An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Wein- & Sektgut Ernst Weisbrodt in der Pfalz: Mit Bio und mit Tradition zum Erfolg
16. Mai 2015
Wer zwischen Ludwigshafen und Neustadt an der Weinstraße von der A65 die Ausfahrt Deidesheim nimmt und auf der B 271 nach Norden fährt, darf dann später nicht nach links Richtung Deidesheim abbiegen, sondern muss sich rechts halten, um nach Niederkirchen zu gelangen, dorthin, wo das Wein- & Sektgut der Familie Weisbrodt direkt in der Ortsmitte liegt – übrigens nur gut zwei Kilometer von Deidesheim entfernt. Hier beherrscht der als Mittelhaardt bezeichnete hügelreiche Übergang des Pfälzerwalds zum Vorderpfälzer Tiefland das Weinklima.
Als Qualitäts-Winzer in Deidesheim und Umgebung wird es einem nicht leicht gemacht. Zum einen muss man zur Geltung bringen, dass man nichts zu tun hat mit der ehemals berüchtigten pfälzer Massenvermarktung von Saufweinen. Zu anderen steht man im Wettbewerb mit zahlreichen Weingütern, von denen einige schon angekommen sind im Sterne- und Gläserbereich der Weinguides, andere noch auf dem Weg sind, das Besondere in die Flasche zu bringen.
Philipp Weisbrodt hat nach dem Abi in Geisenheim studiert und vor dem Diplom seine Praktika in der Toskana bei Il Borro und in der Südpfalz bei Dengler-Seyler gemacht und in der berühmten Weinregion South Australia gearbeitet. Er ist Mitglied der Generation Riesling und hat sich mit einigen Jungwinzern aus den fünf Orten der Verbandsgemeinde Deidesheim zur Gruppe WineChanges zusammengeschlossen.
Philipp Weisbrodt setzt wie einige andere seines jungen Geisenheim-Jahrgangs darauf, nach den Grundsätzen des ökologischen Weinbaus und mit traditionellem Handwerk die Einzigartigkeit des terroirs in den Weinen erlebbar zu machen. Authentisch sollen die Weine sein, individuell und naturbezogen. Philipp Weisbrodt hat gelernt, das, was die Natur im Weinberg jedes Jahr so eigenwillig und so vielfältig anbietet, niemals als Last zu sehen, sondern immer als Chance, einen Wein mit einem unverwechselbaren Charakter formen zu können. Und er weiß, dass die Natur und die Reben es auch danken, wenn man im Weinberg und im Keller schonend mit ihnen umgeht. Konsequent hat sich Familie Weisbrodt seit einigen Jahren der biologischen Bewirtschaftung zugewandt und ist seit dem Jahrgang 2009 als Bio-Weingut zertifiziert.
Die das Traubenaroma so bestimmenden Böden reichen von verwittertem Buntsandstein und Löß-Lehm bis zu Kalk und Vulkangestein. Der Sandstein besteht aus Quarzkörnern, die durch Bindemittel wie Ton, Kalk oder Mergel zusammengefügt wurden. Der Buntsandsein entstand als roter Sandstein durch verschiedene Eisenoxyde, der gelbe Sandstein durch spätere Einwirkung von Thermalwasser. Die Buntsandsteinverwitterungsböden in Deidesheim und Umgebung sind grundsätzlich eher sauer und haben eine geringe Wasserhaltekraft. Wer hier ordentliche Reben wachsen sehen will, muss reichlich Humus ausbringen, auch um die Erosion in Grenzen zu halten.
Die Lagen betten sich je nach Höhe, Himmelsrichtung, Bodenneigung und Vegetationsumgebung mit mikroklimatischen Nuancen in das Klima der Mittelhaardt ein. Das Mikroklima kann auch mal von einem kleinen Bächlein wie dem Moosbach bestimmt sein, der in der Lage Deidesheimer Mäushöhle die nördliche und südlichen Hänge teilt und dafür sorgt, dass die Kaltluft, die mit den häufigen Westwinden vom Wald des Mittelhaardt kommt, hier wenig absinkt.
Im Weinberg wird mit allem, was der ökologisch nachhaltige Weinbau hergibt, gearbeitet, aber auch experimentiert. Begrünung der Gassen und Rebflächen ist ebenso selbstverständlich wie Humusdüngung und die dankbare Begrüßung der kleinen Nützlinge, die zum sensiblen Gleichgewicht im Kampf mit Schädlingen antreten sollen. Verschiedene Maßnahmen wie etwa Ertragsreduzierung setzen das Mengen-Güte-Gesetz um, weil man Qualität erhalten will, nicht Masse.
Philipp Weisbrodt weiß, wie wichtig der Lesezeitpunkt ist und sich der Reifegrad der Trauben im Wein ausdrückt. Überwiegend wird mit der Hand und selektiv gelesen und darauf geachtet, dass das Lesegut schonend auf die Erlebnisse im Keller vorbereitet wird. Dort gibt es vor allem eines: Zeit. Die Trauben dürfen sich genüsslich auf der Maische oder auf dem Hefelager rekeln und es sich vielfach auch im Holzfass gemütlich machen. Das mit der Hefe gilt natürlich insbesondere für die Sekte, die – wie der so geschützt vermarktete Bruder aus dem Nachbarland – in traditioneller Flaschengärung hergestellt werden. Ansonsten wird Bio-Wein nicht ideologisch einspurig, sondern vor allem ausgerichtet an regionalen Traditionen hergestellt. Je nach Rebsorte, Herkunft und Ausbauziel wird im Keller alles gemacht und mit allem experimentiert, was im biologischen Weinbau möglich ist.
Im Juni 2011 eröffneten die Weisbrodts mitten in Deidesheim die Weinbar 1911. Der Name ist eine Reminiszenz an den Urgroßvater und seinen 1911-Start-Up. Sie können hier entspannt leckere Kleinigkeiten genießen und sich durch die Weinkarte probieren. Auch eine Riesling-Schorle wird nicht herablassend beäugt.
Familie Weisbrodt hält auch die passende Ferienwohnung für bis zu 4 Personen vor, sogar mit 5 Sternen. Supermodern ausgestattet liegt die 75qm-Wohnung im Dachgeschoss des Weinguts mit weitem Blick bis zum Hambacher Schloss – der ideale Ausgangspunkt für Touren in den Naturpark Pfälzer Wald oder nach Speyer und idealer Endpunkt für einen reichlichen Wein-Abend in der Pfalz.
Wir konnten fünf Still-Weine vom Wein- & Sektgut Ernst Weisbrodt verkosten.
Weissburgunder trocken 2014
Die Reben für diesen Gutswein wurden in verschiedenen Lagen überwiegend mit sandigem Lehm manuell in zwei Durchgängen geerntet. Dabei wurde schon im Weinberg darauf geachtet, dass die Trauben gehätschelt werden, um die beginnende Oxidation gering zu halten. Im Keller durften sich die Trauben teilweise im Eichenholz Tonneaux spontan vergären, der Rest wurde komplett im Stahltank ausgebaut. Im Glas sehen wir ein blasses, helles Gelb. In der Nase drängeln sich dezente Aromen von Äpfeln und Birnen, Ananas und vielleicht eine kleine Richtung Aprikose. Am Gaumen gibt es eine Überraschung: Natürlich schmecken wir in leicht nussiger Hülle wieder die Birnen und die Ananas, durchaus chardonnay-like. Überraschend ist aber der elegante Stil auf dem Einstiegslevel des Gutsweins. Den Wein müssen Sie nicht erst in Ihren Keller legen, um Harmonie zu erhoffen. Es ist schon jetzt ein ausgewogener, schön säure- und restzuckerstarker, aber frischer Wein, der das Potenzial einer Spätlese erreicht. Gönnen Sie dem Wein mainstreammäßig ein klassisches Kalbsschnitzel mit Spargelbeilage. Sie können ihn aber auch mit einem Lammfilet-Carpaccio angenehm erschrecken.
Aus dem recht sandigen Deidesheimer Nonnenstück, das sich vom Ortsrand über die B 271 hinweg in nordöstlicher Richtung an Niederkirchen entlang fast bis Gönnheim erstreckt und vom Stechgraben in zwei Teile getrennt wird, kommen die Spätburgunder-Trauben, die zu einem supersüffigen Blanc de Noir verarbeitet worden sind. Mit der Südausrichtung tanken die Rebstöcke üppige Sonne, die Philipp Weisbrodt mit einer späten Lese vollreifer Beeren direkt in den Keller transportiert hat. Ein leuchtendes, helles Pink lacht uns im Glas an, wir nehmen die frische Duftigkeit auf von Brombeeren und schwarzen Hedelfinger Knorpelkirschen. Wir schmecken in einer feinen markanten Süße frühreife Erdbeeren und wieder die Brombeeren. Die besiegte Säure gönnt uns immerhin einen leckeren Abgang. Der süffige Wein zu einem Poulardenbrustfilet oder zu einem Vorspeiseteller mit Serranoschinken.
Alte Welt Riesling trocken 2014
Das ist der Wein mit dem Bildnis von Ur-Opa, der als Resumée einer Weinverkostung bei Familie Weisbrodt immer der „älteste“ Wein in der Reihenfolge sein wird, weil er als Einstiegswein als einer der ersten verkostet wird. Gute Idee mit dem schönen Ur-Opa-Foto, möglicherweise inspiriert von Weisbrodt-Tochter Eva-Maria, die mit stylischen Kreationen die Werbeagentur „Ansichtssache“ betreibt. Der Wein ist ein allseits gefälliger, klassischer Frucht-Riesling traditionellen Stils, ein Lockwein für Weinanwärter und ein Party-Allrounder für den Weinliebhaber. Er ist aromatisch fruchtig, Zitrus, Weinbergpfirsiche, weiße Johannisbeeren. Am Gaumen erscheint er würzig, opulent fruchtig und reif. Er zeigt aber auch seine Säure-Muskeln, die uns einen kraftvoll-roughen Abgang hinlegen. Mit 12,1 Volumenprozent Alkohol ein fairer Player, der gerne einen Meeresfrüchtesalat oder einen gebratenen Dorsch begleitet.
Petershöhle Deidesheimer Herrgottsacker trocken 2012
Die Petershöhle ist eine Sublage des Herrgottsackers, die in der Vegetationszone des Haardt liegt, rund um den Vulkanberg und das Biotop Pechsteinkopf. Die Lage ist mit Buntsandstein gesegnet, verbreitet auch mit einer Schicht aus sandigem Lehm. Sie ist geschützt von alten Terrassenmauern. Hier kann man das Mikroklima nutzen, indem man so spät wie möglich erntet, insbesondere erst im Oktober. Die Lage bekommt durch ihre frühe Verschattung in der Nähe zum Wald weniger Sonne, was angesichts der aktuellen Klimaveränderung durchaus von Vorteil ist, wenn, wie hier, der übrige Rahmen wie die milde Thermik und die frühe Feuchtigkeitsverdunstung stimmen. Der Riesling jedenfalls freut sich umso mehr, als im September-Oktober das Zusammenspiel zwischen noch hoher Tageswärme und früher Nachtkälte markante Frucht und Säure ausbilden. Der Jahrgang 2012 ist im Edelstahl ausgebaut. Wir schnüffeln immer wieder an den würzigen Zitrusaromen und Pfirsichen und der großzügigen Mineralität. Obendrein kauen wir auf Ananasaromen herum und freuen uns über die ausgeprägte Fruchtigkeit aus der deutlichen Restsüße, die mit der Säure so gut austariert ist, dass eine powermäßige Süffigkeit entsteht. Dabei haben wir hier keinesfalls ein plumpes Energiebündel im Mund, ganz im Gegenteil einen Wein mit Finesse, der einen Höhepunkt an Trinkfreude bietet. Genießen Sie den Wein doch einfach mal solo mit allen Sinnen. Ansonsten kann man ihn sich gut zu einem mäßig gewürzten thailändischen Schweinefleisch-Curry an asiatischen Gemüsen vorstellen.
Die kleine Einzellage Mäushöhle ist vom Moosbach durchzogen, der, wie eingangs erwähnt, ein besonderes Mikroklima anzieht. Die Böden sind sehr unterschiedlich, von lehmig bis sandig-lehmig mit jeder Menge Rotsandsteingeröll, Ton oder Sandsteinmergel, tiefgründig auch Sandsteinfels. Der Buntsandstein bietet eine gewisse mineralische Basis, auf die der sandige Lehm seine Fruchtnoten setzt. Der Haardt hält unbotmäßigen Regen und kalte Westwinde ab, die Hanglage mit bis zu 25 % konserviert die herbstliche Bodenwärme noch soweit durch den Winter, dass Erfrierungen selten sind. Die Bezeichnung Mäushöhle hat übrigens nichts mit Nagetieren zu tun, sondern geht schlicht auf die Alt-Eigentümer, Familie Maus, zurück, während die „Höhle“ sich aus dem Wort „Halde“ für Hang entwickelt hat.
Spätburgunder Deidesheimer trocken 2013
Im Hörerlebnis treffen Sie Philipp Weisbrodt, Jungwinzer, auf der Veranstaltung der GENERATION RIESLING in Berlin im Mai 2015. Er stellt das Wein- & Sektgut Ernst Weisbrodt und seine eigenen Ideen der Weinbereitung vor.
Philipp Weisbrodt
Fotos: © Weingut E. Weisbrodt
Flaschenfotos: © D.Rosenbaum
HÖRERLEBNIS mit Philipp Weisbrodt