgendwann entsteht aus seinen Mixturen ein Rezept: Er hat seinen Amaro gefunden. Und was liegt näher, ihn nach der Region zu benennen, wo er lebt und arbeitet: Lucano. Lucano ist ein Adjektiv zu b. Lucania ist der Name der römischen Provinz, zu der das heutige Gebiet der Basilikata gehörte.
Das sind die Geschichte und die Legende, die hinter einem der erfolgreichsten und wohlschmeckendsten Kräuterliköre Italiens stehen. Er wird noch immer nach jenem Rezept hergestellt, mit dem vor über hundert Jahren Pasquale Vena den Amaro Lucano komponierte und das seitdem über Generationen weitergegeben wurde.
Der Amaro Lucano soll aus mehr als 30 Kräutern bestehen, vermutet werden anderem römischer Wermut, Wermut, Muskatellersalbei, Pontischer Beifuß, Schafgarbe, Mariendistel, Lavendel, Anis, Fenchel, Muskat, Kardamon, Zitrusschale, süße Orangenschale, italienische Weinraute, französische Enzian-Wurzeln, Chinarinde, Safran, Engelwurz und Holunderblüten aus Osteuropa und südafrikanische Aloe. Die Herstellung beginnt mit der Trocknung der Kräuter, von denen einige dann gemahlen und andere zerschrotet mit Alkohol und Wasser zwischen 12 und 24 Stunden lang mit eine Temperatur von rund 60 Grad mazeriert oder genauer digeriert werden: Das heißt sie werden eingeweicht, damit die löslichen Bestandteile wie Farb- und Aromastoffe in das Alkohol-Wasser-Gemisch übergehen. Es ist ein rein physikalischer Vorgang und hat nichts mit einem Gärungsprozess wie beim Weinmachen zu tun. Danach wird das gefärbte und aromatisierte Gemisch abgepresst und mit ätherischen Ölen wie Zimtöl, Alkohol und Wasser zu einem Extrakt aufbereitet. In riesigen Absetzbecken trennt die Schwerkraft die schweren Sedimente von der Flüssigkeit während die leichten wie ein Tresterhut an der Oberfläche schwimmen. Drei bis vier Monate dauert dieser Prozess, bei dem alles getan wird, um die organoleptischen Veränderungen, also von Geruch, Geschmack, Aussehen und Farbe, zu minimieren. Für die anschließende Produktion wird nur die reine, gefilterte Flüssigkeit des Extrakts verwendet. Jetzt wird mit Wasser, Zuckersirup, Alkohol und Karamell gemäß dem traditionellen Rezept abgeschmeckt und analysiert und dann im Edelstahl gelagert bis nach erneuter Filtrierung und Analyse der Likör mit 28% Alkohol fertig ist zur Abfüllung.
Während Restaurants in aller Welt schon seit vielen Jahren in kleinen Schlucken erobert werden, strebt das Unternehmen mit Vehemenz in die internationale Bar Szene. Dafür hat man das Image vom Amaro Lucano als Digestiv oder Aperitif durch eine Reihe Cocktails erweitert, mit denen die Bartenderkunst angeregt werden soll. In den USA, wo Jägermeister bekanntlich schon vor Jahren den Weg für Kräuterbitter geebnet hatte, wurde der Auftritt von Amaro Lucano 2014 mit der Goldmedaille beim San Francisco World Spirits-Wettbewerb belohnt.
Die Marke wächst, aber die Wurzeln bleiben in der Basilikata, deren romantische Landschaften in dem geheimnisvollen Mix von Rauheit und Süße in jeder Flasche Lucano Amaro verkörpert werden. "Che cosa vuoi di più dalla vita? Un Lucano!" – "Was willst du mehr vom Leben? Einen LUCANO!“, dieser geniale Werbespruch aus der Marketing-Kampagne ist im italienischen Alltag so berühmt geworden, dass er schon mehrfach parodiert wurde, unter anderem von dem kalabrischen Kabarettisten Rocco Barbaro. Der Slogan hat dazu beigetragen, dass Amaro Lucano endgültig zu einem der bekanntesten Amari in Italien geworden ist.
Wir haben einige Schlückchen Amaro Lucano verkostet:
Im Glas funkelt dieses transparente, leicht rötliche Karamellbraun, das edelsteinmäßig irgendwo zwischen Bernstein und einem Andalusit leuchtet. In der Nase tauchen Aromen auf von Eukalyptus, dunklen Kirschen, Sultaninen, Lavendel, Fenchel, Cola, Sandelholz, Piment und bitteren Kräutern. Am Gaumen flutet sogleich eine süßliche Kräutrigkeit und Würze an mit einer leichten, breiten und etwas erdigen Bitternote. Töne von Zitrus, Karamell, Cola, schwarzem Tee, Minze, Salbei und Kampfer tauchen auf und wieder ab, ohne sich irgendwie medizinisch zu verdichten. Süße und Bitterkeit erscheinen immer wieder in unterschiedlicher Ausprägung. Seine 28 Volumenprozent Alkohol sind weder brandig noch aggressiv. Der Amaro Lucano ist ein vollmundiger, ausgewogener und komplexer Bitter mit sanften Tönen.
Genießen Sie ihn pur, um alle Eindrücke von Geschmack und Geruch wahrzunehmen, aber kippen Sie ihn nicht einfach nur als Digestiv hinunter. Als Aperitif wirkt er traditionell mit Eis und Zitrone. Mit heißem Wasser schlägt er an einem Winterabend jeden Glühwein in die Flucht. Sie können aber auch leckere Longdrinks, z.B. mit Orangensaft, oder eindrucksvolle Cocktails herstellen, von denen zahlreiche Rezepturen kursieren. Probieren Sie einfach selbst etwas aus, beispielsweise mit Cointreau.
Fotos: © Lucano.
HÖRERLEBNIS mit Leonardo Vena (in englischer Sprache)
Die Kräuterbitter-Legende aus der Basilikata: Amaro Lucano
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