An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Der aufgehende Stern an der Mittelmosel: Das Weingut Walter in Briedel
11. Mai 2015
Welches Weingut kann schon von sich sagen, dass die Familie seit 1568 Weinbau betreibt, und das seit etwa 1700 sogar in ein und derselben Gemeinde? Wie mag es damals zugegangen sein in Briedel an der Mosel? Hat sich der Winzer Walter im Kerzenschein über die Fässer gebeugt nachdem er zuvor mit seinem Pferd die letzte Fuhre eingebracht hatte?
Seit 1983 führt die Generation Alexa und Alfred Walter das Weingut und zwar ohne Pferd und ohne Kerzenschein, dafür aber seit drei Jahren mit dem supertalentierten Sohn Gerrit, der nicht nur als Kellermeister fungiert, sondern auch der Vermarktung der Weine neue Impulse gegeben hat: Damit ist nicht nur Alexas und Alfreds sondern auch Gerrit Walters Lebensplanung aufgegangen. Wie geräuschvoll die Überleitung auf die nächste Generation auch immer sein mag, letztendlich sind alle zufrieden, wenn das Weingut in der engsten Familie fortgeführt wird. Das wird auch Oma Maria gefallen haben, die seit unvordenklicher Zeit die Küche bewirtschaftet und Energie verteilt. Gerrit Walter ist der Glückliche, der mit jetzt 27 Jahren die Herrschaft über die Kellergeister ausüben darf.
Nach Abschluss seiner Ausbildung in Geisenheim sammelte er zwei Jahren lang Berufserfahrung bis hin zum Kellermeister im Weingut Dreissigacker, dem bewunderten Aufsteiger aus Rheinhessen. Dass seine Eltern bereit waren für den Generationswechsel und vor allem für seine Vorstellungen im Weinberg und im Keller, erleichterte ihm den Zugang zum Familienweingut im Jahr 2012. Inzwischen gibt es eine moderne Vinothek, die Flaschen erscheinen mit neuem Label und der Inhalt macht sich auf, zu den Sternen der Mittelmosel zu greifen. Bislang ist es noch eine echte trouvaille, aber es wird kein Märchen bleiben, dass man eines Tages Pünderich ohne Stop bei CB durchfahren wird nach Briedel zu Gerrit Walter und seinen Moselsternen.
Im Weinberg dirigiert zwar überwiegend noch Papa Walter, jedoch im Takt der von Gerrits mitgebrachten Anbaugeheimnisse und nach den Grundsätzen eines nachhaltigen Weinbaus.
Das beginnt beim niedrigen Anschnittsniveau der Reben. Alles klar? Wohl kaum. Das Anschnittsniveau betrifft das Verhältnis zwischen Blättern und Reben und kann beim richtigen Umgang die Zuckerleistung der Früchte und das Aromaprofil des Mosts, letztlich das Ertragsniveau verbessern. Ausgangspunkt ist die Breite der Gassen zwischen den Rebstockreihen, weil damit schon mal die Belichtung des Rebstocks festgelegt ist. Ansonsten kommt es darauf an, wie viele Austriebsaugen pro Meter Rebzeile man stehen lässt. Das Geheimnis ist also, was man vom Rebstock letztendlich wegschnippelt, um einerseits die optimale Laubwand zum Schutz, aber auch zur Sonnenexposition der Traubenzone, andererseits die gewünschte Traubenanzahl pro Auge zu erreichen.
Andere Methoden in den Weinbergen der Walters sind das Entfernen unerwünschter Triebe und dem Freilegen der Trauben durch Entblättern bis hin zur Ertragsreduzierung durch die sogenannte Grüne Lese, also die Ausdünnung der Trauben im Sommer. Kaum erwähnenswert erscheint, dass per Hand gelesen wird, was nicht zuletzt Steilhängen von bis zu 75 % geschuldet ist.
Sie können bei Familie Walter übrigens nicht nur das Weingut besuchen, sondern gleich im „Domizil am Weingarten“ wohnen. Hier sind vier komfortable Ferienwohnungen eingerichtet, die so beziehungsreiche Namen tragen, wie Schäferlay, Weisserberg, Marienburg und Herzchen.
Wir konnten sechs Weine aus dem Weingut Walter verkosten.
Riesling trocken 2014
Die Rieslinge sind für Gerrit Walter die Referenzweine schlechthin. Der Riesling trocken ist ein Einstiegswein, der bereits die weingutstypische Generalqualität aufweisen. Auch der Riesling trocken 2014 durfte sich spontan und mit wilden Hefen vergären und wurde lange ruhen lassen.
Gerrit Walter stellt zu recht heraus, was die Mosel so eigen macht, Alleinstellungsmerkmal heißt es heutzutage, ach so modisch. It’s the Fruchtigkeit, Mineralität und Säure, Stupid. Üppige Frucht und knackige Säure mit der Mineralität des Devon macht kühle, schlanke Weine, die Opa zwar nicht mehr gefallen mögen, dafür ihre Herkunft nicht leugnen und die allzu leicht eingeebnete Harmonie des Rheingaus gar nicht erst anstreben. Dafür gibt es Klarheit und Präzision im Glas.
Und so glänzt der Riesling trocken 2014 frisch und munter in der Nase und am Gaumen gleichermaßen. Er ist hat die gehörigen Aromen weißer Früchte bis zum weißen Pfirsich mit Zitruspointen. Er schmeckt gehörig fruchtexotisch, leicht hefig-pflanzlich mit cooler Säure und Mineralität. Ein spritziger Start-up-Tropfen. Erschrecken Sie bitt nicht so ganz banal einen Fisch mit diesem Wein, tätscheln Sie lieber etwas mutiger den deftigen Geschmack eines Schweinekoteletts.
Weissburgunder trocken 2014
Seit 15 Jahren baut das Weingut auch Weissburgunder aus, wovon 10% ins große Holzfass kommen, der Rest in die Edelstahltanks. Hellgelb schimmert der Wein im Glas und strömt mit seinen Äpfeln und gelben Pflaumen so dahin. Vereinzelt wurde auch Ananas bemerkt. Im Mund erfüllt sich die Erwartung einer schön herben Nussigkeit, gedämpft vom zarten Schmelz der Aprikosen. Geradlinig ist auch dieser Wein, er hat eine vornehme Säure und eine prägnante Mineralität, die eine leichte Erdigkeit mitbringt, die den Wein aber nicht schroff oder kantig macht. Er ist angenehm weich und nahezu süffig und geht weissburgundermäßig ab. Das ist was Feines zu ganz schlichter Penne mit geriebenem Parmesan oder natürlich mainstreamhaft zum Spargel.
Briedeler Riesling trocken 2014
Das ist sozusagen der eine der zweieigen Ortswein-Zwillinge, von denen einer trocken, der andere feinherb ausgebaut ist, beide länger als 2 Tage auf der Maische vor dem langsamen Abpressen. Der trockene Riesling funkelt im Glas goldig hell und lässt jede Menge Aromen von Pfirsichen und Aprikosen mit etwas Zitrus heraus. Man muss sich geradezu zwingen, die Schnüffelei zu beenden. Mit dem Schluck aus dem Glas erleben wir wieder Pfirsiche und Aprikosen, aber auch grüne Äpfel und einige Tropfen Limette. Er ist griffig mineralisch, bringt Geschmack und Aromen mit und verwöhnt noch in einem ordentlichen Abgang. Tun Sie sich und dem Wein noch mehr Gutes, indem sie ihn zu Austern anbieten oder zu einem Red Snapper in Salzkruste.
Wie ein Hauch frischer Luft ist dieser Riesling, der wie alle feinherben Rieslinge perfekt an die Mosel passt. In keiner Ausbaustufe kann man so zwischen Aromen und Säure nebst Mineralität Ping-Pong spielen wie im feinherben Bereich. Der Briedeler Riesling feinherb ist in der Nase und im Geschmack randvoll mit Pfirsichen, Äpfeln und Birnen plus lieblichen Kräutern und einem ganz klitzekleinen Hauch von Hefe. Er bleibt kühl und frisch und man erfreut sich an der süffigen, süßlich-säurigen Fruchtigkeit. Mit den üblichen feingemüsigen thailändischen Currys machen Sie nichts falsch mit diesem Wein. Überraschen Sie Ihre Gäste indes doch einmal zu diesem Wein mit einem Gänsebraten samt Rotkohl und Klößen – gerade das lieblich eingebundene Mineralische topt dieses Gericht.
Pündericher Marienburg Riesling trocken 2013
Im Glas steht jetzt ein wiederum hellgelber Wein mit goldenen Reflexen. Unsere Nasen nehmen einstimmig würzige Zitrusdüfte wahr, dazu Pfirsiche, reife gelbe Pflaumen und eine verheißungsvolle Mineralität. Ach ja, jemand will auch noch ein bis zwei Haselnüsse und einen Hauch von Hefe verspürt haben. Am Gaumen schmelzen saftige Äpfel, wiederum gelbe Pflaumen, getrocknete Kräuter und einige Blümchen dahin. Alles von einer toughen Mineralität umkreist und mit einer ausgesprochen feinen Säure abgesegnet. In einem langen, kernigen Abgang erfreut uns der komplexe, körperreiche, kraftstrotzende Wein noch weiter. Genießen Sie ihn jetzt als Energiesturm zu einem scharf gebratenen Saibling oder einen gut gewürzten Wolfsbarsch an einer Ingwersoße. Oder warten Sie noch zwei Jahre auf ein ausgewogenes, edel geglättetes und feinfühliges Moselerlebnis mit anhaltendem Fruchtglanz
Briedeler Schäferlay Riesling Spätlese 2014
So gehen gleich frische, mineralische Apfel-, Kandis- und Pfirsich-Aromen mit etwas Rosen- und Zitrusklängen in die Nase. Im Mund leckern wir saftige, gelbe italienische Pfirsiche, Litschis, Mango. Lange währen der süßlich-herbe Abgang und unser Nachschmatzen. Ein moderner, konzentrierter Riesling mit 9% Alkohol, lebendiger, aber nicht nervender Säure, geschliffener Mineralität und edelsüßer Fruchtigkeit. Bereiten Sie zu diesem Wein ein auf dem Zedernbrett gegrilltes Lachsfilet mit Kandis-Soja-Soße zu, die Gäste werden jubeln, natürlich sowohl über die Speise, vor allem aber über den Wein.
Im Hörerlebnis treffen Sie Gerrit Walter, Jungwinzer, Angehöriger der GENERATION RIESLING. Er stellt das Familienweingut Walter und seine Ideen der Weinbereitung vor.
Fotos: © Weingut Walter
Flaschen-Fotos: © D.R.
HÖRERLEBNIS mit Gerrit Walter