An den vier Enden der Welt
An den vier Enden der Welt
Die Cantele-Weine aus dem Salento
12. November 2011
Auf den hügeligen Ebenen Apuliens haben schon die Phönizier, Griechen und Römer Wein angebaut. Unter wechselnder Herrschaft – von Byzantinern und Sarazenen über Langobarden, Goten und Normannen bis zu Staufern, Venezianern und Bourbonen – blieb Apulien das Land, wo Wein und Olivenöl flossen. Wie in vielen Regionen in Italien wandte man sich in den letzten Jahrzehnten der Massenproduktion zu: Castel del Monte und Verdiccchio wurden in Großtank-Qualität auf den Markt geworfen oder zum Verschnitt in den Norden geliefert, viele alteingesessene Weingüter wurden mit Namenlosigkeit abgestraft. Inzwischen sind einige Winzer in Familienbetrieben dabei, das Image der Weine Apuliens mit herausragenden Qualitäten aufzupolieren. Etliche Anbaugebiete haben sich den DOC-Status erkämpft. Fläche ist ausreichend vorhanden, denn Apulien konkurriert mit Sizilien als größte Weinbauregion Italiens.
Vom Weinanbau lebt man insbesondere in den Ebenen auf der Capitanata im Norden, in der Tiefebene um Bari (Terra di Bari und Le Murge), in der Mitte (die bekannte Trulli-Region) und auf der Halbinsel Salento, dem südlichsten Stiefelabsatz. Die Adria sorgt für ein warmes, oft sogar heißes Klima mit nur geringen Niederschlägen, das vor allem Rotweinen gut tut. Die rote Erde, auf der Wein, Hartweizen, Olivenbäume, Obst und Gemüse gepflanzt sind, ist ein Überbleibsel des Zerfalls der Kalkböden.
In Apulien wachsen auf 120.000 ha Rebfläche die dunklen Rotweinsorten von Negro Amaro, Primitivo – der die Urrebe des in der Neuen Welt verbreiteten Zinfandel sein soll – und Malvasia Nera. Die berühmte Uva di Troia wird meist nur im Norden angebaut. Die beliebtesten Weißweinsorten sind Verdeca, Bianco d'Alessano, der ertragsstarke Bombino Bianco und Trebbiano Toscano. Die Reben werden vorzugsweise in dem von den alten Griechen stammenden und eher in Frankreich verbreiteten alberello-System erzogen, das heißt, ohne Unterstützung (Drähte oder Rahmen) in Buschform, an alleinstehenden Pfählen hochgebunden, so dass eine "Becher- Form" entsteht.
In den vergangenen Jahren hat sich in den Weinkellern Apuliens ein großer Wandel vollzogen, neue Techniken hielten Einzug und immer mehr Produzenten gehen dazu über, ihre Weine selbst abzufüllen und nicht mehr abzuliefern. Vor allem aber haben viele Familienbetriebe erkannt, dass sie nur mit hohen Qualitäten, Apulien in das Blickfeld der Weinwelt rücken können, die schon lange nach Alternativen zu den hochpreisigen Weinen aus den marketinglastigen Regionen Italiens sucht. Diese apulischen Winzer bieten noch unschlagbare Preis-Leistungsverhältnisse: Keine andere Region verkauft Qualitätsweine so günstig wie Apulien.
Eines der großen Spitzenweingüter Apuliens, die auf die besondere Qualität des Terroirs und auf die Authentizität ihrer Weine setzt, ist Cantele. Die Familie hat rund 40 ha eigene Weingärten und stützt sich zudem auf das Qualitätsstreben der dem Weingut aus 200 ha anliefernden regionalen Winzern. Giani Cantele und ein befreundeter Agronom sorgen dafür, dass auch dort die Qualitätsmaßstäbe eingehalten werden und mit einem kontrollierten Anbau auch die kleineren Weinbauern zu der gewünschten Qualitätssteigerung beitragen.
DAS WEINGUT CANTELE
Die Kellerei Cantele liegt unweit der Gemeinde Guagnano im Gebiet Salento. In dieser heißen Region kommt es nachts zu wüstenähnlichen Abkühlungen, was die Reife der Trauben positiv beeinflusst. Das extreme Klima und der vergleichsweise karge Boden sind schon eine natürliche Ertragsbeschränkung, Cantele hat noch eine qualitätsbezogene Ertragsbeschränkung draufgelegt, produziert aber immerhin noch 2 bis 2,5 Millionen Flaschen.
Die Familie Cantele stammt aus dem Veneto, wo Großvater Giovanni Battista Cantele als Weinhändler in den 50er Jahren Weine aus Apulien vertrieb. Schließlich kaufte er in Apulien Land, legte Weinberge an und holte seine Frau Teresa Manara und die Familie nach. Heute wird Cantele von der Enkelgeneration Umberto, Luisa, Gianni und Paolo geführt. Sie haben eine neues schneeweißes dreiflügeliges Weingut gebaut mit 7 m unter der Erde lagernden Fässern und einer topmodernen Kellerei. Canteles Philosophie ist auf die ständige Verbesserung der Qualität ausgerichtet, die sich bislang auf die regionalen Weinsorten konzentriert hat, neuerdings aber auch internationale Weine produzieren will. Noch kann man konstatieren, dass Cantele seinen terroir-typischen Stil der extremen Verholzung des Geschmacks vorzieht. Nicht zuletzt drückt das Design der Etiketten eine selbstbewusste Modernität der Weinerzeugung aus, die sich bislang souverän aus der Preistreiberei heraushält.
Wir konnten sechs Weine von Cantele verkosten, von denen fünf in einem Preisrang von unter 10 € und einer bei 15 € liegen. Cantele zeigt, dass ein hervorragender Wein nicht teuer sein muss, was die Binsenweisheit bestätigt, dass ein hoher Preis keine zwingende Voraussetzung für einen guten Wein ist.
Teresamanara Chardonnay Salento IGT 2010
Telero IGT Negoamaro 2010
Das ist der rote Einstiegswein von Cantele aus der Basislinie. Sofern man wegen der verdächtigen 3,50 € von Billigwein spricht, trifft das nur die Preisklasse, geht ansonsten aber voll daneben. Es ist der Alltagsrote, der auch Weißweintrinker nicht erschreckt und einfach nett zu trinken ist, vor allem auf der Grillparty im Garten. Negroamaro ist die charakteristische Rotweintraube des Salento. Die 100% Negroamaro werden nach der Ernte im späten September leicht angepresst, Most und Rebe werden dann für rund 5 Tage bei sommerlichen 25°C eingeweicht, bevor die Fermentation und Reifung im Edelstahl erfolgt. Er zeigt sich rubinrot mit mineralischen Düften, die Pflaumen und Erdbeeren umhüllen. Tannine und Säure treten einwandfrei mild auf und halten den fruchtigen Saft im Abgang lebendig. Wie gesagt, der rote Sofortwein für jede Gelegenheit.
Primitivo Salento IGT 2008
Salice Salentino Riserva DOC 2008
Eigentlich kennen wir die Aglianico-Traube eher aus Kalabrien oder der Basilikata, aber Cantele schmückt seinen reinsortigen Roten aus dem kalksteinreichen Norden Apuliens mit einem leidenschaftlichen lokalen Charakter aus. Er wird Anfang Oktober geerntet, gärt schnell bei 28°C und reift 12 Monate im Barrique. Sein Rubinrot ist brillant und satt, kaum durchsichtig. In der Nase entfalten sich intensive, ätherische Düfte von Pflaumen, Schwarzkirschen, Johannisbrot, Feigen und Vanille. Am Gaumen brandet ein fülliger sauberer Körper mit Holzumrahmung an; reiche Tannine, Backpflaumen, Brombeeren, Schwarzkirschen wirbeln herum. Der Abgang wird von einer üppigen Fruchtpalette vollmundig angefeuert. Ein komplexer, aber harmonischer Power-Wein, der angenehm weich und rund bleibt. Der perfekte Genuss zu eine robusten Lammkeule oder einem urigen Wildschweinbraten.
Teresa Manara Negroamaro Salento IGT 2009
Das ist unser Spitzenwein aus der Verkostung, für den nur sensationelle 14,50 € aufgerufen werden. Auch er stammt aus Guagnano bei Lecce und wird Ende September geerntet. Er wird reinsortig aus der Negroamaro-Traube ausgebaut. Nach dem Abbeeren und sanften Pressen wird der Most mit den Schalen 7 Tage lang eingeweicht, damit er die typische Farbe und ein ausgeglichenes Tanninaroma annimmt. Die malolaktische Gärung erfolgt bei kontrollierter Temperatur von 26°C, danach lagert der Wein für etwa 12 Monate in Barriques. Diesmal zeigt das typisch kräftige Rubinrot granatrote Reflexe. Er duftet würzig, mineralisch, reichhaltig und waldfruchtig mit kakaoreicher Schokolade und Gewürzen. Im Mund kommen die Tannine weich und gut ausbalanciert an, ohne dem Negroamaro die Intensität zu nehmen oder den Hals auszutrocknen. Sortengemäß tummeln sich saftige rote Früchte im Mund, von Sauerkirschen ist die Rede, jemand steigert sich geschmacklich zu im Rumtopf eingelegten Sauerkirschen. Eine frische, eingebundene Säure sorgt für ein fruchtig starkes Finish. Ein vollendeter Wein, eine süße Harmonie, den man auch gerne drei bis vier Stunden vor dem Genuss karaffieren kann und dann stundenlang immer wieder schlückchenweise genießt. Oder stellen Sie ihn zu einer Hirschkeule oder einem traditionellen Rindergulasch hin, die Gäste werden schwelgen.
Im Hörerlebnis stellt Dirk Vogl, der Generalvertreter von Cantele in Deutschland, das Weingut Cantele und seine Weine vor.
Copyright D. Rosenbaum
Hörerlebnis mit Dirk Vogl, Generalvertreter von Cantele
© Cantele für alle Flaschen-Abbildungen