An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Das Familienweingut Benzinger in der Pfalz
30. September 2011
Das Familienweingut Benzinger liegt in Weinanbaugebiet Pfalz, genau gesagt in Kirchheim, südlich von Grünstadt; wenn Sie die A 6 verlassen, sind es nur wenige Kilometer auf der Bundesstraße 271 Richtung Bad Dürkheim und Sie erreichen den Leiningerhof. Auf den bis ins Jahr 1598 zurückgehenden Grundmauern wurde über die Jahrhunderte ein stattlicher Winzerhof in naturbelassener Umgebung errichtet, dessen Steine über eine bewegte Geschichte in der Hand mehrerer Bauern- und Winzerfamilien berichten könnten. Seit 1967 ist mit Hermann Benzinger die erste Generation der Familie Benzinger in den Leinigerhof eingezogen und hat unter begleitender Aufgabe der Landwirtschaft sich dem Weinbau zugewandt. Sohn Volker Benzinger wurde der erste Winzer in der Familie mit Studium an der berühmten Weinhochschule in Geisenheim.
Heute führen Volker und seine Ehefrau Ilse Benzinger, die von der Mosel stammt, mit ihren Töchtern Julia und Silvia das Familienweingut gemeinsam. Volker und Julia fungieren dabei als Kellermeister. Ilse Benzinger ist die Weinbetriebs-wirtschafterin und managt zusammen mit der ältesten Tochter, der Weinbetriebswirtin Silvia Benzinger, den Verkauf und die übrigen wirtschaftliche Seite des Betriebs. Alles in allem also ein wirkliches Familienweingut – hier wird Tradition tatsächlich gelebt und nicht nur deklariert. Tochter Silvia kann übrigens auf königliche Weihen zurückblicken, war sie doch 2004/05 Pfälzer und 2005/06 sogar deutsche Weinkönigin und schenkte in diesem Amt bis nach Japan deutsche Eisweine aus.
Zum Leinigerhof gehört auch das Restaurant Benzinger, in dem Küchenchef Bernd Friedrich seine Kompositionen in pfälzer Lebensart und mit bezahlbaren leckeren Ergebnissen kreiert. Das Menü des Monats bleibt einschließlich der Weinbegleitung unter 50 € und bietet Köstlichkeiten, die durchaus eine kulinarische Sternschnuppe wert wären.
Seit Julia Benzinger 2007 in dritter Generation beim Weinmachen mitmischt, ist neuer Schwung in das Weingut gekommen. Was Vater Volker bereits begonnen hatte, will Julia konsequent durchsetzen: Qualität statt Masse, Regulierung des Masse-Güte-Gesetzes schon im Weinberg und schonender, eng überwachter Ausbau der Weine im Keller.
Auf 13 Hektar Rebfläche wird der gesamte Weinanbau unter familiärer Regie bewältigt. Tochter Julia wird in alle Entscheidungen vom Rebenanbau bis zur Weinbereitung und den Vermarktungslinien einbezogen. Ihre jugendliche Frische und ihr Elan haben zu einem zeitgemäßen Übergang zu modernen Methoden und neuen Standarts geführt. Das beginnt in den Weinbergen, wo sie schon mal selbst die Hacke schwingt, und endet im Keller, wo nach der Ernte die Spannung steigt, ob der Wein den von ihr angestoßenen Konzepten gehorcht.
Julia Benzinger hat ihre eigene Weinlinie, die sie ausdrucksvoll und selbstbewusst mit dem Initial ihres Vornamens „J!“ benannt hat, wobei das Ausrufungszeichen den Aufbruch zeigen soll, frische Ideen für jugendliche Weine. Mit dieser Linie will sie sich vom väterlichen Stil lösen, will experimentieren, Risiken eingehen, neue Wege finden. Den Wind, den die Initiative „Generation Riesling“ bei den jungen Winzerinnen und Winzern gesät hat, möchte Julia Benzinger zu Hause ernten. Wochenlang wartet sie, was die eingefahrenen Trauben an Weinberghefen mitgebracht haben und in die Gärung umsetzen. Sie zielt in erster Linie auf eine Spontanvergärung ab, will den Trauben eine Chance geben, die sie im Tank oder Fass aber auch zurückhaben möchte. Die Weine sollen ihren Vorstellungen entsprechen, authentisch sein, ihre Identität als Winzerin ausdrücken.
Wie auf vielen Weingütern in der Pfalz werden in den Weinbergen des Familienweinguts Benzinger etliche spezielle Rebsorten angebaut, die wiederum in mehreren Linien angeboten werden. So findet man beim Weißwein neben dem Riesling den Silvaner, die Scheurebe, den Sauvignon Blanc, einen Auxerrois und den Weißen und Grauen Burgunder. Neben einem Gutsrosé und einem Blanc de Noir aus Spätburgunder werden die Rotweinsorten Spätburgunder, Dornfelder, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot, aber auch St. Laurent und der Blaue Portugieser ausgebaut. Die Linien reichen von den Gutsweinen über die Rebsortenweine, die Einzellagenweine bis zu den „Ausgesuchten Spitzen“, unter denen die roten und weißen Barrique-Weine nebst Beerenauslese und Trockenbeerenauslese zu finden sind. Die Edelsüßen stammen übrigens aus Julia Benzingers eigenen Erstjahrgang 2007 und tragen deshalb selbstverständlich ihr Etikett „J!“. Im Schaumweinbereich bieten die Benzingers handgerüttelt und nach der als solche nicht zu bezeichnenden berühmten Methode hergestellten Riesling brut und Pinot extra trocken. Die Preise ab Hof sind generell erfreulich fair ohne eine unangemessene jugendlich leichtsinnige Überfliegerei.
Wir haben drei weiße Weine und drei rote Weine aus den verschiedenen Linien des Familienweinguts Benzinger verkostet:
Mit einem funkelnden, kräftigen Gelbton steht Julia Benzingers persönlicher Riesling im Glas. Er kommt mit einem schwarzen Etikett, das den pinkglänzend herausleuchtenden Titel „J!“ gleichsam umrahmt. Sofort verströmt der Wein sein üppiges, fruchtiges Bouquet mit einer atemberaubenden Frische, angetrieben von gelben zitronigen sowie weißblütigen Noten, ein Hall von Grapefruit bis hin zu reifen weißen Johannisbeeren. Der saftige, von 12,5 Grad Alkohol getragene Geschmack enttäuscht die Erwartung nicht: Immer wieder muss man diesen Wein süffeln; die kräftige Frucht hält die Säure mit angenehmer Restsüße im Zaum, ein animierender Wein, der mit einer eleganten Würze überzeugt. Der erwartete lange, fruchtbetonte Nachgang lädt ein, erneut zur Flasche zu greifen, J! kann süchtig machen. Begleiten Sie ihn mit Honig-Senf-marinierten Salaten oder einem kräftigen rohen Schinken, dem ruhig eine leicht pikante Feigensauce beigestellt sein darf.
2010 STEINACKER, Riesling trocken, Kirchheimer Steinacker
Ein komplett im Edelstahl ausgebauter Riesling, der es zu 12,5 Volumenprozent Alkohol gebracht hat. Hell leuchtet er im Glas, pfirsich-, zitrusgestützte Fruchtaromen mit einer leichten grasigen Illusion wirbeln in der Nase. Eine lebendige Säure arbeitet im Glas und schmilzt im Mund mit mineralischer Begleitung zusammen zu einer schönen, weinigen Frucht, die lange anhält. Ein frischer jugendlicher Wein, der schon jetzt, aber auch noch in zwei Jahren gefällt.
2010 SCHNEPP, Sauvignon blanc trocken, Obersülzer Schnepp
In Deutschland hat der Sauvignon blanc in der Pfalz schon viele interessierte Winzer und neugierige Kunden gefunden, ansonsten ist die nicht einfach zu kultivierende Rebsorte noch nicht so verbreitet. Die Benzingers haben mit dem Jahrgang 2010 offenbar Glück gehabt, gab es doch gerade in der pfälzischen Mittelhaardt beim Sauvignon blanc nach verzögerter Blüte deutliche Verrieselungsschäden und stark reduzierte Erträge. Nun also haben wir den perfekten Sommerwein bekommen mit einer 13°-Noblesse, die Gäste beeindruckt und der Joker bei der Wahl der Speisen ist. Strohgelb blitzt er im Glas, in der Nase macht er richtig was los: Es drängeln sich Stachelbeeren, grünes Gemüse, aber auch exotische Früchte wie Kiwis, Litschis und hin und wieder ein Anflug von Melone oder sogar schwarzen Johannisbeeren. Mit schlanker Frucht schmeckt er dennoch kräftig, sortentypisch – das ausgewogene hohe Niveau von Säure und Restsüße macht ihn überraschend saftig. Darin kommt das Privileg der Mittelhaardt zu Ausdruck, dank nicht überhitzter Lagen dem Sauvignon Blanc eine deutliche Säure entlocken zu können, die andererseits bei nicht zu früher Ernte mit einem markanten Süßebonus belohnt. Legen Sie sich einen guten Vorrat an, der Wein macht es locker drei Jahre und passt zu nahezu jeder Speise. Probieren Sie aber mal verwegener Weise einen Mascarpone vermengt mit pürierten, leicht mit Vanillezucker gesüßten Erdbeeren dazu.
2009 Cabernet ° Merlot trocken, Kirchheimer Kreuz - Holzfass -
Mit dieser beeindruckend französisch wirkenden Cuveé aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot packen wir 14 Grad Alkohol in ein möglichst großes Glas und bekommen Kraft und Würze aus dem großen Holzfass serviert. Das im Tuschkasten immer viel zu schnell verbrauchte Karminrot leuchtet uns im Glas an, dunkel schimmernd, einen aktiven Duft entwickelnd. Brombeertöne kommen rüber, aber auch dunkelreife Johannisbeeren und Kräuter. Er ist ein Kraftprotz im Mund, ausdrucksstarke, bordeauxreife Tannine aus den Cabernets lassen ihn mit langer körperreicher Präsenz abgleiten, der Merlot drängt rote Früchte dazu. Servieren Sie ihn nicht nur mit den üblichen Wild-Eskapaden, stellen sie ihn einmal mit einer leichten Kühlung von 15 Grad zu einem indischen Reisgericht samt aller scharfer Schikanen hin, dieser Wein weiß, was Rotweingaumen wünschen.
2009 Dornfelder trocken, SAPHIR, Kirchheimer Steinacker – Barrique -
Hier kommt eine echte Überraschung: Ein trockener Dornfelder mit Aroma und Würze, die nicht nur aus Holztönen besteht. Obwohl wir alle Vorurteile gegen Dornfelder zusammengekratzt haben, kommen die nicht zu Zuge: Die Benzingers zaubern aus dem konsequent selektionierten Dornfelder mit 13 Grad Alkohol eine schmackhafte intensive Aromenvielfalt, die höchsten Rotwein-Ansprüchen gerecht werden kann. Sortengemäß dunkelt er blutrotviolett im Glas herum, verströmt Waldbeeren, Kräuter, schwarze Kirschnuancen. Sauber strukturierte Tannine, eine würzige Dornfelder-Furcht und eine vollendete, samtige Barrique-Rundung verleiten zu heimlichem Schmatzen, was die Eleganz des langlebigen Abgangs frech eskortieren darf. Begleiten Sie mit dem Wein einen pikanten Gorgonzola oder gegrillte Lammlachse durchaus mit den üblichen verdächtigen Kräuter der Provence.
2009 Spätburgunder trocken, Obersülzer Schnepp - Holzfass -
Wieder ist das Glas karminrot gefärbt, diesmal aber heller als beim Cab-Merlot-Cuveé, hier eher mit einem Himbeerschimmer. Aus dem Glas steigen dezente Beerennoten empor, Heidelbeeren, Preiselbeeren, Brombeeren, bestimmt aus dem Waldgebiet Leininger Land. Leicht süßliche Duftnoten hinterlässt die Lagerung im großen Holzfass, eine attraktive Komponente, die diesen Spätburgunder mit seinen 13,5 Volumenprozent noch interessanter macht. Geschmacklich drängt sich glücklicherweise kein Holz in den Vordergrund, hier ist körperreich und vollmundig vornehme Frucht aus nährstoffreichen Böden angesagt, die mit feiner Würzigkeit die Tannine in Schach hält. Ein schicker Tafelspitz oder ein kräftig abgeschmeckter Rinderbraten würden sich an der Gegenwart dieses harmonischen Spitzen-Weins erfreuen.
Lassen Sie sich im Hörerlebnis anstecken von Julia Benzingers Ambitionen und der familiären Atmosphäre im Weingut Benzinger.
alle Fotos: Copyright Familienweingut Benzinger
Hörerlebnis mit Julia Benzinger